19.07.2024: Die amtierende Präsidentin der Nationalversammlung und die Kandidatin von Ensemble pour la République,Yaël Braun-Pivet, wurde am Donnerstag (18.7.) im dritten Wahlgang wiedergewählt. ++ Die Republikaner haben für Yaël Braun-Pivet gestimmt "im Austausch für Führungspositionen", prangert der unterlegene André Chassaigne an ++ Sandrine Rousseau, Abgeordnete der Grünen, will Rechtsmittel gegen die Wahl einlegen.
Zwar konnte sich die Linke bisher nicht auf einen potentiellen Regierungschef einigen, doch für die Wahl des Präsidenten der Nationalversammlung schickte die Neue Volksfront gemeinsam den langjährigen Vorsitzenden der kommunistischen Parlamentsfraktion (17 Mitglieder), André Chassaigne, ins Rennen. (siehe kommunisten.de, 16.7.2024: Frankreich: Sozialisten und Insoumis liegen sich in den Haaren)
Die Kandidatin der Macroniten erhielt 220 Stimmen, während der Kommunist André Chassaigne, Vertreter der Neuen Volksfront, 207 Stimmen erhielt und der Kandidat des Rassemblement National, Sébastien Chenu, 141 Stimmen bekam. 17 Minister stimmten mit ab, die zwar ein Abgeordnetenmandat geholt haben, aber noch kommissarisch im Regierungsamt sind - juristisch ist dies in Frankreich umstritten.
"Ich werde sehr schnell die Fraktionen zusammenbringen, um neue Arbeitsmethoden zu finden, um zu versuchen, mehr auf den Dialog und den Kompromiss zuzugehen", erklärte Yaël Braun-Pivet nach ihrer Wahl.
Die Kandidatin der Macroniten wurde mit den Stimmen der rechten Republikaner ins Amt gehievt.
"Wir haben nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass wir nicht wollten, dass die Nationalversammlung von der Neuen Volksfront präsidiert wird", sagte Ian Boucard, Abgeordneter der Republikanischen Rechten (LR)."Wir hatten eine Wahl zu treffen zwischen einem kommunistischen Abgeordneten, der Mitglied der Neuen Volksfront ist, und Frau Braun-Pivet. Also haben wir für Frau Braun-Pivet gestimmt."
Die Linke prangert eine "unnatürliche Allianz" und einen "Gewaltstreich" an.
Die Linke reagiert wütend auf das Manöver der Macroniten und der Rechten zur Wahl von Yaël Braun-Pivet.
"Bei den Europa- und den Parlamentswahlen verlieren und dann den Parlamentsvorsitz übernehmen: Das wird die Franzosen anwidern"
Alexis Corbière, Abgeordneter von La France insoumise
Der kommunistische Abgeordnete und Kandidat der Neuen Volksfront, André Chassaigne, verurteilte in einer Pressekonferenz, dass "die Stimme der Franzosen von einer widernatürlichen Allianz gestohlen wurde". "Ein Taschenspielertrick", ein "Kuhhandel, der Konsequenzen haben wird", so André Chassaigne.
"Die Republikaner haben durch eine Allianz mit Frau Yaël Braun-Pivet für diese Präsidentin gestimmt, im Austausch für leitende Posten in der Nationalversammlung, die weit über der Repräsentativität der Republikaner liegen werden", beschuldigte er die Macroniten und Republikaner.
Die Abgeordneten der republikanischen Rechten, hätten ermöglicht, "dass sich nichts ändert, während das Volk darauf gewartet hat, dass sich etwas ändert. Das ist ekelerregend."
"Es wurde die Gewaltenteilung in Frage gestellt, wo 17 Minister an der Abstimmung teilgenommen haben", fuhr er fort und geißelte eine "Vermischung von Exekutive und Legislative".
Er hob hervor, dass die Neue Volksfront "diesen Kampf vereint geführt " und sich "auf einen gemeinsamen Kandidaten festgelegt" habe. "Und wir werden in diesem Sinne weitermachen, vereint, wie wir sind", fügte der Abgeordnete hinzu. "Wir sind entschlossen, weiterzukämpfen, damit die gesetzgebende Macht nicht zum Übertragungsriemen für die Exekutive wird."
Der Nationalsekretär der Französischen Kommunistischen Partei (PCF), Fabien Roussel, spricht von "einem Gewaltstreich gegen die Demokratie".
Mathilde Panot, Vorsitzende der Fraktion La France insoumise (LFI) in der Nationalversammlung, spricht von einem "schrecklichen Signal für die Demokratie in unserem Land". "Die Machenschaften heute haben nicht nur das Ergebnis der Wahlurnen vom 7. Juli ignoriert, sondern haben sich über das Ergebnis dieser Wahlurnen gestellt, die die neue Volksfront als stärkste politische Kraft auswiesen", kritisierte Mathilde Panot die Wahl von Braun-Pivet.
Aurélie Trouvé, Abgeordnete der LFI-NFP aus Seine-Saint-Denis, weist darauf hin, dass Emmanuel Macron "und seine Partei zuerst die Europawahlen und dann die Parlamentswahlen verloren haben, ganz einfach, weil die Französinnen und Franzosen zu einem sehr großen Teil diese Politik nicht mehr wollen, die die sozialen Rechte bricht und im Dienste der Reichsten und der multinationalen Konzerne steht".
Als "Gipfel der demokratischen Verweigerung" charakterisierte der Vorsitzende der Sozialistischen Partei, Olivier Faure, die Wahl. "Um den Preis eines geheimen Abkommens mit LR, dessen Gegenleistungen wir noch aufdecken werden, und der Umgehung der Verfassung, indem sie 17 Minister abstimmen ließ, kehrt die Kandidatin des Elysée-Palastes nach drei aufeinanderfolgenden Niederlagen bei den Europa- und Parlamentswahlen wieder auf den Sessel zurück."
Sandrine Rousseau, Abgeordnete der Grünen, kündigte an, Rechtsmittel gegen die Wahl einzulegen. Sie wirft Präsident Emmanuel Macron vor, den Rücktritt seiner Regierung zu einem Zeitpunkt angenommen zu haben, der es 17 zurückgetretenen Ministern ermöglichte, ihre Stimme abzugeben, während der Kandidat der Linken, der Kommunist André Chassaigne, um 13 Stimmen verlor.
Rassemblement National: "Tricksereien" und "ein trauriges Schauspiel"
Der Kandidat des ultra-rechten Rassemblement National, Sébastien Chenu, kommentierte mit einem süffisanten Lächeln die Wahl Er sprach von einem "Sieg der Tricks" und einer "unnatürlicher Allianzen" zwischen Macronie und LR. "Wir erleben ein ziemlich letztlich betrübliches Schauspiel, weil die Franzosen mit den Parlamentswahlen einen starken Willen zur Veränderung zum Ausdruck gebracht haben, und das ist eine Art Rückkehr zum Ausgangspunkt", sagte Sébastien Chenu. "Yael Braun-Pivet wurde mit den Stimmen der LR-Abgeordneten gewählt, die vor ihre Wähler traten und sagten, dass sie Gegner der Macronie seien, um ihr heute zu dienen. Ich glaube, die Dinge sind klar: LR hat also mit der Macronie paktiert, um ihr zu ermöglichen, sich zu halten."
CGT: Programm der Neuen Volksfront umsetzen!
Die Gewerkschaft CGT, die zur Wahl der Neuen Volksfront aufgerufen hatte, mobilisierte im ganzen Land am Tag der "Parlamentseröffnung" der neugewählten französischen Nationalversammlung zu Kundgebungen. In Paris und 80 weiteren Städten forderten Tausende von Staatspräsident Macron, die Linke mit der Regierungsbildung zu beauftragen. "Organisieren wir uns gemeinsam gegen die extreme Rechte und für sozialen Fortschritt: Löhne, öffentliche Dienstleistungen, Aufhebung der Rentenreform", so die CGT in ihrem Aufruf zur Umsetzung des Programms der Neuen Volksfront.
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