10.12.2024: Der rechte Hardliner Călin Georgescu hat überraschend die erste Runde der Präsidentschaftswahl in Rumänien gewonnen ++ Er tritt für ein Ende der Hilfe für die Ukraine ein und äußerte er sich skeptisch zur NATO-Mitgliedschaft Rumäniens ++ Wahlen wurden annulliert, wegen eines "aggressiven russischen hybriden Angriffs" ++ Arnaud Bertrand: keine Beweise für russische Einmischung ++ Gabriel Elefteriu: Erfolg von Georgescu ein Beweis, dass das alte demokratische System möglicherweise irreparabel ist
Am 24. November fand die Rumänien die Präsidentschaftswahl statt. Das Ergebnis war überraschend. Der parteilose rechte Hardliner Călin Georgescu landete mit 22,94 Prozent der Stimmen auf dem ersten Platz, gefolgt von der konservativ-liberalen Politikerin Elena Lasconi mit 19,17 Prozent. Der pro-westliche Ministerpräsident Marcel Ciolacu, der als Favorit galt, landete mit nur 19,15 Prozent nur auf dem dritten Platz.
Während des gesamten Wahlkampfs wurde allgemein erwartet, dass Marcel Ciolacu die erste Runde mit großem Vorsprung gewinnen würde. Er hatte alle Vorteile seines Amtes als Premierminister, gepaart mit der immensen organisatorischen Macht der Maschinerie seiner Sozialdemokratischen Partei – der größten des Landes.
Der 61jährige Georgescu war von seinen Konkurrenten und den klassischen Medien weitgehend ignoriert worden, auch Meinungsforscher hatten seinen Erfolg nicht kommen sehen. "Herr Georgescu hat die gesamte politische Klasse Rumäniens, alle Politikexperten, Analysten und Berater, alle Meinungsforscher – im In- und Ausland – absolut jeden ohne Ausnahme überrumpelt. Niemand hat das kommen sehen. .. So etwas kann und darf nicht passieren. So etwas kann man sich vielleicht in einer Diktatur vorstellen. .. Aber nicht bei einer freien Wahl in einem EU- und NATO-Land, selbst wenn es sich um ein Land am Rande handelt, wie Rumänien", schreibt Gabriel Elefteriu, stellvertretender Direktor des Council on Geostrategy in London. [1]
Gabriel Elefteriu schreibt weiter: "Es gibt keine ernsthaften Hinweise auf Wahlmanipulationen. Die Menschen gingen in Scharen wählen und entschieden sich bewusst für Herrn Georgescu. Er gewann die Diaspora-Wähler mit Abstand – außer in Moldawien, wo er nur 3,11 Prozent der Stimmen erhielt, in einem Land mit einer großen pro-russischen Bevölkerung, das vor einem Monat gerade einmal ein pro-EU-Referendum durchgebracht hat. Die moldawische Ausnahme ist besonders merkwürdig, da sie dem üblichen Verdacht der russischen 'Hilfe' für Georgescu zu widersprechen scheint. In Rumänien selbst gewann Georgescu in Landkreisen, die über alle Regionen des Landes verteilt sind und ansonsten stark von den etablierten Parteien dominiert werden. Es war ein weitgehend gleichmäßig verteilter, solider Sieg."
Und weiter:
"Was Georgescu selbst betrifft, so wirkt er aufgrund seines Lebenslaufs, seines Auftretens und seines Sprechstils wie der ideale Kandidat. Er hat Agrarwissenschaften studiert, einen Doktortitel in Bodenkunde und ist Universitätsdozent; er hat auf hoher Ebene in der Regierung – unter anderem im Außenministerium – sowie bei den Vereinten Nationen und anderen NGOs mit Schwerpunkt auf nachhaltiger Entwicklung gearbeitet; und er spricht vier Fremdsprachen. Er vermittelt das professionelle, saubere Image eines entschlossenen, erfahrenen 62-jährigen Nationalisten auf dem Höhepunkt seiner Macht, der sehr einfach und klar in einer ruhigen, selbstbewussten Art und Weise spricht. Streng nach diesen oberflächlichen PR-Maßstäben ist er auf den ersten Blick perfekt für die Rolle geeignet.
Er ist auch in der rumänischen Politik nicht unbekannt, aber er ist – oder war – eine sehr Randerscheinung. Sein Name wurde in den letzten Jahren in nationalistisch-populistischen Kreisen mehrmals als mögliche Alternative für den Premierminister ins Spiel gebracht. Er wäre beinahe Ehrenpräsident der wichtigsten nationalistisch-konservativen Partei Rumäniens, AUR, geworden, bevor der Deal scheiterte, als frühere Äußerungen ans Licht kamen, in denen er den Anführer des Landes im Zweiten Weltkrieg und Verbündeten der Achsenmächte, Marschall Antonescu – der als verantwortlich für den rumänischen Holocaust gilt – als 'Helden' bezeichnet hatte."
Vor der Wahl hatte Georgescu eine Kampagne auf TikTok gestartet, die die Standardthemen aus dem Arsenal der Souveränisten und Populisten propagierte, von der Kritik an der EU und dem Eintreten für den Frieden in der Ukraine bis hin zu wirtschaftlichem Nationalismus – sogar Autarkie –, Religion, Patriotismus und Antiglobalismus. Er forderte ein Ende der Hilfe für die Ukraine. Außerdem äußerte er sich skeptisch zur NATO-Mitgliedschaft Rumäniens.
"Im Grunde eine Neuauflage von Viktor Orbáns Position", meint Gabriel Elefteriu in seinem Artikel. "Stoppt den Krieg, provoziert Russland nicht, pflegt gute Beziehungen zu China, hütet euch davor, von der NATO in den Ukraine-Krieg hineingezogen zu werden, verfolgt eine neutrale – oder besser gesagt, gleich weit entfernte – Außenpolitik, die offen für eine konstruktive Zusammenarbeit mit allen ist. Mit anderen Worten: Es handelt sich um eine Vision im Stil von 'Romania First' à la Trump. Die einfache und klare Tatsache ist, dass diese Art von Botschaft vor dem Hintergrund der Schrecken des Krieges in der Ukraine nebenan in Rumänien auf sehr offene Ohren stößt."
Am Wahlabend sagte Georgescu, das rumänische Volk sei "zum Bewusstsein erwacht" und habe seinen Willen bekundet, "nicht weiter auf Knien, nicht weiter unter Invasion, nicht weiter erniedrigt" zu bleiben. Wirtschaftliche Unsicherheit habe zu diesem Votum geführt. "Heute Abend hat das rumänische Volk 'Frieden' gerufen", fügte Georgescu mit Blick auf den Krieg in der benachbarten Ukraine hinzu.
Die gestrichene Stichwahl am 8. Dezember
Die entscheidende Stichwahl zwischen den Georgescu und Lasconi war für den 8. Dezember geplant - eine Woche nach der Parlamentswahl.
Bei der Parlamentswahl zeigt sich nun, dass die vielen Stimmen für Georgescu kein Ausreißer waren. Zwar gewann die sozialdemokratische Partei PSD mit rund 22,9 Prozent die Wahl, aber drei ultrarechte ziehen mit insgesamt 30 Prozent ins Parlament ein. Damit haben die ultranationalistischen Kräfte ihre Ergebnisse im Vergleich zur vorhergehenden Wahl verdreifacht.
Die meisten Stimmen im rechten Block fuhr mit 17,6 Prozent die AUR ein. Ihr Parteichef George Simion, der bei der Präsidentschaftswahl im November mit 14 Prozent der Stimmen auf dem vierten Platz gelandet war, kündigte an, Georgescu in der Stichwahl zu unterstützen.
Bereits vor der Parlamentswahl, am 28. November, verfügte Rumäniens Verfassungsgericht die Neuauszählung aller Stimmzettel, die in der ersten Runde der Präsidentenwahl abgegeben wurden. Ein konkreter Grund für die Neuauszählung wurde nicht genannt.
Am 2. Dezember stufte das Verfassungsgericht dann das amtliche Ergebnis der ersten Wahlrunde als korrekt ein.
Wahl insgesamt annulliert
Trotzdem annullierte das Verfassungsgericht vier Tage später, zwei Tage vor der geplanten Stichwahl, die erste Runde der Präsidentschaftswahl vollständig.
Die ganze Wahl muss wiederholt werden. Die Wiederholung des ganzen Wahlprozesses bedeutet auch, dass die Kandidaten, bevor sie antreten können, vom Verfassungsgericht noch einmal bestätigt werden müssen.
Die Richter begründeten die Entscheidung mit Enthüllungen des rumänischen Geheimdienstes, wonach das Land Ziel eines "aggressiven russischen hybriden Angriffs" geworden sei. Über die vor allem bei Jugendlichen beliebte App TikTok sei der rechtsextreme und pro-russische Präsidentschaftskandidat Calin Georgescu mithilfe koordinierter Konten, Empfehlungsalgorithmen und bezahlter Werbung massiv gefördert worden. Ein Netzwerk aus Tausenden Social-Media-Konten auf Plattformen wie TikTok und Telegram hätten Inhalte befördert, die Georgescu zum Wahlsieg verhalfen.
Die oberste Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen auf, ob bei Georgescus Tiktok-Kampagne die Wähler mit Methoden beeinflusst wurden, die laut Rumäniens Wahlgesetz verboten sind.
Bereits vorher hat die EU-Kommission die Videoplattform TikTok angewiesen, alle Daten zur Präsidentschaftswahl in Rumänien zu sichern.
Wahlwiederholung wegen "rechtsextremistischem" Sieger?
Üblicherweise haben EU-Kommission und NATO keine Probleme mit ultrarechten Regierungen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat Italiens Ministerpräsidentin Georgia Meloni und ihre Partei, die faschistischen Fratelli d'Italia, fest an ihre Seite gezogen. Der Faschist Raffaele Fitto ist seit dem 1. Dezember 2024 Vizepräsident der Europäischen Kommission und EU-Kommissar mit der Zuständigkeit für den finanzstarken Bereich für Kohäsion, Reformen, Regionalentwicklung und Städte. Im EU-Parlament zeigt sich immer offener eine tiefe Übereinstimmung zwischen den Positionen der Konservativen und denen der Rechten, einschließlich ihrer ultrarechten Flügel, Orbáns Patrioten und sogar der AfD-Souveränisten.
Von Seiten der EU gibt es nur noch ein Kriterium: eindeutig pro-NATO, pro Ukraine und gegen Russland zu sein.
Und genau diese Kriterien erfüllt Călin Georgescu nicht.
In einem Interview mit der britischen BBC antwortete Georgescu auf die Frage, ob Rumänien unter seiner Führung die benachbarte Ukraine wie bisher militärisch und politische unterstützen werde: "Null. Alles wird beendet. Ich muss mich nur um mein Volk kümmern. Wir haben selbst eine Menge Probleme."
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Rumäniens strategische Bedeutung
Sollte Georgescu rumänischer Präsident werden, könnte das die rumänische Außenpolitik verändern, die sich bisher strikt an EU und NATO ausrichtet. In Rumänien bestimmt der Präsident die Außen- und Verteidigungspolitik und ist an der Kontrolle der Geheimdienste beteiligt.
Das Nato-Mitgliedsland Rumänien hat insbesondere angesichts des Krieges um die Ukraine große strategische Bedeutung: Rumänien teilt eine 650 Kilometer lange Grenze mit der Ukraine, die rumänische Schwarzmeerküste reicht bis 150 Kilometer an die ukrainische Großstadt Odessa heran. Ein großer Teil der ukrainischen Getreideexporte laufen über Rumänien. 5.000 NATO-Soldaten sind in Rumänien stationiert, im südrumänischen Deveselu sind starke Radaranlagen und Raketen des US-Raketenabwehrsystems positioniert.
Also reicht ein Geheimdienstbericht aus, um Wahlen zu annullieren, die zu einem von EU und NATO unerwünschten Ergebnis führen könnten.
Präzedenzfall in der EU für die Annullierung von Wahlen
"Das ist der Präzedenzfall, der hier geschaffen wird, wo Wahlen nicht aufgrund von nachgewiesenem Betrug oder Manipulation für ungültig erklärt werden können, sondern aufgrund der bloßen Existenz einer organisierten Social-Media-Kampagne, die die Behörden für verdächtig halten."
Arnaud Bertrand, politischer Kommentator und Analyst
Der französische Kommentator und politische Analyst Arnaud Bertrand hält die Annullierung der Wahl für einen Präzedenzfall bei "dem weitgehend unbegründete Ängste vor ausländischer Einmischung dazu benutzt werden können, die tatsächliche Wahlentscheidung der Wähler außer Kraft zu setzen". Wahlen würden "nicht aufgrund von nachgewiesenem Betrug oder Manipulation für ungültig erklärt werden können, sondern aufgrund der bloßen Existenz einer organisierten Social-Media-Kampagne, die die Behörden für verdächtig halten".
Auch Gabriel Elefteriu warnt in oben genanntem Artikel[1], davor, den Wahlsieg von Georgescu mit russischer Einflussnahme zu erklären. Er schreibt:
"Vielleicht waren 'Trollfarmen' an seiner Wahlkampagne beteiligt, aber nur diejenigen, die die tiefgreifenden Realitäten der Wählerschaft ihres Landes nicht verstehen – sei es in Rumänien oder in anderen westlichen Ländern – können 'schockiert' sein, dass eine große Anzahl von Menschen an einer Botschaft wie der von Calin Georgescu durchaus Gefallen finden würde. Zusammen mit dem weit verbreiteten Wunsch der Wähler, dem Establishment einen Tritt zu versetzen – in Rumänien genauso wie anderswo, und vielleicht sogar noch mehr! und dem Zusammenbruch des Einflusses der 'traditionellen' Medien (insbesondere des Fernsehens) würde dies das Phänomen Georgescu TikTok weitgehend erklären. … Da Georgescu als 'pro-russisch' wahrgenommen wird – ein ungenauer Begriff noch dazu – richtet sich der Verdacht in dieser Hinsicht gegen den Kreml. Aber es fehlen stichhaltige Beweise; es gibt bisher keine eindeutigen Beweise. Russische Akteure sind an praktisch jeder Wahl im Westen beteiligt, aber ihre genaue Rolle bei der Beeinflussung des Ergebnisses ist kaum jemals klar. (…)
"Das alte demokratische System ist möglicherweise irreparabel"
Gabriel Elefteriu
Die Bedeutung von Georgescus Sieg als politisches Ereignis ist historisch und tiefgreifend – nicht nur für Rumänien, sondern für die Zukunft der westlichen Demokratie im Allgemeinen. Er liefert den ersten eindeutigen und greifbaren Beweis dafür, dass das alte demokratische System, wie wir es kennen, möglicherweise irreparabel ist und dass eine neue Art von Politik geboren wird. (…)
Calin Georgescu wird sowohl belächelt als auch gleichzeitig als ultimative russophile faschistische Gefahr dargestellt werden. Aber das war Trump auch und er hat zweimal gewonnen – nicht zuletzt, weil es verwirrend und widersprüchlich ist, jemanden gleichzeitig als 'Witz' und als 'Bedrohung' zu bezeichnen, und die Argumente gegen ihn schwächt. Für diejenigen, die es mit der Politik ernst meinen und nicht mit den politischen Zirkusartisten und Clickbaitern – in Rumänien und darüber hinaus – ist es die Aufgabe, zu verstehen und zu lernen, nicht zu verspotten oder von vornherein abzutun, mit dieser Überlegenheitshaltung, die für die selbstgefällige liberale Intelligenz üblich ist, deren Eitelkeiten den Westen in die Knie gezwungen haben.
Tatsache ist, dass wir uns jetzt auf eine neue politische Ära zubewegen."
Der "russische hybride Angriff" auf die Wahl?
Arnaud Bertrand kommt nach einer Analyse der veröffentlichten Dokumente des rumänischen Geheimdienstes, der für die Annullierung der Wahl herhalten muss, zu dem Ergebnis, dass diese keine ausländische Einmischung oder Manipulation beweisen. Er schreibt:
Ok, ich habe mir die freigegebenen rumänischen Geheimdienstdokumente [2] genau angesehen, auf deren Grundlage die Wahlergebnisse annulliert wurden, und das Verrückteste an der ganzen Sache ist, dass sie tatsächlich keine ausländische Einmischung oder Manipulation beweisen.
Was zeigen sie?
Sie dokumentieren eine Social-Media-Kampagne zur Unterstützung von Călin Georgescu, an der etwa 25.000 TikTok-Konten beteiligt waren, die über einen Telegrammkanal koordiniert wurden, sowie bezahlte Influencer und koordinierte Nachrichtenübermittlung.
Zunächst einmal ist dies, wenn man es rational betrachtet, tatsächlich eine relativ kleine Anzahl von TikTok-Konten für eine nationale Präsidentschaftskampagne, und die Dokumente liefern nur begrenzte Daten über die tatsächliche Wirkung – sie erwähnen etwa 130 TikTok-Konten, die zwischen 1.000 und 500.000 Aufrufe pro Video generiert haben, aber sie zeigen keine umfassenden Statistiken über das Nutzer-Engagement oder Beweise für einen signifikanten Einfluss auf die Wähler.
Außerdem könnte alles, was in diesen Dokumenten beschrieben wird, genauso gut als legitimes digitales Marketing interpretiert werden.
Die Dokumente liefern keine konkreten Beweise für eine Beteiligung oder Manipulation durch ausländische Staaten – sie deuten lediglich darauf hin, dass die Kampagne "mit der Arbeitsweise eines staatlichen Akteurs korreliert" und ziehen Parallelen zu angeblichen russischen Operationen in der Ukraine und in Moldawien.
Die genannten Zahlungsbeträge (400 Lei pro 20.000 Follower, 1.000 Euro pro Werbevideo) sind eigentlich marktübliche Beträge für Influencer-Marketing, obwohl in den Dokumenten behauptet wird, dass einige Zahlungen nach dem Kampagnenzeitraum illegal getätigt wurden (der von diesen Vorwürfen betroffene rumänische Krypto-Unternehmer Bogdan Peschir bestreitet diese Vorwürfe: https://realitate a.net/stiri/actual/cel-mai-hulit-tiktoker-din-romania-se-apara-este-un-fals-nu-am-finantat-campania-lui-calin-georgescu_6751dcef8681aa0c3c439f52).
Die Koordination der Kampagne über Telegrammkanäle mit spezifischen Richtlinien für die Veröffentlichung ist genau die Art und Weise, wie moderne politische Kampagnen funktionieren.
Was in diesen Dokumenten auffallend fehlt, ist jeglicher konkrete Beweis für eine Beteiligung oder Manipulation durch ausländische Staaten. Es gibt keine technischen Beweise für eine künstliche Verstärkung, keinen Beweis dafür, dass die Konten gefälscht waren und nicht von echten Unterstützern stammten, und keine klare Unterscheidung zwischen koordinierten Kampagnenaktivitäten (was normal ist) und böswilliger Manipulation.
In den Dokumenten wird versucht, Parallelen zu russischen Einflussnahme-Operationen in der Ukraine und in Moldawien zu ziehen, aber die tatsächlich vorgelegten Beweise sind bestenfalls Indizienbeweise. Es wird darauf hingewiesen, dass einige Konten im Jahr 2016 erstellt wurden, aber erst kürzlich aktiv wurden – dies ist jedoch ein völlig normales Verhalten, wenn sich Menschen während Wahlen politisch engagieren.
Auch wenn die Dokumente zeigen, dass Georgescus Popularität in diesem Zeitraum gestiegen ist, beweisen sie nicht, dass die Social-Media-Kampagne diesen Anstieg verursacht hat. Es könnten viele andere Faktoren eine Rolle spielen – seine politischen Positionen, die bei den Wählern Anklang finden, traditionelle Wahlkampfaktivitäten, Medienberichterstattung, öffentliche Auftritte oder die allgemeine Unzufriedenheit der Wähler mit anderen Kandidaten.
Das ist also ganz offensichtlich die viel größere Geschichte hier: dass eine ganze Wahl auf der Grundlage dessen annulliert wurde, was sich einfach nur als effektive Social-Media-Strategie herausstellen könnte.
Tatsächlich wurde nicht einmal bewiesen, dass die Social-Media-Strategie effektiv war, sodass sie sich im Grunde genommen nur auf die Existenz einer Social-Media-Kampagne stützt.
Im Grunde genommen ist in Rumänien Folgendes passiert: Das oberste Gericht des Landes hat eine gesamte Präsidentschaftswahl annulliert, weil es eine koordinierte Social-Media-Kampagne auf TikTok gab, die laut Geheimdiensten – ohne konkrete Beweise – russischen Taktiken ähnelte.
Das ist der Präzedenzfall, der hier geschaffen wird, wo Wahlen nicht aufgrund von nachgewiesenem Betrug oder Manipulation für ungültig erklärt werden können, sondern aufgrund der bloßen Existenz einer organisierten Social-Media-Kampagne, die die Behörden für verdächtig halten.
Es ist ein gefährlicher Weg, auf dem weitgehend unbegründete Ängste vor ausländischer Einmischung dazu benutzt werden können, die tatsächliche Wahlentscheidung der Wähler außer Kraft zu setzen, was der Demokratie ironischerweise weit mehr schadet als jede Social-Media-Kampagne.
Quelle: https://x.com/RnaudBertrand/status/1865246209339986002
Anmerkungen
[1] Brussels Signal, 28 November 2024: Calin Georgescu just blitzed Romanian politics: will his formula spread?
https://brusselssignal.eu/2024/11/calin-georgescu-just-blitzed-romanian-politics-will-his-formula-spread/
[2] https://presidency.ro/ro/media/comunicate-de-presa/comunicat-de-presa1733327193