02.02.2010: Der Weltklimagipfel in Kopenhagen war ein Flop. Um aber der Abschlusserklärung von Kopenhagen zumindest den Schein von Inhalt zu geben, hatten die Regierungen versprochen, bis Ende Januar ihre nationalen Ziele zur Reduzierung von Treibhausgasen an die UNO zu melden. Yvo de Boer, Leiter des UN-Klimasekretariats, rechnete aber schon damit, dass viele Länder die Frist verstreichen lassen würden, und nahm vorsichtshalber dem Abgabetermin die Verbindlichkeit. Notfalls würde er auch Nachmeldungen zu einem späteren Zeitpunkt entgegennehmen, versicherte er den Nachzüglern. Was bleibt ihm auch anderes übrig. Von den großen Zielen, die sich die Staaten in Kopenhagen geben wollten, ist ohnehin keine Spur mehr zu sehen. Die kapitalistischen Industrieländer wollen der Erde auch künftig kräftig einheizen. Das Ziel, die Erderwärmung auf zwei Grad gegenüber vorindustriellem Niveau zu begrenzen, rückt so in weite Ferne.
EU setzt sich enttäuschende Ziele
Die USA, der weltgrößte Klimaverschmutzer, gehen über ihr bescheidenes Ziel einer vierprozentigen Reduzierung im Vergleich zu 1990 nicht hinaus. Auch die EU, die bei den Klimaverhandlungen mit einem Mandat antritt, ist zurück gerudert. „Die EU und ihre Mitgliedsstaaten verpflichten sich ohne weitere Bedingungen, die Emissionen bis 2020 um 20 Prozent gegenüber 1990 zu verringern“, heißt es im Brief der Europäischen Kommission. Von der bisher verkündeten Vorreiterrolle der EU ist keine Rede mehr. Es heißt nur sehr unverbindlich, dass unter bestimmten Voraussetzungen das Ziel auf 30 Prozent erhöht werden könne. Und auch nur dann, wenn andere Länder mitziehen. Demgegenüber fordert der Weltklimarat von den Industrieländern ein Minus von 25 bis 40 Prozent bis 2020 und um bis zu 95 Prozent bis 2050 gegenüber 1990, weil sich andernfalls der Klimawandel nicht aufhalten lasse.
Das UN-Klimasekretariat bereitet mit diesen Informationen einen neuen Anlauf für ein Klimaabkommen vor. Im Dezember soll in Mexiko bei einem erneuten Weltklimagipfel ein Abkommen unterzeichnet werden.
Mitte Januar hatten sich in Delhi die Umweltminister Brasiliens, Chinas, Indiens und Südafrikas beraten. Sie fordern, dass die UNO der Ort der Verhandlungen bleiben müsse und vereinbarten vierteljährliche Treffen zur Vorbereitung der Weltklimakonferenz. Sie streben ein „ambitioniertes und gerechtes“ Abkommen an, ließen die vier Schwellenländer verlauten.
Bundesregierung: weder „ambitioniert“ noch „gerecht“
Für die Bundesrepublik Deutschland weist der ehemalige Leiter der Forschungsstelle für Umweltpolitik der FU Berlin, Martin Jänicke, in einem Artikel in der Süddeutschen Zeitung darauf hin, dass zwischen 1999 und 2007 die deutsche Energiewirtschaft, anders als das Gros der Wirtschaft, ihre Emissionen nicht gesenkt, sondern um fast 50 Millionen Tonnen erhöht hat; im Wesentlichen durch verstärkte Verstromung von Kohle. Bei den verkauften Autos sei die PS-Leistung seit 1996 im Schnitt um fast 40 Prozent gestiegen. „Was hätten wir zusätzlich gespart .., wäre dies vermieden worden“, fragt er und fordert die Bundesregierung auf, sich auf ein Ziel von mindestens 40 Prozent festzulegen. (SZ, 21.1.2010)
Auf eine Anfrage des Klimaexperten des isw, Helmut Selinger, räumt die Bundesregierung ein, dass „Emissionsbudgets gerecht auf alle Staaten bzw. Bürger dieser Welt verteilt werden müssen“. Umgehend schränkt sie jedoch ein: „Eine unmittelbare Anwendung der vorgeschlagenen Pro-Kopf-Verteilung würde aber zu massiven Umverteilungseffekten führen, die für die Industriestaaten kaum darstellbar sind.“ (http://www.isw-muenchen.de/download/klima-hs-merkel-0110.pdf)
Im Klartext: Die Bundesregierung weiß ganz genau, dass das eigentlich richtig und gerecht wäre. Aber da Klimagerechtigkeit den in Deutschland ansässigen Unternehmen und den anderen Industrieländern viel Geld - „massive Umverteilungseffekte“ - zu Gunsten der Entwicklungs- und Schwellenländer kosten würde, wird blockiert so lange es geht.
Das System verändern - nicht das Klima
„Die Antwort macht deutlich, dass die Klimabewegung national und international noch einiges tun muss, um die Klima-Konferenz, die im Sommer auf Ministerebene in Bonn stattfinden soll, und die nächste Klimakonferenz in Mexiko Ende 2010 auf der Basis der alternativen Deklaration von Kopenhagen noch viel stärker unter öffentlichen Druck zu setzen“, kommentiert Helmut Selinger die Stellungnahme der Bundesregierung. Er bekräftigt damit die Erklärung des Klimaforum09 in Kopenhagen "System change - not climate change“, in der es heißt: „Unabhängig vom Ergebnis des Kopenhagen Klimagipfels braucht es dringend den Aufbau einer weltweiten Bewegung der Bewegungen, die sich der langfristigen Aufgabe widmet, einen nachhaltigen Wechsel unserer Gesellschaften voranzutreiben. Im Unterschied zu den herrschenden Machtstrukturen muss diese Bewegung von unten her wachsen. Notwendig sind breite Bündnisse von Umweltbewegungen, sozialen Bewegungen, Gewerkschaften, Bauern und anderer verbündeter Parteien, die im täglichen politischen Kampf sowohl auf lokaler, als auch nationaler und internationaler Ebene zusammenarbeiten können. Ein Bündnis dieser Art bringt gleichzeitig ein neues Bewusstsein und neue Methoden sozialer Aktionen hervor. Es muss fähig sein, nicht nur auf unhaltbare Praktiken zu reagieren, sondern auch durch Beispiele zeigen, wie eine neue, lokal verankerte und nachhaltige Wirtschaft in der Praxis funktionieren kann.
Wir, die TeilnehmerInnen, Communities und sozialen Organisationen des Klimaforum09 verpflichten uns, basierend auf den bei diesem Ereignis erarbeiteten Ergebnissen an der weiteren Entwicklung einer weltweiten Bewegung der Bewegungen zu bauen. Es ist unsere Hoffnung, dass diese Erklärung die Weiterentwicklung einer solchen Bewegung inspiriert, indem sie auf die generelle Richtung verweist, in die wir uns bewegen wollen. Gemeinsam können wir den Wandel für eine nachhaltige Zukunft bewirken.“ (Anlage: Declaration "System change - not climate change“, Kopenhagen)
http://www.klimaforum09.org/?lang=en
text: lm
foto: pepeketua