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USA PRO Act Kampagne02.09.2021: Die Demokraten haben die oppositionellen Republikaner erfolgreich ausmanövriert und einen Sieg im Repräsentantenhaus für das 3,5-Billionen-Dollar-Haushaltspaket errungen, das den Weg für massive soziale Veränderungen in Amerika ebnet. Dabei musste auch der Widerstand von neun konservativen demokratischen Abgeordneten überwunden werden, die Bidens transformatives Sozialprogramm sabotieren wollten. Und bei einem Vorsprung von nur 222:211 Sitzen kann sich die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, nicht viele Abtrünnige leisten.

 

Nachdem Bernie Sanders die von ihm als Vorsitzender des Haushaltsausschusses erarbeitete 3,5 Milliarden Dollar schwere "Versöhnungs"-Gesetzesvorlage [1] im paritätisch besetzten Senat [2] durchgesetzt hatte, manöverierte die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, sowohl die oppositionelle Republikaner wie auch die konservativen demokratischen Abgeordneten erfolgreich aus. Mit 220:212 Stimmen wurde die "Versöhnungs-Regel″ beschlossen. Praktisch war es jedoch eine Abstimmung über das Haushaltspaket und die damit verbundenen Sozialausgaben, da die von den Abgeordneten beschlossene "Regel" diese Maßnahmen automatisch und ohne gesonderte namentliche Abstimmung beinhaltet. Und die Regel zwang neun widerstrebende Demokraten mitzumachen. Außerdem ist den Republikanern der Weg verbaut, im Senat die Gesetztesvorlage durch Filibusterei [3] zum Scheitern zu bringen

Das 118-seitige Versöhnungs-Haushaltspaket beinhaltet u.a. die Bekämpfung des Klimawandels, Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr, die Beendigung der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen, höhere Ausgaben für Kinderbetreuungseinrichtungen und für die Gehälter von Kinderbetreuer*innen, die Übernahme der Kosten für Zahn-, Hör- und Sehhilfen durch Medicare und die Finanzierung eines Großteils davon durch die Abschaffung der Steuersenkungen der Trump-Regierung für Unternehmen und Reiche.

Dazu kommen eine umfassende Einwanderungsreform und Verbesserung der Rechte für Arbeiter*innen. Es enthält zwar keine detaillierten Maßnahmen für den Protect the Right to Organize (PRO) Act, der Arbeiter*innen- und Gewerkschaftsrechte stärken soll, sieht jedoch eine Erhöhung der Geldstrafen für Verstöße gegen das Arbeitsrecht vor, wie es das PRO-Gesetz vorsieht. Die höheren Bußgelder erfüllen die "Versöhnungs"-Anforderungen, das sie Auswirkungen auf den Haushalt haben. Die Verabschiedung des Gesetzes eröffnet den Gesetzgebern jedoch die Möglichkeit, diese und andere Maßnahmen zu verabschieden, ohne durch republikanische Filibusters im Senat blockiert zu werden.

Außerdem beschloss das Repräsentantenhaus den ″John Lewis Voting Rights Advancement Act″. Nach den Präsidentschaftswahlen 2020 begannen viele von den Republikanern kontrollierte Bundesstaaten damit, Gesetze zu verabschieden, die das Wählen erschweren und vor allem schwarz Wähler*innen von der Stimmabgabe fernhalten sollen. Der Oberste Gerichtshof hatte mit zwei Entscheidungen dafür grünes Licht gegeben. ″Staatliche und lokale Beamte haben dreist restriktive Wahlvorschriften erlassen, Bezirksgrenzen geändert und Wahllokale in einer Weise verlegt, die vielen Wähler*innen das Wählen und den Zugang zum Wahllokal erschwert″, erklärte Bill Samuel von der Gewerkschaft AFL-CIO. Mit dem ″John Lewis Voting Rights Advancement Act″ werden diese Gerichtsentscheidungen aufgehoben und die die Befugnis der Bundesregierung wiederhergestellt, ein Veto gegen diskriminierende Anti-Wähler*innen-Gesetze in Bundesstaaten und Städten einzulegen.

Regierung arbeit für die Mehrheit, nicht für die 1%
Bernie Sanders

Senator Bernie Sanders sieht "den Kern" der Agenda der Versöhnungsvorlage darin, dem Land zu beweisen, dass die Regierung für die Mehrheit arbeitet und nicht für die 1%.

Nach der Verabschiedung des ″Versöhnungshaushaltspaketes″ stimmte das Repräsentantenhaus auch dem vom Senat verabschiedeten Zweiparteien-Kompromiss über 978 Milliarden Dollar für eine Verbesserung der Infrastruktur zu, um die maroden Straßen der Nation, die knarrenden U-Bahnen, die Dieselbusse, die löchrigen Start- und Landebahnen der Flughäfen und die maroden Brücken wieder aufzubauen und zu erneuern.

Die neun sog. ″gemäßigten″ Demokraten, die sich gegen das Haushaltspaket stemmten, wollten erst über diese Infrastrukturgesetz abstimmen und anschließend über den ″Versöhnungshaushalt″. Aber eine größere Gruppe von Abgeordenten, der 96-köpfige Progressive Caucus des Repräsentantenhauses, drohte damit, das harte Infrastrukturgesetz zu Fall zu bringen, wenn das Versöhnungsgesetz nicht zuerst vorgelegt würde. Sie sahen die Forderungen der Handvoll "Gemäßigter" als einen Trick an und befürchteten, dass die ″Gemäßigten″ nach der Abstimmung über das Infrastrukturgesetz gehen und so die Sozial- und Klimaprogamme zum Scheitern bringen würden.

Druck von außen

USA Poor Peoples Campaign FilibusterDas Programm wird von einer breiten Koalition von Gruppen von der Mitte bis zur Linken des politischen Spektrums, einschließlich der Kommunistischen Partei nachdrücklich unterstützt. Vor der Abstimmung organisierten sie öffentlichen Druck auf die neun sog. ″gemäßigten″ Demokraten, die sich gegen das ″Versöhnungs-Paket″ stellten, durch formelle Briefe der Gewerkschaft AFL-CIO, Kundgebungen in Washington und anderen Städten, Fernsehspots, … .

Bill Samuel, Direktor für Regierungsangelegenheiten bei der Gewerkschaft AFL-CIO, appellierte an die Gesetzgeber, der Versöhnungsvorlage zuzustimmen, denn sie"stellt die größte Investition in Amerikas arbeitende Familien seit dem New Deal dar, mit entscheidenden Verbesserungen für Familien, Bildung, bezahlten Urlaub, saubere Energiejobs und Wohnraum. Sie stärkt auch die Durchsetzung unserer Arbeitsgesetze, bietet einen längst überfälligen Weg zur Staatsbürgerschaft und erweitert den Zugang zu erschwinglicher Gesundheitsversorgung und verschreibungspflichtigen Medikamenten. .. Der Haushaltsbeschluss würde große Unternehmen und Reiche dazu bringen, ihren gerechten Anteil an den Steuern zu zahlen. Er würde auch dazu beitragen, jahrzehntelange Unterinvestitionen in unseren Gemeinden rückgängig zu machen, unsere Wirtschaft wachsen zu lassen und gute gewerkschaftliche Arbeitsplätze zu schaffen."

Neun progressive Gruppen verstärkten den Druck auf die "Gemäßigten" mit einer Fernsehwerbung, in der sie die Wähler*innen aufforderten, diese Abgeordneten anzurufen und sie zu drängen, für die Versöhnung zu stimmen. Die Working Families Party, MoveOn, Indivisible und Organize for Justice gehörten zu den Gruppen, die sich an dem Anzeigenkauf beteiligten. Die Justice Democrats, die von Anhänger*innen der Abgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez und anderen "Squad"-Mitgliedern gebildet werden, stellten die Koalition zusammen und arrangierten die Anzeige.

"Sagen Sie dem US-Kongressabgeordneten Henry Cuellar, er soll aufhören, Präsident Biden zu behindern, und anfangen, für das amerikanische Volk zu arbeiten", hieß es z.B. in der Anzeige, die sich an den Abgeordneten aus dem äußersten Südwesten von Texas richtete.

Strategie der Progressiven funktioniert

Die Durchsetzung des ″Versöhnungs-Haushaltspaketes″ beweist, dass die neue Strategie der Progressiven funktioniert. Die Vorsitzende des ″Congressional Progressive Caucus″, Pramila Jayapal, beschreibt diese als "Inside-Outside"-Strategie, mit der die Progressiven ihre Agenda trotz eines 50:50-Senats auf dem Capitol Hill durchsetzen wollen.

Ein Teil der Strategie besteht darin, fortschrittliche Bestimmungen so zu formulieren und mit spezifischen Steuer- und Haushaltszielen zu versehen, dass sie in ein "Versöhnungsgesetz" passen. ″Die Progressiven werden ihre Vorschläge so gestalten, dass sie in Haushaltsgesetze passen, insbesondere in die Versöhnungsgesetze. Auf diese Weise werden parlamentarische Blockaden fallen″, sagt Pramila Jayapal.

Der zweite Teil ihrer Strategie ist die Lobbyarbeit von außen, und hier kommen die organisierten Gewerkschaften, Our Revolution - die alten Unterstützer*innen von Bernie Sanders - und alle linken und fortschrittlichen Organisationen ins Spiel.

Der dritte Teil besteht darin, den kollektiven Einfluss des Progressive Caucus, der jetzt mit 95 Mitgliedern die größte Gruppe innerhalb der regierenden Demokraten im Repräsentantenhaus ist, zu nutzen, um sicherzustellen, dass ihre Anliegen das Repräsentantenhaus erreichen.

 

 

Anmerkungen

[1] Das Reconciliation-Verfahren (″Versöhnungs-Verfahren″) ist ein Gesetzgebungsprozess im Senat der Vereinigten Staaten. Es wurde 1974 eingeführt, um ein Gesetzgebungsverfahren zu schaffen, in dem Filibuster nicht möglich sind. Der Name Reconciliation (engl. für "Versöhnung") kommt daher, dass das Verfahren ursprünglich für Gesetzentwürfe gedacht war, die Staatsausgaben und Staatseinnahmen mit der Haushaltsplanung "in Einklang bringen" sollen.
Das Reconciliation-Verfahren wird ausgelöst, indem sowohl der Senat als auch das Repräsentantenhaus eine übereinstimmende Resolution verabschieden, mit der ein oder mehrere Ausschüsse beauftragt werden, über Gesetzesänderungen zu berichten, die den Haushalt beeinflussen. Wenn mehrere Ausschüsse beauftragt wurden, übersenden diese ihre Empfehlungen an das Budget Committee ihres Hauses, im Falle des Senats also an das United States Senate Committee on the Budget. Das Budget Committee schnürt dann aus den Empfehlungen einen Sammel-Gesetzentwurf (omnibus bill). Über diesen Gesetzentwurf wird dann von Repräsentantenhaus und Senat abgestimmt. Der Senat stimmt aber im Reconciliation-Verfahren ab. In diesem Fall ist die Redezeit der Abgeordneten auf insgesamt 20 Stunden begrenzt und die Möglichkeit, Änderungsanträge zu stellen, ist eingeschränkt.
Das Verfahren ist insbesondere deshalb relevant, weil im Senat nur eine einfache Mehrheit der Senatoren benötigt wird. Für gewöhnliche Gesetze müssen 60 % der Senatoren zustimmen, wenn ein Filibuster ausgeschlossen werden soll. (nach Wikipedia)

[2] Sitzverteilung
Repräsentantenhaus: Demokratische Partei: 222; Republikanische Partei: 211
Senat: Demokratische Partei: 48; Unabhängige: 2 (u.a. Bernie Sanders); Republikanische Partei: 50
Da bei Stimmengleichheit die Präsidentin des Senats, die Vizepräsidentin der USA Kamala Harris, durch ihre Stimme entscheidet, sind die Demokraten seit dem 20. Januar 2021 die Mehrheitspartei.

[3] Filibusterei: Die Senatoren haben das Recht, so lange sie wollen zu reden, ohne dass dies mit dem zur Debatte stehenden Thema etwas zu tun haben muss, ohne unterbrochen zu werden. Damit kann eine Minderheit nicht nur das aktuelle Vorhaben blockieren, sondern auch alle nachfolgenden Punkte einer Tagesordnung können nicht mehr zur Abstimmung gebracht werden. Für den Abbruch einer Filibusterei ist eine Mehrheit von drei Fünfteln der Senatoren (normalerweise also von 60) erforderlich. Aus diesem Grund werden in der Praxis Fragen, zu denen mindestens 41 Senatoren mit einem Filibuster drohen, meistens gar nicht erst auf die Tagesordnung gesetzt. (nach Wikipedia)


 

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