Internationales

25.01.2023: Wie zu erwarten war, hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) grünes Licht für die Lieferung von Leopard-Panzern an die Ukraine gegeben ++ USA liefern voraussichtlich jetzt doch die modernen Abrams-Panzer ++ Siebtes EU-Paket von 500 Millionen, 2,5 Milliarden aus Washington ++ Estland schickt alle Haubitzen, die es hat ++ USA haben der Ukraine grünes Licht für Drohnenangriffe auf russisches Territorium gegeben ++ NATO-Tabus fallen (fast) alle: Der Westen sagt nur (noch) Nein zur Entsendung von Soldaten und der Lieferung von Kampfjets und Langstreckenraketen ++ Lawrow: "Russlands Krieg mit dem Westen ist nicht mehr hybrid, sondern fast real."

 

Jede Phase des Krieges erfordert eine andere Bewaffnung. Als die Ukraine in Charkow und Cherson zum Gegenangriff übergehen wollte, verlangte sie Raketenwerfer und Artillerie; nach der Ankunft des russischen Generals Surowikin und der systematischen Bombardierung von Städten, die weit von der Front entfernt liegen, verlangte sie Flugabwehrwaffen. Und jetzt, da der Winter nicht genutzt wurde, um den Konflikt einzufrieren und Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen zu beginnen, werden die Kämpfe wieder dynamischer und es geht Kiew darum, Territorium zurückzugewinnen – Selensky spricht von der Rückeroberung der gesamten Ostukraine und der Krim. Da werden Kampfpanzer und vor allem Leopard-Panzer aus deutscher Produktion für die Offensive gefordert.

 

"Inzwischen ist deutlich zu sehen, dass der Krieg überwiegend ein Krieg zwischen Russland auf der einen und der NATO auf der anderen Seite ist. Die Ukraine ist das Schlachtfeld auf dem dieser Krieg ausgetragen wird."
Aufruf "Stoppt den Krieg!" (http://stoppt-die-eskalation.de)

Der Bundeskanzler hat sich lange zurückgehalten, zu gefährlich ist die Möglichkeit einer direkten Konfrontation mit Russland. Aber nach langem Zögern traf Olaf Scholz dann doch die Entscheidung, dass Deutschland Leopard-Kampfpanzer in die Ukraine schicken wird. Der Druck war groß.

Zum einen hat Washington verärgert über die von Bundeskanzler Scholz aufgestellte Verknüpfung reagiert, wonach er die Lieferung des US-Kampfpanzers des Typs M1 "Abrams" zur Bedingung für eine mögliche Entsendung deutscher Kampfpanzer vom Typ Leopard gemacht hat. Die Biden-Regierung lehnte die Lieferung der modernen "Abrams" bis gestern ab.

Zum anderen wurde der Druck auf Scholz durch die Ukraine und die NATO-Kriegsfalken wie Polen immer stärker. Dazu forderte die eigene Koalition – vor allem Grüne und der FDP – sowie die CDU/CSU-Opposition immer aggressiver die Freigabe der Panzer für die Ukraine. Angefeuert wird die öffentlich Debatte durch die "Leitmedien", die unisono für die Lieferung der Panzer agieren, um die bisher mehrheitliche Ablehnung in der Bevölkerung niederzuwalzen. Dabei ist Deutschland nach den USA und Großbritannien schon drittgrößter Lieferant von Kriegsmaterial an die Ukraine in einem Wert von 3,3 Mrd. Euro, u.a. Schützenpanzer, Panzerhaubitzen, Flugabwehrsysteme, Ringtausch für Kampfpanzer – finanziert aus Mitteln der "Ertüchtigungshilfe der Bundesregierung". [https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/krieg-in-der-ukraine/lieferungen-ukraine-2054514] Mit 9,6 Mrd. Euro insgesamt an Unterstützungsleitungen für die Ukraine (Stand 7.12.2022) liegt Deutschland sogar an zweiter Stelle hinter den USA.

"Wir kämpfen einen Krieg gegen Russland"
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) bei der Parlamentarischen Versammlung des Europarats am 24. Januar 2023

Am Sonntagabend (22.1.) durchbrach die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) schließlich die festgefahrene Situation und erklärte, dass Deutschland eine mögliche Panzerlieferung anderer Staaten an die Ukraine nicht verhindern würde. "Im Moment ist die Frage noch nicht gestellt worden, aber wenn wir gefragt würden, würden wir nicht im Weg stehen", sagte sie dem französischen Fernsehsender LCI. Sie antwortet damit auf die Frage, was geschehe, wenn Polen Leopard-Panzer an die Ukraine liefern würde.

Worauf der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki umgehend am Montag erklärte, dass Polen die Bundesregierung um die Erlaubnis bittet, die Lieferung von Leopard-Panzern an die Ukraine zu genehmigen. Notfalls werde Polen die Leopard-Panzer auch ohne Zustimmung Deutschlands an die Ukraine liefern. Von der Europäischen Union verlangt die polnische Regierung, die Panzer zu bezahlen.

Der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius stellte nach Aussage seines US-Kollegen Lloyd Austin klar, dass es den Zusammenhang zwischen der Lieferung von US-Panzern und den Leopard gar nicht gebe, und dass "die Entscheidung bald fallen wird".

Doch dann kam durch die US-Regierung zusätzlich Bewegung ins Spiel. Laut Medienberichten vom gestrigen Dienstag (24.1.) überlegt die US-Regierung nun doch, Panzer des Typs "Abrams" an die Ukraine liefern. Das Paket könnte 30 bis 50 Panzer umfassen. Das Pentagon hatte US-Kampfpanzerlieferungen erst vor wenigen Tagen noch eine Absage erteilt.

Deutschland schickt Leopard-Panzer in die Ukraine

Am heutigen Mittwoch gab die Bundesregierung nun bekannt, in einem ersten Schritt 14 Leopard-Kampfpanzer vom Typ 2A6 aus den Beständen der Bundeswehr in die Ukraine zu liefern. Die Ausbildung der ukrainischen Besatzungen soll zügig in Deutschland beginnen. Neben der Ausbildung umfasst das Paket auch Logistik, Munition und Systemwartung. Ziel sei es, "rasch zwei Panzer-Bataillone mit Leopard-2-Panzern" für die Ukraine zusammenzustellen. Europäische Partner würden "ihrerseits dafür Panzer zur Verfügung stellen". Die Bundesregierung werde dafür die entsprechenden Genehmigungen erteilen.

 

Aktien von Rüstungskonzern Rheinmetall auf Rekordhoch

John Heartfield Hyaene25.1.2023, 9.37 Uhr: Die Aktien des Leopard-Panzer-Herstellers Rheinmetall legen knapp drei Prozent auf 229,50 Euro zu und erreichen damit ein Rekordhoch. Deutschland wird offenbar den von dem Rüstungskonzern hergestellten Kampfpanzer Leopard an die Ukraine liefern. »Der direkte finanzielle Einfluss wäre zwar begrenzt, es würde bei den Aktien aber für eine sehr positive Stimmung sorgen«, sagte ein Händler. Die von den Staaten gelieferten Panzer müssten ersetzt werden, was für eine steigende Nachfrage und Aufträge an Rheinmetall spreche. Die Titel des Rüstungskonzerns sind seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine im vergangenen Februar um 170 Prozent angestiegen.
Spiegel online, Ukraine-News, 25.1.2023
 

 

Die Entsendung von Bodentruppen schloss Bundeskanzler Scholz im Bundestag aus. Auch zur Lieferung von Flugzeugen äußerte er sich ablehnend. Allerdings hat er sich auch vor nicht allzu langer Zeit ablehnend zur Lieferung von Kampfpanzern geäußert.

"Die Meldungen, Leopard-Panzer auch von Deutschland aus in die Ukraine zu schicken, sind eine sehr positive Nachricht“, sagte der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter (Grüne). Der SPD-Politiker Rald Stegner nimmt in seiner Partei inzwischen nahezu eine Außenseiterposition ein. Er mahnt zur Vorsicht. "Man muss doch auch die Frage beantworten: Was kommt denn eigentlich danach? Jetzt kommen die Kampfpanzer, kommen dann als nächstes Kampfflugzeuge oder Kampfschiffe? Reden wir irgendwann über Truppen?" Dass FDP und CDU/CSU den Beschluss der Bundesregierung begrüßen, ist nicht überraschend.

"Die Entscheidung, Deutschland weiter zur Kriegspartei zu machen, hat in der Bevölkerung keine Mehrheit."
Diemar Bartsch, MdB, DIE LINKE

Keine Leo DIE LINKEDietmar Bartsch, Vorsitzender der Linksfraktion, kritisierte die Leopard-Lieferung als gefährlich. "Die Lieferung von Leopard-Kampfpanzern, womit ein weiteres Tabu fällt, führt uns potenziell näher an den dritten Weltkrieg als Richtung Frieden in Europa“, sagte Bartsch. "Die Entscheidung, Deutschland weiter zur Kriegspartei zu machen, hat in der Bevölkerung keine Mehrheit." Leopard-Panzer seien der Auftakt "in eine mögliche Rutschbahn Richtung Katastrophe". Den Rufen nach Kampfpanzern würden Rufe nach Kampfflugzeugen und mehr folgen.

"Es geht nicht um fünf oder zehn oder fünfzehn Panzer. Der Bedarf ist größer"
Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba appelliert an alle Länder, die Leopard 2 besitzen, "so viele Panzer wie möglich" zur Verfügung zu stellen. "Die Panzerkoalition ist also gebildet. Jeder, der daran gezweifelt hat, dass dies jemals geschehen könnte, sieht jetzt: für die Ukraine und ihre Partner ist nichts unmöglich", schrieb er auf Twitter. "Ich rufe alle neuen Partner, die Leopard-2-Panzer in Betrieb haben, auf, sich der Koalition anzuschließen und so viele Panzer wie möglich bereitzustellen."

Die ukrainischen Streitkräfte wollen "mindestens 300 Leoparden, nicht 10 oder 20", wie Medien über Quellen innerhalb der Streitkräfte berichten. Mit anderen Worten: Die Ukraine möchten ganze Infanteriedivisionen umstrukturieren, um eine hohe Durchschlagskraft bei künftigen Offensiven zu erhalten. Das Ziel der Ukraine und der NATO ist: "Die Ukraine muss den Krieg gewinnen."

Melnyk fordert Kampfjets und U-Boote für die Ukraine

Der stellvertretende Außenminister der Ukraine, Andrei Melnyk, begrüßte die geplante Lieferung deutscher Leopard-Kampfpanzer und stellt sogleich weitere Forderungen nach modernen Kampfjets. Auf seinem Twitter-Account fordert er die Verbündeten auf, eine starke Kampfjet-Koalition für die Ukraine einzurichten und solche Maschinen wie F-16 und F-35, Eurofighter und Tornados, Rafale und Gripen-Jets zu liefern.

Melnyk Twt 2023 1 24 Jets

An Deutschland gerichtet fordert er die Lieferung von Tornado- und Eurofighter-Kampfjets, Kriegsschiffen und U-Booten.

Melnyk Jets und Kriegsschiffe

Weitere militärische Hilfspaket der EU und der USA

Während die Debatte um die Kampfpanzer geführt wurde, hat die Europäische Union eine politische Einigung über ein weiteres militärisches Hilfspaket (das siebte) für die Ukraine im Wert von 500 Mio. EUR erzielt, zusammen mit weiteren 45 Mio. EUR für nicht-tödliche Ausrüstung für die EU-Ausbildungsmission in dem osteuropäischen Land.

Viele Staaten sind jedoch der Meinung, dass dies nicht ausreichend ist. Estland gab bekannt, dass es alle 155-mm-Haubitzen an die Ukraine liefern wird. "Wir wollen einen Präzedenzfall schaffen, damit andere Länder keinen Vorwand haben, der Ukraine nicht die Waffen zu liefern, die sie braucht, um den Krieg zu gewinnen", sagte der estnische Botschafter in der Ukraine, Kaimo Kuusk.
Das Paket im Wert von 113 Millionen Euro umfasst Dutzende von 155- und 122-mm-Haubitzen, Tausende von Granaten und Transportfahrzeugen, über 100 Panzerabwehrwaffen vom Typ Carl Gustaf und mehr als tausend Munitionseinheiten.

Schweden hat ein Militärhilfepaket im Wert von 419 Mio. USD angekündigt, das auch das Artilleriesystem Archer umfasst. Das Paket ist in drei Teile gegliedert und umfasst Schützenpanzer Stridsfordon 90, Panzerabwehrwaffen der Marke Nlaw, Minenräumgeräte und Sturmgewehre.

Frankreich hat angedeutet, dass es wahrscheinlich gepanzerte Fahrzeuge des Typs Amx 10 schicken wird, und Präsident Macron schloss nicht aus, dass auch Leclerc-Panzer bald in die Kriegslieferungen aufgenommen werden könnten.

Auf der anderen Seite des Ärmelkanals hat London bereits 12 Challenger-2 Panzer zusätzlich zu den Sea King Marinehubschraubern, die am Samstag (21.1.) in der Ukraine eingetroffen sind, bereitgestellt, wie der ukrainische Verteidigungsminister Oleksii Reznikov mitteilte.

Die USA stehen kurz vor dem Abschluss einer weiteren Lieferung im Wert von 2,5 Milliarden Dollar, die auch gepanzerte Stryker-Kampffahrzeuge umfassen könnte. "Eines der größten" Militärhilfepakete für Kiew seit Beginn des Krieges, berichtet CNN. Nun kommen voraussichtlich noch die Abrams-Panzer dazu.

NATO bricht alle selbst aufgestellten Tabus

Bisher war die Reaktion der EU- und NATO-Länder auf die lange Liste der ukrainischen Wünsche äußerst großzügig und hat nach und nach die Tabus gebrochen, die die NATO selbst aufgestellt hatte.

Natürlich noch nicht alle: Kampfjets und Langstreckenraketen stehen noch nicht auf den Lieferlisten. Diese beiden Waffensysteme bergen die ernste Gefahr, dass es zu der von Moskau und einigen westlichen Regierungen immer wieder beschworenen "Ausweitung des Konflikts" kommt.

"Russlands Krieg mit dem Westen ist nicht mehr hybrid, sondern fast real."
Sergei Lawrow, Außenminister Russlands

Bei den Himars, den M777, den Patriots, den verschiedenen gepanzerten Fahrzeugen bis hin zu modernen Kampfpanzern und einer langen Reihe anderer Systeme ist dagegen niemand mehr dagegen. Dies ist der auch der Grund, warum der russische Außenminister Lawrow sagte: "Russlands Krieg mit dem Westen ist nicht mehr hybrid, sondern fast real".

Der russische Botschafter in Berlin, Sergej Netschajew, hat am Mittwoch die Entscheidung der Bundesregierung zur Lieferung von Leopard-2-Kampfpanzern an die Ukraine als "extrem gefährlich" bezeichnet. Dies werde "den Konflikt auf eine neue Ebene der Konfrontation führen", erklärte Netschajew. "Dies überzeugt uns einmal mehr davon, dass Deutschland, wie auch seine engsten Verbündeten, keine diplomatische Lösung für die Ukraine-Krise will und eine dauerhafte Eskalation anstrebt", hieß es in der Mitteilung des Botschafters weiter. "Mit der Genehmigung der deutschen Regierung werden wieder einmal Panzer mit deutschen Kreuzen an die ›Ostfront‹ geschickt, was unweigerlich zum Tod von russischen Soldaten, aber auch von Zivilisten führen wird", erklärte Netschajew. (https://t.me/RusBotschaft/6478)

Angriffe auf das russische Hinterland

Für den Sieg über Russland braucht die Ukraine aber nicht nur Kampfpanzer, sondern auch Kampfjets, Mittel- und Langstreckenraketen, um russische Stellungen und Städte aus der Ferne zu treffen. Michail Podoljak, ein Berater des Präsidialamts der Ukraine, sagte, bei der unvermeidlichen Eskalation des Konflikts würde es auch zu Angriffen auf die Städte Moskau, Sankt Petersburg und Jekaterinburg kommen.

Russland rechnet mit Drohnenangriffen weit im russischen Hinterland. Dass die Sorge nicht unbegründet ist, zeigten zuletzt die Drohnenangriffe auf die mehrere Hundert Kilometer von der russisch-ukrainischen Grenze entfernten Militärflughäfen in Engels und Djagelevo, auf denen Teile der russischen nuklearen Zweitschlagkapazität stationiert sind.

Laut Medienberichten hat das Pentagon bereits im Dezember der Ukraine "grünes Licht für Drohnenangriffe in Russland" gegeben. (https://www.thetimes.co.uk/article/ukraine-drone-warfare-russia-732jsshpx)

In russischen Militärportalen ist derzeit davon die Rede, dass Kiew ca. 1.000 Drohnen zur Verfügung habe, die 700 km und mehr Reichweite hätten und damit auch Moskau erreichen könnten. In Moskau werden derzeit Luftabwehrsystem installiert und es wurden die ersten Luftschutzübungen durchgeführt.

RUS Moskau lUftabwehr 2023 01 20 Nikita

Dass ein Angriff auf Moskau - den Kreml – zu einer unabsehbaren Eskalation des Krieges führen würde, ist offensichtlich.


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