26.03.2024: Niger kündigt Vertrag über Drohnenbasis in Agadez, dem Nervenzentrum von Africom ++ neuer Partner: Russland ++ Westliche Militärpräsenz im Sahel geht zu Ende
Der gleichzeitige Austritt Malis, Burkina Fasos und Nigers aus der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS am 28. Januar 2024 war ein schwerer Schlag für den französischen Einfluss in Westafrika. Die ECOWAS sei "unter dem Einfluss ausländischer Mächte und unter Verrat ihrer Gründungsprinzipien zu einer Bedrohung für ihre Mitgliedsstaaten und ihre Bevölkerung geworden", hieß es in der gemeinsamen Erklärung.
Auf Anregung Frankreichs hatte die ECOWAS nach der Regierungsübernahme durch das Militär die drei Staaten vorübergehend aus der Wirtschaftsgemeinschaft der 15 westafrikanischen Länder ausgeschlossen, mit harten wirtschaftlichen Sanktionen belegt und mit militärischer Intervention gedroht. Doch die harten Sanktionen und das Säbelrasseln der ECOWAS gegenüber der Militärregierung im nigrischen Niamey im Jahr 2023 war eher kontraproduktiv und hat Ressentiments gegenüber der Regionalorganisation auch in Teilen der Zivilgesellschaft verstärkt und die drei Staaten noch mehr zusammenrücken lassen – so sehr, dass sie einen gemeinsamen Verteidigungspakt gegen einen potenziellen Einmarsch von Truppen der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft schlossen. (kommunisten.de, 21.9.2023: "Burkina Faso – Mali – Niger: Allianz gegen Neokolonialismus und Imperialismus")
Die drei Länder setzen auf die Schaffung einer gemeinsamen Truppe, die in der Lage ist, die dschihadistische Terrorbanden, die in verschiedenen Regionen der drei Länder aktiv sind, auszuschalten, und dabei die von Moskau angebotene Hilfe in Anspruch zu nehmen und die Beziehungen zu den USA und Europa grundlegend neu zu gestalten.
Alle drei Militärregierungen haben der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich den Rücken zugekehrt. Die Beziehungen zu Moskau wurden hingegen auf verschiedensten Ebenen intensiviert, sowohl in Mali und Burkina Faso mit dem Einsatz der russischen Söldnergruppe Wagner (inzwischen in eine offizielles russisches Militärkontingent umgewandelt) und regulären russischen Soldaten. Burkina Faso unterzeichnete eine Absichtserklärungen einer Energiepartnerschaft mit dem russischen Staatskonzern Rosatom, der beim Bau eines Atomkraftwerks unterstützen soll. Nigers Regierung hat ebenfalls eine militärische Zusammenarbeit mit Russland in die Wege geleitet, die in Zukunft auch eine Präsenz russischer Truppen in dem Land vorsieht.
Nach der Regierungsübernahme in Niger vom 26. Juli 2023 hatten die nun dort herrschenden Offiziere zunächst die Streitkräfte Frankreichs aus dem Land geworfen und dann auch ihre Zustimmung zu dem EU-Militäreinsatz EUMPM und zum EU-Polizeieinsatz EUCAP Sahel Niger zurückgezogen.
Niger kündigte das Abkommen mit der EU auf und sperrt nun nicht mehr die Fluchtrouten Richtung Europa. (siehe kommunisten.de, 30.11.2023: "Wir machen nicht länger den Türsteher der EU")
Niger beendet Militärabkommen mit USA
Am 16. März teilte Regierungssprecher Abdramane per Fernsehansprache mit, Nigers Regierung habe soeben entschieden, "das Abkommen mit den Vereinigten Staaten über die Stationierung von Militärpersonal und von zivilen Angestellten des US-Verteidigungsministeriums auf Nigers Territorium mit sofortiger Wirkung aufzukündigen". Die dazu erforderliche "diplomatische Korrespondenz" mit Washington werde auf den Weg gebracht. Das Stationierungsabkommen vom 6. Juli 2012 sei Niger von den USA "einseitig auferlegt" worden; es habe damit "alle Regeln der Verfassung und der Demokratie verletzt", sei also "illegal" gewesen.
Damit müssen die USA ihre Drohnenbasis in Agadez in der nigrischen Sahara mit ca. 1.100 US-Soldaten aufgeben – das Nervenzentrum von Africom, dem Kommando der Vereinigten Staaten für Afrika und der wichtigste Standort der militärischen Überwachung des afrikanischen Kontinents durch das Pentagon. Der Drohnenstützpunkt mit der Bezeichnung Air Base 201 wurde für mehr als 100 Mio. USD errichtet und dient der "Terrorismusbekämpfung", aber auch als Basis der Großmachtprojektion gegen Russland und China.
Am selben Tag, an dem der Nationalrat für die Rettung des Vaterlandes (CNSP) im Fernsehen seinen Bruch mit den USA bekannt gab, stand der stellvertretende russische Verteidigungsminister Yunus-bek Yevkurov mit seinem Füllfederhalter vor der Tür, um mehrere Verträge zu unterzeichnen. Deal beendet, Deal besiegelt.
Der Kündigung des Stationierungsabkommens erfolgte nach Auseinandersetzungen mit einer hochrangigen US-Delegation, die nach Niamey gereist war, um den Pachtvertrag für die US-Drohnenbasis bei Agadez, der dieses Jahr ausläuft, zu verlängern.
Der US-Delegation, der u.a. die Afrika-Beauftragte im US-Außenministerium, Molly Phee, die Pentagon-Staatssekretärin Celeste Wallander sowie der Kommandeur des in Stuttgart ansässigen U.S. Africa Command, Michael Langley, angehörten, ging es nicht nur um den Fortbestand der Drohnenbasis in Agadez, sondern darüber hinaus wollten sie gegen die nigrisch-russische Militärkooperation einschreiten. Die US-Mindestbedingung war, so berichtete ein Berater der nigrischen Regierung der Pariser Abendzeitung Le Monde, dass russische Soldaten in Niger "nicht am selben Ort, auf demselben Terrain" stationiert würden wie die dort operierenden US-Soldaten.
"Die Bedingungen für ausländische Präsenz auf unserem Boden bestimmen wir!“
Nach Angaben der Regierung in Niger stand bei den Gesprächen mit der US-Delegation die Zusammenarbeit Nigers mit Russland und der Vorwurf von angeblichen Uran-Lieferungen an Iran im Raum. Beamte sagten auch, die USA hätten mit Maßnahmen gegen Niger "gedroht", falls die Beziehungen zu beiden Ländern nicht abgebrochen werden. "Die Regierung weist diese falschen Anschuldigungen zurück", sagte Regierungssprecher Amadou Abdramane, der zudem die "herablassende Haltung" der US-Politiker in den Gesprächen kritisierte.
"Niger bedauert die Absicht der US-amerikanischen Delegation, dem souveränen nigrischen Volk das Recht zu verweigern, seine Partner und die Art der Partnerschaften zu wählen, die ihm im Kampf gegen den Terrorismus wirklich helfen können", erklärte Abdramane und fügte hinzu:
"Die nigrische Regierung verurteilt mit Nachdruck die herablassende Haltung des Leiters der US-amerikanischen Delegation gegenüber der nigrischen Regierung und dem nigrischen Volk, die mit der Androhung von Vergeltungsmaßnahmen einhergeht."
Das US-Außenministerium kommentierte, dass es um "offene Diskussionen über unsere Bedenken hinsichtlich der Entwicklung" der (Militärregierung) CNSP ging. "US-Beamten äußerten sich allerdings besorgt über Nigers mögliche Annäherungen zu Russland und Iran", so hieß es weiter.
Washington kündigt an, die Verhandlungen mit Niamey fortsetzen zu wollen. "Uns ist die Erklärung des Nationalrats für die Rettung des Vaterlandes (CNSP) vom 16. März bekannt, in der das Ende des Militärabkommens über den Status der Streitkräfte zwischen Niger und den USA angekündigt wird. Wir arbeiten auf diplomatischem Wege, um Klärungen zu erreichen", äußerte die stellvertretende Pressesekretärin des Pentagons, Sabrina Singh. "Diese Diskussionen laufen", fügte sie hinzu.
Westliche Militärpräsenz im Sahel geht zu Ende.
Weitergeführt werden kann die italienische Mission Misin mit Ausbildungskursen für das nigrische Militär. Die 350 Italiener können bleiben, mit 13 Landfahrzeugen und spezialisierten Teams, die in der Lage sind, in einem riesigen Gebiet zu operieren, das sich auch auf Mauretanien, Benin und Nigeria erstreckt.
Die deutsche Bundeswehr, die ihre Präsenz in Niger im EU-Rahmen aufgeben musste, unterhält am Flughafen in Niamey ein bilateral vereinbartes Luftdrehkreuz, das sie Berichten zufolge nach Möglichkeit aufrechterhalten will.
Mit dem US-Abzug gehen auch die Versuche Deutschlands zu Ende sich militärisch im nordwestlichen Afrika festzusetzen. Schwerpunkt war ab Anfang 2013 zunächst Mali gewesen. Berlin hatte die dortige Präsenz der Bundeswehr dann sukzessive um das Luftdrehkreuz in der Hauptstadt des Niger, Niamey, sowie um weitere Maßnahmen in Niger ergänzt. Bis auf das Luftdrehkreuz mussten alle inzwischen abgewickelt werden.
Dass das Luftdrehkreuz aufrecht erhalten werden kann, wenn die USA sich gänzlich aus Niger zurückziehen müssen, zugleich aber russische Truppen in dem Land eine neue Präsenz entwickeln, gilt als schwer vorstellbar.
Somit dürfte mit der Kündigung des Truppenstationierungsabkommens mit den USA die westliche Militärpräsenz im Sahel insgesamt zu Ende gehen.
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