19.12.2011: Seit 1998 finden wieder jährliche Treffen von kommunistischen Parteien und von Arbeiterparteien statt. In diesem Jahr war Griechenland das Gastgeberland – das Treffen fand in der Zentrale der KKE in Athen statt. 78 Parteien aus 59 Ländern hatten Delegierte entsandt. Als Vertreterin der DKP nahm deren Vorsitzende, Bettina Jürgensen, an dem Treffen teil. Sie beantwortete der UZ Fragen zum Verlauf und den Ergebnissen der Konferenz:
UZ: Die Zusammenkunft fand statt unter dem Motto: „Dem Sozialismus gehört die Zukunft!“ Welche Erfahrungen wurden in den Beiträgen der vertretenen Parteien vermittelt?
Bettina Jürgensen: In diesem Jahr habe ich erstmals unsere Partei bei diesem Treffen vertreten. Ich wusste also nicht genau was mich erwartet, außer dass es natürlich unmöglich ist, in den auf der Konferenz vorgegebenen 7 bis 8 Minuten Redezeit alle Aspekte ausführlich zu behandeln. Diese Tatsache muss berücksichtigt werden, wenn Aussagen aus Reden evtl. nicht ausreichend untermauert erscheinen, bzw. sich aus dem Gesagten neue oder zusätzliche Fragen ergeben.
Aufgefallen ist mir, dass es verschiedene Schwerpunktsetzungen in den Beiträgen der GenossInnen gegeben hat. Einige haben sich mehr mit der Frage des Niedergangs des Sozialismus in der Sowjetunion beschäftigt und den Verlust von Rechten, den die Bevölkerung in den folgenden Entwicklungen hinnehmen musste. Andere nahmen die Krise und die Auswirkungen auf die Kämpfe in ihren Ländern als Schwerpunkt.
UZ: Welche aktuellen Aufgaben der kommunistischen und Arbeiterparteien wurden benannt?
Bettina Jürgensen: Besonders die GenossInnen aus den lateinamerikanischen Staaten, aber auch die aus den nordafrikanischen Ländern und dem Mittleren Osten haben einen guten Überblick über die Kämpfe in ihren Ländern vermittelt. So wies der Genosse der Kommunistischen Partei aus Brasilien (PCdoB) darauf hin, dass die Ideen von 1917 weiter präsent und von Bedeutung sind, jedoch die revolutionären Prozesse neu beginnen müssen. Mit den Beispielen China, Kuba, Nordkorea und Vietnam untermauerte er die Notwendigkeit, dass jedes Land eigene Wege zum Sozialismus gehen muss. Er erklärte, dass der Weg zum Sozialismus nicht kopiert werden kann, sondern sich aus den Bewegungen der Bevölkerungen der jeweiligen Staaten entwickelt.
Insbesondere wies er auf den demokratischen Charakter der Bewegungen Lateinamerikas hin und stellte fest, dass der Kampf um Veränderungen mit den Bewegungen und Gewerkschaften innerhalb und außerhalb der Parlamente gestärkt werden muss.
Der Genosse aus Peru wies in einem sehr emotional vorgetragenen Beitrag darauf hin, dass es momentan noch nicht darum geht, den Sozialismus zu erkämpfen, sondern darum, die sozialen und demokratischen Rechte der Bevölkerung durchzusetzen. Er machte deutlich, dass es nicht einfach ist in die Parlamente zu kommen, dass es aber ebenfalls nicht leicht ist, in den Parlamenten dann positive Veränderungen durchzusetzen. Er meinte auch, dass es momentan nicht darum geht, die Meinung und Positionen der Kommunistischen Partei darzulegen, sondern in gesellschaftlichen Auseinandersetzungen mit den unterschiedlichsten Bewegungen des Landes die Gesellschaft zu verändern. Nur so, sagte er, kann der Weg zum Sozialismus erfolgreich sein.
UZ: Welche Positionen haben die europäischen Parteien zu diesen Fragen eingenommen?
Bettina Jürgensen: Bei den VertreterInnen von unserem Kontinent gab es sehr unterschiedliche Ansätze, um die Frage nach einer sozialistischen Zukunft zu beantworten. Dies hängt auch davon ab, welche historischen Erfahrungen es in den Ländern gibt. Bei den Diskussionen der europäischen Parteien, während der Debatte, aber auch in den Pausen, spielte natürlich auch die Frage der Zusammenarbeit in den Ländern und unter den Ländern eine Rolle. Dabei habe ich festgestellt, dass es einige Parteien gibt, die sich, so wie wir, darauf beziehen, dass gerade die Zeit des Faschismus deutlich machte, dass in ihren Ländern mehr darauf orientiert werden muss, gemeinsam mit Gewerkschaften und Bewegungen die außerparlamentarische Arbeit zu stärken.
Auch die Frage der Zusammenarbeit verschiedener europäischer Parteien wurde angesprochen. Insbesondere die Genossen aus den Beneluxländern wiesen auf die positive Entwicklung der Beratungen und Aktionen der Vier-Parteien-Koalition hin, in der wir mitarbeiten. Diese Zusammenarbeit sollten wir weiter entwickeln, aber auch weitere Möglichkeiten der Zusammenarbeit nutzen und ausbauen. Auch die Europäische Linkspartei, sie wurde nur in der Einleitungsrede der Genossin Aleka Papariga und in wenigen Beiträgen genannt, ist eine Form der Zusammenarbeit linker und kommunistischer Parteien in Europa. Neben der Bildung eines besseren Netzwerkes von kommunistischen und Arbeiterparteien in Europa sollten auch die Treffen der EL besser genutzt werden, und auch die aktionsbezogene Zusammenarbeit muss gestärkt werden.
UZ: Wenn ich dich richtig verstehe, dann sollte es verschiedene internationale oder europäische Treffen geben?
Bettina Jürgensen: Die Zeit in der wir leben schreit doch geradezu danach, dass sich Menschen, Bevölkerungen, aber auch Parteien zusammenschließen und gemeinsame Sache für soziale und demokratische Veränderungen machen. Die Beispiele von Kämpfen aus Griechenland, Spanien, Portugal, Spanien, Irland, jetzt auch Russland und in anderen Staaten müssen doch viel bekannter werden. Und nicht nur im medialen Sinn, sondern zugespitzt auch auf die Fragen: Was können wir daraus lernen, wie können wir über Grenzen hinweg gemeinsam gegen die Krise und deren Abwälzung auf die Bevölkerungen etwas tun, welche Erfahrungen sind verallgemeinerbar und wie entwickeln wir gemeinsame Kämpfe. Aber auch die Auswirkungen, die die Krise in anderen Ländern bereits hat, sind doch Negativbeispiele, denen wir begegnen müssen. Dabei ist immer wichtig, welche Rolle die Gewerkschaften in diesen Kämpfen einnehmen – auch davon lässt sich lernen.
UZ: Gerade in Griechenland bewegt sich jetzt einiges an Aktivitäten, hast du Beispiele erfahren?
Bettina Jürgensen: Einige TeilnehmerInnen konnten einen Betrieb besuchen, der seit über 40 Tagen bestreikt wird. Es ist ein griechischer Metallbetrieb, aus dem zunächst ein Teil der Belegschaft entlassen wurde, und dem Rest sollten die Löhne gekürzt werden. Ein Teil des Lohnes wurde einbehalten, um den Betrieb zu retten. Darauf hat die Belegschaft den Streik beschlossen. Ihre Forderungen sind die Fortführung des Betriebs, die Auszahlung des vereinbarten Lohnes einschließlich der Einbehaltungen und die Rücknahme der Entlassungen. Die Kolleginnen und Kollegen haben sich zunächst einmal darauf eingestellt, mindestens drei Monate zu streiken – wenn bis dahin ihre Forderungen nicht erfüllt sind, sollen weitere Maßnahmen beraten werden. In dem Betrieb arbeiten 400 Menschen. An diesem Sonntag waren auch viele Familien mit Kindern anwesend. Der Genosse aus Südafrika hat für die Teilnehmer des Meetings eine Solidaritätsrede gehalten, in der er auch aus den Kämpfen seiner KollegInnen in Südafrika berichtete. Das war direkte Solidarität.
Die Fragen stellte Wolfgang Teuber (Vorabdruck aus der UZ vom 23.12.11) Foto: Solidnet
Im Anhang die vollständige Rede von Bettina Jürgensen auf dem 13. Internationalen Treffen der Kommunistischen und Arbeiterparteien