Wirtschaft

IGM Jugend Kueste26.01.2018: Heute Abend beginne der "letzte Versuch", um am Verhandlungstisch zu einem Ergebnis zu kommen, teilte der IG Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann mit. Wenn die Verhandlungen mit den Metallarbeitgebern in Baden Württemberg bis morgen Mittag zu keinem Ergebnis führen, dann werde die IG Metall die nächste Eskalationsstufe einleiten, sagte Hofmann heute Mittag. Die 'nächste Eskalationsstufe' bedeute flächendeckende 24-stündige Warnstreiks und eventuell die Einleitung der Urabstimmung in ausgewählten Bezirken der IG Metall, erläuterte er den Pressevertreter*innen.

 

"Küstenweit streikbereit"

Auch in der norddeutschen Metall- und Elektroindustrie wurde die vierte Verhandlungsrunde am 25.1. in Hamburg erneut ergebnislos abgebrochen. Damit erhöht sich die Möglichkeit, dass es nach Jahren wieder zu echten Streiks kommen kann, nicht nur zu "Warnstreiks". Vor der vierten Verhandlungsrunde hatte die IG Metall Küste noch einmal mit Warnstreiks und IGM Kiel 2Kundgebungen den Druck auf die Unternehmerseite erhöht. In 150 Betrieben in den fünf norddeutschen Bundesländern hatte sie zu Warnstreiks aufgerufen. Beim "Küstenaktionstag" fanden Kundgebungen und Demonstrationen in 16 Städten und Standorten statt. Seit dem Ende der Friedenspflicht zum Jahresbeginn hatten sich im Norden bereits 35.500 Beschäftigte aus 150 Betrieben an Warnstreiks beteiligt. So hatten allein in Kiel auf der Rüstungswerft Thyssen-Krupp Marine Systems (TKMS) 1.300 Beschäftigte die Arbeit nieder gelegt.

Am 24.1. zogen dann rund 1.500 Kolleginnen und Kollegen in zwei Demozügen durch die Landeshauptstadt hin zum Bahnhof. Auf der Kundgebung auf dem "Platz der Kieler Matrosen" machten die Kolleg*innen der IG Metall noch einmal deutlich: Es muss in diesem Tarifkampf deutlich mehr drin sein, als das magere Unternehmer-Angebot von zwei Prozent – vor allem muss sich in der Arbeitszeitfrage endlich was im Interesse der Kolleg*innen bewegen. Meinhard Geiken, Bezirksleiter der IG Metall Küste, wies auf die sehr gute wirtschaftliche IGM ForderungLage hin, und dass es längst überfällig sei, die Kolleginnen und Kollegen an den Profiten zu beteiligen. "Bewegen sich die Arbeitgeber nicht endlich, dann folgen ganztägige Warnstreiks oder aber auch die Urabstimmung und Streik."

Die IG Metall fordert in der laufenden Tarifrunde eine Entgelterhöhung von sechs Prozent und einen Anspruch auf die zeitweise Reduzierung der Arbeitszeit auf bis zu 28 Stunden pro Woche, teilweise mit Lohnausgleich. Der Arbeitgeberverband Nordmetall hat zwei Prozent mehr Geld angeboten und eine Einmalzahlung von 200 Euro.

Was ist an diesem Tarifkampf so besonders?

Alle Zeichen deuten darauf hin, dass dieser Tarifkampf eine harte Auseinandersetzung zwischen den Tarifparteien werden wird. Geht es doch seit langer Zeit erstmals wieder vorrangig um Arbeitszeit-Fragen – und da möchten die Unternehmer seit je her möglichst alleine bestimmen, wie lange ihre Mitarbeiter ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen müssen. So verknüpft der Unternehmerverband Gesamtmetall das Angebot einer zweiprozentigen Lohnerhöhung (plus Einmalzahlung von 200 Euro) bei einer Laufzeit von 15 Monaten - was allein angesichts der Gewinnmargen in den zurückliegenden Jahres eine Frechheit ist - auch mit dem Verlangen nach weitreichender Flexibilisierung und individueller Verlängerung der Arbeitszeiten. Bislang sieht der Tarifvertrag vor, dass höchsten bis zu 13 Prozent einer Belegschaft 40 statt der regelhaften 35 Wochenstunden arbeiten. Diese Ausnahmeregelung, die in den 1980er Jahren im Zuge der generellen Arbeitszeitverkürzung geschaffen wurde, soll nach dem Willen der Konzerne deutlich ausgeweitet werden. Letztlich geht es den Unternehmern darum, die Arbeitszeiten noch stärker an die globalisierten Märkte anzupassen.

IGM Frauen ArbeitszeitDemgegenüber fordert die IG Metall in der gegenwärtigen Tarifauseinandersetzung neben sechs Prozent mehr Geld für zwölf Monate einen Rechtsanspruch auf zeitweise Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit auf bis zu 28 Stunden. Danach sollen Beschäftigte, die Kinder betreuen oder Angehörige pflegen, bei Arbeitszeitverkürzung einen Entgeltzuschuss von 200 Euro im Monat bekommen. Schichtarbeiter und andere besonders belastete Beschäftigtengruppen sollen jährlich 750 Euro erhalten. Diese Forderungen der Gewerkschaft, die nach Jahren der Enthaltsamkeit einen zaghaften Ansatz in Richtung Arbeitszeitverkürzung wagt (wenngleich auch vorerst auf eng begrenzte Personenkreise) stößt auf den erbitterten Widerstand der Unternehmer: "Mehr Geld für weniger Arbeit? Das ist der Anfang vom Ende des Wirtschaftsstandorts Deutschland", lassen sie und ihre Konjunkturinstitute über die Medien verbreiten.

Generelle Tarifvereinbarungen über Arbeitszeitverkürzungen angeblich "nicht mehr zeitgemäß"

In diesem Jahr wird er hundert, der Achtstundentag, eine der Errungenschaften der Novemberrevolution. Nachdem die gewerkschaftliche Arbeiterbewegung nach den heftigen Kämpfen in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts um die 35-Stunden-Woche die Initiative in der Arbeitszeitfrage verloren hat, hält das Kapital Zeitpunkt und Kräfteverhältnisse für günstig zum Roll-Back. In der Praxis sind die durchschnittlichen acht, ausnahmsweise bis zu zehn Stunden tägliche Arbeitszeit, schon seit Längerem keine wirklichen roten Linien mehr. So haben die sogenannten "Wirtschaftsweisen" in ihrem Herbstgutachten 2017 den "8-Stundentag als nicht mehr zeitgemäß" bezeichnet. Laut "Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung" (IAB) haben Deutschlands Beschäftigte 2015 insgesamt 1,8 Milliarden Überstunden geleistet – rund eine Milliarde davon unentgeltlich und ohne Freizeitausgleich. Nach Berechnungen der IG Metall könnten allein mit den Überstunden rund 600.000 neue Stellen geschaffen werden!

CDU/CSU hatten bereits vor der Wahl eine Anpassung des Arbeitszeitgesetzes angekündigt, die "zusätzliche Spielräume zur Flexibilisierung" eröffnen soll. Die FDP wird in ihrem Wahlprogramm noch wesentlich deutlicher, sie verspricht die Aufhebung des 8-Stunden-Tags bzw. die Aufhebung der gesetzlichen 10-Stunden-Grenze. Die GRÜNEN fordern zwar ein "Mitspracherecht" der Beschäftigten bei der Arbeitszeitgestaltung, orientieren aber auch auf Flexibilisierung der Arbeitszeit und entsprechende Betriebsvereinbarungen. Damit dürften sie kaum Einwände gegen die geplante Schleifung des Arbeitszeitgesetzes erheben. Bei der SPD heißt es in ihrem Leitantrag des Berliner Parteitages von Dezember 2017 lapidar "Wir halten am 8-Stunden-Tag fest.," von Arbeitszeitverkürzung kein Wort. Im Sondierungspapier zu den Koalitionsverhandlungen steht zu Arbeitszeitfragen überhaupt nichts drin.
Allein DIE LINKE hält perspektivisch eine Begrenzung der Arbeitszeit auf 6 Stunden am Tag und 30 Stunden in der Woche für notwendig. Als ersten Schritt fordert sie die gesetzliche Begrenzung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit auf 40 Stunden (derzeit 60 Stunden) und eine leichtere Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen. Dadurch würden erreichte tarifliche Standards per Beschluss im Bundesarbeitsministerium jeweils für die gesamte Branche Gesetzeskraft erlangen.

Ziel muss die 30-Stunden-Woche sein

Deshalb ist von Bedeutung, dass die IG Metall in der aktuellen Tarifrunde für die Metall- und Elektroindustrie den Weg einer weiteren Begrenzung der Arbeitszeit geht. Nachdem vor Jahren schon mit Tarifverträgen zur Bildungsteilzeit und Qualifizierung die Möglichkeit geschaffen wurde, zu Qualifizierungszwecken vorübergehend die Arbeitszeit abzusenken, wird Arbeitszeit Degenhardtnun nachgelegt: Für maximal zwei Jahre soll jeder Beschäftigte die Arbeitszeit auf bis zu 28 Wochenstunden reduzieren können. Für Eltern, pflegende Angehörige und Schichtarbeiter wird ein Teillohnausgleich gefordert.

Es ist zu hoffen, dass die IG Metall genug Mobilisierungsfähigkeit entwickelt, um sich in dem Tarifkonflikt durchzusetzen, denn diese Auseinandersetzung ist von großer gesellschaftspolitischer Tragweite. Die Konzerne wollen die Beschäftigungszeiten weiter zu Lasten der Lohnabhängigen flexibilisieren und verlängern. Auf politischer Ebene attackieren sie das Arbeitszeitgesetz: Die Festlegungen des täglichen Maximums und die für die Mindestruhezeiten sollen aufgeweicht werden. Per Tarifvertrag wollen die Unternehmen die Möglichkeit zu sachgrundlosen Befristungen weiter ausweiten. Ein erfolgreicher Arbeitskampf der IG Metall würde solchen Bestrebungen einen Dämpfer verpassen.

Und es könnte Mut machen, endlich wieder eine gesamtgesellschaftliche Diskussion um Arbeitszeitverkürzung in Gang zu setzen. Darf es sich doch letzten Endes nicht darin erschöpfen, nur partikulare Forderungen nach zeitweiliger Teilzeit oder lebensphasenbestimmten Arbeitszeiten etc. zu erkämpfen - es geht um die Mobilisierung für gemeinsame Ziele wie die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich als neue Normalarbeitszeit.

Txt/fotos: gst


siehe auch

Farkha2023 21 Buehnentranspi

Farkha-Festival 2024 abgesagt.
Wegen Völkermord in Gaza und Staatsterror und Siedlergewalt im Westjordanland.
hier geht es weiter zum Text


 

 

UNRWA Gazakrieg Essenausgabe

UNRWA Nothilfeaufruf für Gaza
Vereint in Menschlichkeit, vereint in Aktion

Mehr als 2 Millionen Menschen, darunter 1,7 Millionen Palästina-Flüchtlinge, zahlen den verheerenden Preis für die Eskalation im Gazastreifen.
Zivilisten sterben, während die Welt zusieht. Die Luftangriffe gehen weiter. Familien werden massenweise vertrieben. Lebensrettende Hilfsgüter gehen zur Neige. Der Zugang für humanitäre Hilfe wird nach wie vor verweigert.
Unter diesen Umständen sind Hunderttausende von Vertriebenen in UNRWA-Schulen untergebracht. Tausende unserer humanitären Helfer sind vor Ort, um Hilfe zu leisten, aber Nahrungsmittel, Wasser und andere lebenswichtige Güter werden bald aufgebraucht sein.
Das UNRWA fordert den sofortigen Zugang zu humanitärer Hilfe und die Bereitstellung von Nahrungsmitteln und anderen Hilfsgütern für bedürftige Palästina-Flüchtlinge.
Dies ist ein Moment, der zum Handeln auffordert. Lassen Sie uns gemeinsam für die Menschlichkeit eintreten und denjenigen, die es am meisten brauchen, die dringend benötigte Hilfe bringen.

Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge

Spenden: https://donate.unrwa.org/gaza/~my-donation


 

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