Bettina Jürgensen zum Internationalen Frauentag
08.03.2022: An diesem Internationalen Frauentag den Blick auf Frauen im Kampf für den Frieden zu lenken, ist angesichts des Krieges von Russland gegen die Ukraine kein rückwärtsgewandtes, gar nostalgisches Denken. Es tut not, darüber nachzudenken, wie Bewegungen zu unterschiedlichen Themen gemeinsam aktiv werden können, um Kriege zu verhindern! Nicht (nur) weil wir gemeinsam aktiv werden wollen, sondern weil wir gemeinsam aktiv werden müssen!
Soziale Fragen, feministische Forderungen, der Kampf gegen Rassismus, der Kampf für die Energiewende und der Stopp des Klimawandels kann in Zeiten von Krieg und Militarisierung nicht erfolgreich sein. Immer werden uns als Argumente weshalb dieser oder jener Forderung nicht entsprochen werden kann, die zu hohen Kosten genannt. Gleichzeitig ist für das Militär auf einen Schlag genug Geld da.
Angeblich kein Geld für Gesundheit, kein Geld für den Inflationsausgleich für Hartz IV-Empfänger*innen, kein Geld für die Energiewende, kein Geld für geschlechtsspezifische Beratungs- und Förderungsprojekte, kein Geld für menschenwürdige Aufnahme von Geflüchteten – diese Liste lässt sich fortsetzen – aber 100 Milliarden für die Rüstung, mal eben aus der Hüfte beschlossen. Doppelt bezahlen müssen es die oben Genannten, die nicht nur weiter verzichten müssen auf zusätzliche Finanzierung, sondern denen sicher wieder Kürzungen drohen (und sei es durch Aussetzen von geplanten Zusagen).
Die Friedensaktivistin Bertha von Suttner hat 1889 den Roman "Die Waffen nieder!" veröffentlicht.
Als erste Frau wurde Bertha von Suttner 1905 für ihre Arbeit und Forschung mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Annehmen wollte von Suttner diese Ehrung, gestiftet von ihrem Freund Alfred Nobel, zunächst nicht. Sie tat es denn doch, weil es "Der Mühe wert war." Die Mühe lag darin, endlich weltweit Gehör zu finden und damit ihrer Forderung, dass die Staaten abrüsten und sich vertraglich einigen sollen, Nachdruck zu verleihen.
Seitdem wird ihr Buch als eines der wichtigen Bücher gegen den Krieg gesehen.
Auf vielen Friedenskundgebungen und -demonstrationen wird seit Jahrzehnten dem Titel des Buches entsprechend "DIE WAFFEN NIEDER!" auf Transparenten und Friedensschriften gefordert. Dass dieser Ruf schon lange vor dem Ersten Weltkrieg geprägt wurde, ist wohl nicht allen bekannt.
Die Ausdauer mit der die Regierenden vieler Länder der Forderung nach diplomatischen Lösungen ihrer Konflikte widersprechen, belegen die vergangenen und die aktuellen Kriege. Dabei hat die Zustimmung der Bevölkerungen zu "Die Waffen nieder!" dem Erscheinen des Buches zugenommen.
"Erst wenn auch die große Mehrheit der Frauen aus tiefster Überzeugung hinter die Losung tritt: Krieg dem Kriege, erst dann kann den Völkern der Friede gesichert werden".
Clara Zetkin 1912
Und je näher die Kriege kommen, desto drängender werden Gespräche gefordert, statt Waffen, Militär und Hochrüstung einzusetzen.
Aus der Sicht der Bevölkerungen kennen die Kriege, die für das Kapital und deren Machterweiterung oder Machterhalt geführt werden, keine Siegenden. Verloren haben in allen Kriegen die Menschen, die Zivilbevölkerungen. Und selbst die, die sich in Friedenszeiten dem "Dienst an der Waffe" verweigert haben, werden im Falle eines Krieges als "Kanonenfutter" eingezogen und sollen sich dem Feind entgegenstellen.
Inzwischen sind auch viele Frauen auf dem Kriegspfad in den Armeen dieser Welt. Paradoxerweise wird als Erklärung die Gleichberechtigung der Frau genannt.
Dass ausgerechnet die damals als "Ikone der bundesdeutschen feministischen Bewegung" bekannte Alice Schwarzer als eine der Ersten 1978 den uneingeschränkten Zugang von Frauen zum Dienst an der Waffe forderte, löste eine große Debatte in der Frauenbewegung aus. Denn "Waffengleichheit" in der Bundeswehr zu schaffen, hat nichts mit Gleichberechtigung der Geschlechter zu tun!
Frauen waren, wie nicht erst Bertha von Suttner, sondern auch viele andere Frauen aus der Geschichte zeigen, schon immer aktiv für den Frieden.
Viele Frauen wurden in den 1960er Jahren Teil der Ostermarschbewegung, in 1970er Jahren dann aktiv in der Frauenfriedensbewegung. Dabei waren Frauen aus feministischen Gruppen, aus Initiativen und aus Parteien. Hinzu kamen Frauen aus Gewerkschaften und Kirchen. Die Frauenfriedensbewegung fand gesellschaftlich einen breiten Zuspruch, sie war mit anderen Bewegungen mobilisierend gegen die Öffnung der Bundeswehr für Frauen und gegen den NATO-Doppelbeschluss zur Stationierung von Waffen wie Cruise Missile und Pershing2-Raketen sowie gegen atomare Rüstung.
Der Kampf gegen den, wenn auch freiwilligen, Waffendienst für die Frauen wurde bis Mitte der 90er Jahre erfolgreich abgewehrt. Erst dann griffen meist konservative Politikerinnen das Ziel der Öffnung der Bundeswehr für Frauen auf. Nachdem der Europäische Gerichtshof dann 2000 beschlossen hatte, das Waffenverbot für Frauen komme einem Berufsverbot gleich und verstoße gegen die Gleichbehandlungsrichtlinien der EU, war der Weg zur Militarisierung in diese Richtung frei. Seit dem 2. Januar 2001 dürfen Frauen in der Bundeswehr uneingeschränkt Dienst tun.
Gleichberechtigt, wie es Alice Schwarzer, die Regierung und viele Konservative meinen, sind die Frauen auch hier nicht.
Feministinnen in den Frauenfriedensgruppen, setzten sich zudem für einen erweiterten Friedensbegriff ein. Sie bezogen in ihren Kampf auch den gegen strukturelle Diskriminierung, gegen Gewalt gegen Frauen und den Gewalterfahrungen im Alltag ein. Tatsächlicher Frieden, so die Aussage, bedeutet für Frauen in einer patriarchal geprägten Welt bis heute etwas anderes als für Männer.
Im Krieg gibt es auch heute besonders gefährdete Personen, die aufgrund ihres Geschlechtes oder ihrer Sexualität zusätzlich angegriffen werden. Es sind nicht nur die totbringenden Waffen, es sind gerade in Kriegen auch sexuelle Übergriffe auf Menschen, die nicht "wie ein Mann die Heimat" verteidigen oder sich dem Kriegsaufruf entziehen wollen.
Wer eine emanzipatorische Gesellschaft und die Gleichstellung der Geschlechter will, muss deshalb auch aktiv gegen kapitalistische Kriege sein.
Ein Schritt in diese Richtung ist auch am Internationalen Frauentag zu fordern:
DIE WAFFEN NIEDER!