06.03.2023: Israels ultra-rechte Regierung will die Todesstrafe einführen. Die erste Hürde ist überwunden. 55 von 120 Abgeordneten stimmten für den Entwurf, den die Abgeordnete Limor Son Bar-Melech von der ultra-religiösen und faschistischen Koalitionspartei Otzma Yehudit eingebracht hat. Neun Abgeordnete stimmten dagegen, der Rest war abwesend oder enthielt sich. Für Ricardo Noury, Sprecher von Amnesty International Italien, geht es darum, die Jüdische Vorherrschaft und die Apartheid zu festigen:
Obwohl der Generalstaatsanwalt gewarnt hatte, dass es besser wäre, zunächst zu prüfen, ob die Maßnahme eine abschreckende Wirkung hätte, gab der Gesetzgebungsausschuss der israelischen Regierung grünes Licht für das Gesetz zur Einführung der Todesstrafe.
Nach dem von der ultra-rechten Partei Otzma Yehudit vorgeschlagenen Text, der die erste Abstimmung im Parlament durchlief, wird mit der Todesstrafe bestraft, "wer absichtlich oder aus Gleichgültigkeit den Tod eines israelischen Bürgers verursacht, wenn die Tat aus einer rassistischen Motivation erfolgt oder aus Feindseligkeit gegen eine bestimmte Bevölkerungsgruppe" – mit dem Ziel, "dem Staat Israel oder der Wiedergeburt des jüdischen Volkes in seinem Heimatland zu schaden“.
Wird die Straftat im Westjordanland begangen, so wird die Strafe von einem Militärgericht selbst dann vollstreckt, wenn das Urteil nicht einstimmig ist.
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Der Minister für nationale Sicherheit und Vorsitzende der Partei Otzma Yehudit, Itamar Ben-Gvir, erklärte, dass "dies ein moralisches Gesetz ist, das umso notwendiger ist in einem Staat, in dem israelische Bürger von einer Welle des Terrorismus betroffen sind, und das in der größten Demokratie der Welt existiert". Eine klare Anspielung auf die Vereinigten Staaten, die also keinen Grund zum Protest haben werden. In dem Begleitkommentar zu dem Gesetz wird auf die "große Abschreckungswirkung" der Todesstrafe verwiesen, die im Übrigen in den Vereinigten Staaten nachweislich nicht gegeben ist.
Abgesehen von dem Eindruck, den ein solcher Schritt im einzigen Staat des Nahen Ostens erweckt, in dem die Todesstrafe bisher nicht angewandt wird [1] (weltweit sind es 144 Staaten, also die überwiegende Mehrheit des Planeten), und von der Behauptung der nie bewiesenen Idee der "Abschreckung", hinterlässt der Text Bestürzung: So wie er geschrieben ist, ist es offensichtlich, dass das Gesetz den umgekehrten Fall, in dem der Mörder ein Jude und der Getötete ein Palästinenser ist, nicht abdecken wird.
"ein juristischer Staatsstreich, der aus der krankhaften Idee der jüdischen Vorherrschaft geboren wurde und diese legitimieren soll"
Amnesty International Israel
Es ist kein Zufall, dass Amnesty International Israel eine entschlossene Haltung eingenommen hat: Die Menschenrechtsorganisation bezeichnete das Gesetz als "einen weiteren Teil eines juristischen Staatsstreichs, der darauf abzielt, die letzten Gegengewichte, die von Zeit zu Zeit versucht haben, die Menschenrechte von Minderheiten zu verteidigen, zu umgehen, wenn nicht gar zu beseitigen: ein juristischer Staatsstreich, der aus der krankhaften Idee der jüdischen Vorherrschaft geboren wurde und diese legitimieren soll".
Wir haben es mit einem weiteren Teil des israelischen Apartheidsystems zu tun: einem Gesetz, das auf nationaler und ethnischer Basis unterscheidet, wer einen Mord begeht, und das auch dort angewendet wird, wo die Knesset nicht zuständig ist und wo militärische Erlasse herrschen, d. h. in den besetzten palästinensischen Gebieten.
Das Schreckliche ist, dass das Apartheidsystem durch ein Todesstrafengesetz gestärkt wird. Wird Europa, das sich für die Abschaffung der Todesstrafe einsetzt und seit langem Resolutionen gegen die Todesstrafe in der UN-Generalversammlung einbringt, Stellung beziehen? Oder wird sich die "Ausnahme Israel" durchsetzen, wie immer, wenn es um die Menschenrechte geht?
übernommen von il manifesto, 3.3.2023: La pena di morte per puntellare l’apartheid israeliana
eigene Übersetzung
Anmerkungen
[1] Israel hat die Todesstrafe für Mord im Jahr 1954 abgeschafft. Das israelische Gesetz ermöglichte zwar weiter die Verhängung der Todesstrafe in bestimmten Fällen, etwa gegen NS-Verbrecher oder bei Verrat in Kriegszeiten. Die Hinrichtung des deutschen NS-Verbrechers Adolf Eichmann im Jahre 1962 war aber das letzte Mal, dass eine von einem ordentlichen Gericht in Israel ausgesprochene Todesstrafe wirklich vollstreckt wurde.
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