06.04.2021: Heute vor 80 Jahren, am 6. April 1941, begann der Angriff Deutschlands auf Jugoslawien und Griechenland. Bis 1944 verübten SS und Wehrmacht in Griechenland zahlreiche Massaker, verschleppten Griechinnen und Griechen in Konzentrationslager, plünderten Land und Leute aus und zerstörten es bei ihrem Abzug. Den Kriegsverbrechen an der Zivilbevölkerung fielen zehntausende Kinder, Frauen und Männer zum Opfer, Hunderttausende verhungerten. Nahezu alle griechischen Jüd*innen wurden deportiert und ermordet.
Kesariani (Athen): Hinrichtungsstätte vor allem für im KZ Chaidari inhaftierte griechische Antifaschist*innen und Widerstandskämpfer*innen. |
80 Jahre nach dem deutschen Angriff auf Griechenland im Zweiten Weltkrieg hat die Regierung in Athen ihre Forderung nach Verhandlungen über Reparationen für die verursachten Kriegsschäden bekräftigt. Es geht um mindestens 289 Milliarden Euro. Doch die Bundesrepublik will nicht zahlen.
Im Jahr 2014 forderte Deutschland das verschuldete Griechenland auf, "die Kriegsreparationen zu vergessen und auf ein vereintes Europa zu schauen." Die deutsche Regierung verweist auf den Zwei-plus-Vier-Vertrag über die außenpolitischen Folgen der deutschen Einheit von 1990. In dem Vertrag zwischen der Bundesrepublik, der DDR und den vier ehemaligen Besatzungsmächten USA, Sowjetunion, Frankreich und Großbritannien sind Reparationen allerdings nicht ausdrücklich erwähnt. Außerdem waren zahlreiche von Nazideutschland angegriffene und besetzte Staaten wie Griechenland und Polen an den Verhandlungen darüber nicht beteiligt. Griechenland hat nie auf die Zahlung von Reparationen verzichtet.
Grüne und Linke kritisieren die unnachgiebige Haltung der Bundesregierung. In einer Bundestagsdebatte zum 80. Jahrestag des Überfalls auf Griechenland forderten beide Fraktionen vor wenigen Tagen in Anwesenheit der griechischen Botschafterin Mara Marinaki einen Kurswechsel.
Siehe auch "Erinnerung an die deutsche Okkupation"
Mit den Liedern der "Mauthausen-Kantate" erinnert MikisTheodorakis an die Gräuel der faschistischen Barberei und will "Jugendlichen die Geschichte in Erinnerung rufen".
Die Mauthausen-Kantate
Die Mauthausen-Kantate ist ein Zyklus von vier Liedern des griechischen Komponisten Mikis Theodorakis auf Texten des griechischen Dichters Iakovos Kambanellis (1921-2011), einem Überlebenden des Konzentrationslagers Mauthausen in Österreich. Das Buch von Iakovos Kambanellis, das im Original schlicht "Mauthausen" heißt (2010 in deutscher Übersetzung unter dem Titel "Die Freiheit kam im Mai" herausgegeben), erschien 1965 - ein Buch, das mit der Befreiung Mauthausens durch Einheiten der US-Armee am 5. Mai 1945 beginnt und fortschreitend und rückblickend erzählt.
Während der Arbeit an dem Text verfasste er jene vier Gedichte, die von Mikis Theodorakis, selbst Widerstandskämpfer gegen den Faschismus, Folteropfer und während des Bürgerkriegs Gefangener auf der berüchtigten Gefängnisinsel Makronissos, vertont wurden. Die vier Gedichte spiegeln Kambanellis' eigene Erfahrungen in Mauthausen wider, einschließlich seiner Liebe zu einer litauisch-jüdischen Frau. Sie erzählen von der Liebesbeziehung zwischen einem jungen griechischen Gefangenen und seiner jüdischen Liebe inmitten der Gräueltaten, die sie im Lager erleben.
Die Uraufführung fand im Dezember 1965 in einem Theater in der Hippokrates-Straße in Athen statt, gesungen von der 18jährigen Maria Farantouri, die mit den Mauthausen-Liedern ihren internationalen Durchbruch schaffte.
Im Mai 1988 wurde die Mauthausen-Kantate unter der Leitung von Mikis Theodorakis in der österreichischen KZ-Gedenkstätte Mauthausen aufgeführt. Die Ballade wurde von Maria Farandouri auf Griechisch, Elinoar Moav Veniadi auf Hebräisch, Nadia Weinberg auf Englisch und von der ostdeutschen Sängerin Gisela May auf Deutsch gesungen. Anwesend war auch Iakovos Kambanellis. An dem Konzert nahmen der österreichische Bundeskanzler Franz Vranitzky und Zehntausende aus ganz Europa teil.
Mit den Liedern wollte Theodorakis "Jugendlichen die Geschichte in Erinnerung rufen", ein Anliegen, das während des Komponierens praktisch tagesaktuell war: Im Mai 1963 wurde der bekannte pazifistische Politiker Grigoris Lambrakis in Thessaloniki ermordet. In der Folge wurde klar, dass das Land längst von einem "Nebenstaat", einem Geflecht aus Faschisten, Geheimdienst, Polizei, Armee und CIA kontrolliert wurde. Im April 1967 wurde die griechische Militärjunta installiert, Mikis Theodorakis im Sommer 1967 zeitgleich mit der Aufführung des Mauthausen-Liederzyklus in London verhaftet und interniert, seine Musik in Griechenland verboten.
Die Lieder der Mauthausen-Kantate tragen folgende Titel
- Asma Asmaton (Lied der Lieder)
- Antonis (Adonis)
- Drapetis (Der Flüchtling)
- Otan Teleiosi o Polemos (Wenn der Krieg vorbei ist)
In "Asma Asmaton" wird der Kampf des jungen männlichen Gefangenen dargestellt, der hoffnungslos versucht, seine Liebe zu finden. Es spiegelt Kambanellis eigene Erfahrung in Mauthausen mit einer litauisch-jüdischen Frau wider, da es die Liebesbeziehung zwischen einem jungen griechischen Gefangenen und seiner jüdischen Liebe erzählt.
Kambanellis verwendet eine Frage aus dem biblischen "Lied der Lieder": "Habt ihr gesehen die Geliebte mein?" als Refrain für seine Texte. In den Texten fragt der Held die Mädchen aus den Konzentrationslagern, ob sie das Mädchen gesehen haben, das er liebt: "Ihr Mädchen von Auschwitz und von Dachau, ihr Mädchen. Habt ihr gesehen die Geliebte mein?" und die Antwort lautet: "Wir sahen sie auf einer weiten Reise. Ihr Kleid trug sie nicht mehr. Und auch kein Kämmchen im Haar." Dann fragt er erneut: "Ihr Mädchen von Mauthausen, ihr Mädchen von Belsen. Habt ihr gesehen die Geliebte mein?" Und erhält die Antwort:" Wir sahen sie auf einem eiskalten Platze. Und mit einer Nummer auf dem weißen Arme. Und einem gelben Stern auf ihrem Herzen."
In "Antonis" wird das Leid der im KZ-Häftlinge die in den Mauthausen-Steinbrüchen Zwangsarbeit leisten, "gemischt mit einer revolutionären und subversiven Stimmung" erzählt. Antonis ist ein griechischer Gefangener, der versucht, seinem jüdischen Freund zu helfen, einen schweren Felsbrocken eine Steigung von 180 Stufen hinaufzutragen, nachdem sein Freund nicht mehr arbeiten kann, und bittet Antonis, ihm zu helfen. Mit den Felsblöcken werden die Straßen Wiens gepflastert .
In den Texten heißt es: "Hilfe ist eine Beleidigung. Mitgefühl ein Fluch", was darauf hinweist, dass die Hilfe für einen anderen Insassen von den Nazi-Wachen streng bestraft wird. Antonis hilft seinem Freund jedoch ohne zu zögern. Eine Nazi-Wache greift ein und weist ihn an, einen doppelt so schweren Felsbrocken zu tragen, um Antonis zu bestrafen. Antonis wählt dann einen noch schwereren Felsbrocken als den, den ihm die Nazi-Wache gezeigt hat, und trägt ihn stattdessen nach oben. "Mein Name ist Antonis, und wenn Du ein Mann bist, komm hierher auf die Marmor-Tenne", fordert er die Wache heraus. Das Bild der Marmor-Tenne (Dreschfläche) ist in der griechischen Volksliteratur üblich und leitet sich aus den mittelalterlichen griechischen Liedern ab , in denen der Held als eine Art Vertreter der Kämpfe der Menschheit mit Charos, dem Tod, auf der Marmor-Dreschfläche kämpft.
Das Lied "Antonis" wurde von den kurdischen Volksverteidigungseinheiten YPG/YPJ als musikalischer Hintergrund in einem Video verwendet, das kurdische Frauen zeigt, die in Kobane gegen den IS kämpfen.
In "Drapetis" wird das Abenteuer eines Flüchtlings, "Yannos Ber aus dem Norden", durch das Lied erzählt, ebenso wie die Denunziation durch die Bevölkerung und seine Ergreifung durch die SS, die zu seinem "tragischen Schicksal" führt.
Das Finale "Otan Teleiosi o Polemos" ist eine Fantasie über das Wiedersehen der beiden Liebenden. Es schließt sich der Kreis mit dem Mädchen aus dem "Lied der Lieder", das als "das Mädchen mit den ängstlichen Augen" und "das Mädchen mit der gefrorenen Hand" auftritt, und zeigt die Protagonistin des ersten Teils, die überall nach Liebe sucht innerhalb des Konzentrationslagers als Mittel, um den Tod auszulöschen, und die Worte zu singen: "verschwindet".
Lied der Lieder
O wie schön ist doch meine Geliebte
In ihrem Alltagskleid
Ich seh’ sie vor mir mit ihrem Kämmchen in dem Haar.
Und keiner hat es je gewusst, dass sie so schön ist.
Ihr Mädchen von Auschwitz und von Dachau, ihr Mädchen
Habt ihr gesehen die Geliebte mein?
Wir sahen sie auf einer weiten Reise
Ihr Kleid trug sie nicht mehr
Und auch kein Kämmchen im Haar.
O wie schön ist doch meine Geliebte
Verwöhnt von ihrer Mutter
Verwöhnt von den Küssen ihres Bruders!
Und keiner hat es je gesehn, dass sie so schön ist.
Ihr Mädchen von Mauthausen, ihr Mädchen von Belsen
Habt ihr gesehen die Geliebte mein?
Wir sahen sie auf einem eiskalten Platze
Und mit einer Nummer auf dem weißen Arme
Und einem gelben Stern auf ihrem Herzen.
O wie schön ist doch meine Geliebte
Verwöhnt von ihrer Mutter
Verwöhnt von den Küssen ihres Bruders!
Und keiner hat es je gesehn, dass sie so schön ist.