05.06.2018: Angstkampagne vor "Migrationsinvasion" macht Orbán-Freund zum Wahlsieger ++ aber Rechte ohne Parlamentsmehrheit ++ slowenische Linke LEVICA legt zu
Am 3. Juni 2018 wurde im zwei Millionen Einwohner*innen zählenden Slowenien die Nationalversammlung gewählt. Die europa- und einwanderungsfeindliche Slowenische Demokratische Partei (SDS) des früheren Ministerpräsidenten Janez Janša hat am besten abgeschnitten. Sie erhielt 25 Prozent der Stimmen. Damit wird die SDS im 90 Sitze zählenden Parlament künftig mit 25 Abgeordneten vertreten sein.
Janez Janša führte eine Angstkampagne gegen eine "Migrationsinvasion" und plädierte für verstärkte Abschottung und Zurückweisung von Migrant*innen und gegen EU-Flüchtlingsquoten. Seine Regierung würde für ein Slowenien kämpfen, in dem "unsere Urenkel slowenisch sprechen und slowenische Lieder singen", so Janša.
Janez Janša war bereits zweimal Premierminister, zwischen 2004 und 2008 und zwischen 2012 und 2013. Im Jahr 2014 wurde er rechtswirksam wegen Korruption im Amt zu einer zweijährigen Haftstrafe verurteilt, von der er nur sechs Monate ansitzen musste.
Mit seiner Angstkampagne gegen Migrant*innen, die nach Meinung der Analysten tatsächlich der Schlüssel zum Erfolg der SDS ist, wollte er den erneuten Sprung ins Amt des Premierministers schaffen. Die niedrige Wahlbeteiligung (48,7 Prozent), eine der niedrigsten der acht Wahlen seit der Unabhängigkeit des Landes im Jahr 1991, hat den Rechten ebenfalls zu ihrem Erfolg verholfen. Denn sie hätten eine loyalere Wahlbasis, so Analysten.
Partei | Mandate |
Stimmen |
Prozent |
+/- |
SLOVENSKA DEMOKRATSKA STRANKA (SDS) | Slowenische Demokratische Partei |
25 | 219.617 | 24,94 | +4,25 |
LISTA MARJANA ŠARCA (lms) | Liste MARJANA ŠARCA |
13 | 111.405 | 12,65 | neu |
SOCIALNI DEMOKRATI (SD) | Sozialdemokraten |
10 | 87.371 | 9,92 | +3,94 |
STRANKA MODERNEGA CENTRA (SMC) | Partei des modernen Zentrums |
10 | 85.884 | 9,75 | -24,74 |
LEVICA | Linke |
9 | 82.018 | 9,32 | +3,32 |
NOVA SLOVENIJA - KRŠČANSKI DEMOKRATI (NSi) | Neues Slowenien |
7 | 62.759 | 7,13 | +1,54 |
STRANKA ALENKE BRATUŠEK (SAB) | Partei von Alenka Bratušek |
5 | 45.116 | 5,12 | +0,74 |
DEMOKRATIČNA STRANKA UPOKOJENCEV SLOVENIJE (DeSUS) | Demokratische Pensionistenpartei Sloweniens |
5 | 43.205 | 4,91 | -5,27 |
SLOVENSKA NACIONALNA STRANKA (SNS) | Slowenische Nationale Partei |
4 | 36.928 | 4,19 | +2,0 |
Quelle: http://volitve.gov.si/dz2018/#/rezultati |
Noch ein Orbán?
Janez Janša mit Viktor Orbán im Wahlkampf |
Im Wahlkampf betonte Janša seine Bewunderung für die nationalistische und europafeindliche Politik des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán. Dieser unterstütze ihn, indem er an zwei seiner Kundgebungen teilnahm. Einige Tage vor der Wahl veröffentlichte die Tageszeitung Večer Beweise dafür, dass ungarische Unternehmen, die mit Orbán verbunden sind, insgesamt 800.000 Euro an slowenische Medien, die der SDS nahestehen, gespendet haben. Nach Angaben von treffpunkteuropa.de sind sogar 1,43 Millionen Euro, oder 445 Millionen Forint, aus dem Kreise Viktor Orbáns in die SDS-freundlichen Medien Sloweniens geflossen.
Obwohl die SDS stärkste Partei wurde, ist fraglich, ob sie die Regierung bilden kann. Alle Parteien haben die Möglichkeit eines Paktes mit Janša, den sie als "rechtspopulistisch" und "radikal" bezeichnen, mit Ausnahme der konservativen NSi und der ultra-nationalistischen SNS ausgeschlossen. Aber auch diese Dreierkoalition schafft keine parlamentarische Mehrheit.
"Eine Partei, die sich auf fragwürdige Weise aus dem Ausland finanziert, wird auch so handeln, indem sie den Staat auf fragwürdige Weise führt", sagte Marjana Šarca, um zu rechtfertigen, dass er keinen Deal mit der SDS machen wird. Die erstmals angetretene Mitte-links-Bewegung »Liste Marjana Šarca (lms)« des früheren Journalisten, Schauspielers und Komikers Marjana Šarca wurde zweitstärkste Kraft mit 12,6 Prozent der Stimmen beziehungswiese 13 Sitzen im künftigen Parlament. Šarca sagte, dass er hoffe, die Möglichkeit zu haben, Vereinbarungen für eine alternative Koalition zu suchen, falls die SDS keine Mehrheit für eine Regierung zusammenbringen sollte.
Ex-Regierungschef Miro Cerar sagte in Bezug auf Janšas SDS : "Ich möchte in einer Regierung mit Parteien sein, die ein offenes und frei denkendes Slowenien unterstützen, nicht mit einer extremen, die Populismus verteidigt und Menschen Angst macht." Seine liberale Formation SMC brach jedoch bei dieser Wahl zusammen und gewann nur noch 9,5 Prozent der Stimmen; bei der Wahl 2014 hatte Cerar fast 35 Prozent geholt. Seine Koalitionspartner, die Sozialdemokraten (SD), gewannen hinzu und erreichen knapp 10 Prozent (+3,94 Prozentpunkte). Sein zweiter Koalitionspartner, die Pensionistenpartei, verlor mehr als 5 Prozentpunkte und kommt nur noch auf knapp 5 Prozent. Auch deren Vorsitzender, Karl Erjavec, schließt eine Koalition mit Janša (noch) aus und beschuldigt diesen, in die Fußstapfen Victor Orbáns treten zu wollen.
Linke legt zu
Einen erfreulichen Zuwachs an Stimmen und Mandaten verzeichnet die slowenische Linke LEVICA, Mitglied der Partei der Europäischen Linken. Trotz eines extrem niedrige Wahlbudgets und einer finanziell unvergleichlich besser ausgerüsteten Konkurrenz gewann LEVICA 82.000 Wähler*innen oder 9,32 Prozent und erhöht damit die Zahl ihrer Abgeordneten von 6 auf 9. In fünf Wahlbezirken in Ljubljana und in einem von zwei Wahlbezirken in Koper wurde Levica sogar die stärkste Partei. Sie liegt an fünfter Stelle knapp hinter der sozialdemokratischen Partei und der dezimierten liberalen Partei des bisherigen Regierungschefs Cerar.
LEVICA ist aus dem Parteienbündnis der Initiative für Demokratischen Sozialismus (IDS), der Partei für Nachhaltige Entwicklung (TRS) und der Demokratischen Arbeiterpartei (DSD) hervorgegangen, die 2014 als Združena Levica (ZL, Vereinigte Linke) kandidiert hatten und mit rund 52.000 Wähler*innen auf 6 Prozent der Stimmen und 6 Abgeordnete kamen. (Slowenien: Wahlerfolg der Vereinigten Linken) Im Zentrum ihrer Politik, die auf einen Bruch mit der neoliberalen Politik abzielt, steht Armutsbekämpfung, die Verbesserung von Arbeiter*innenrechten, bezahlbarer Wohnraum und Stop von Privatisierungen.
Der Bundessprecher der Kommunistischen Partei Österreichs, Mirko Messner, meint zu dem Erfolg von LEVICA in seinem Gratulationsschreiben: "Letztlich ausschlaggebend dafür war euer massives Engagement sowohl auf parlamentarischer als auch auf außerparlamentarischer Ebene, und – wie ich mich persönlich als Gast bei eurem Parteitag vor dem Wahltermin überzeugen konnte -, das begeisternde Engagement eurer Mitgliedschaft in sozialen, antirassistischen und kulturellen Initiativen quer durchs Land, verbunden mit kritischem und offenen Suchen nach einem demokratisch-sozialistischen und ökologischen Entwicklungsweg für euren Staat und für eine fruchtbare Kooperation mit den progressiven Kräften auf europäischer Ebene."
Nachdem noch weitere vier Parteien unterschiedlichen politischen Profils den Einzug ins Parlament geschafft haben – insgesamt waren 25 Parteien zur Wahl angetreten -, und mehrere Parteien eine Zusammenarbeit mit Janša (noch) ablehnen, wird es wohl einige Zeit bis zur Regierungsbildung dauern. Rein rechnerisch wäre in dem Land nun sowohl eine rechte als auch eine linksorientierte Regierung möglich.
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