05.04.2019: Yannis Varoufakis kandidiert in Deutschland ++ "Wir führen unsere Kampagne mit sehr konkreten Vorschlägen; mit Schritten, die wir schon morgen umsetzen könnten, anstatt uns nur auf langfristige Reformen zu konzentrieren, die erst nach Jahren in Kraft treten. Unser Ansatz war: Was können wir morgen auf der Grundlage der bestehenden Regeln und Institutionen ändern", sagt Yannis Varoufakis, Spitzenkandidat von »Demokratie in Europa«.
Transnational durch die Hintertüre
Unter der Sammlungsbezeichnung »European Spring« (Europäischer Frühling / https://europeanspring.net/de ) haben sich Parteien in unterschiedlichen EU-Ländern aufgebaut und zusammengeschlossen. Sie sind Partner*innen der Bewegung DiEM25 (Democracy in Europe Movement 2025.) Weil die Wahlgesetze keine transnationalen Parteien zur Wahl zulassen, simulieren die nationalen Ableger von »European Spring« europaweite Parteien, indem Parteien in den unterschiedlichen Mitgliedstaaten gegründet wurden, die aber gemeinsam als ein Ganzes operieren und mit einem gemeinsamen Programm und einer gemeinsamen Kampagne antreten.
Der »European Spring« will sich Europa »wieder zurückzuholen« und die EU »gegen jene verteidigen, die sie für immer zerstören wollen«. Im Zentrum stehen gemäß dem Leitspruch von Varoufakis »Europa wird demokratisiert oder es wird zerfallen«, demokratische Forderungen. Einem Europa der Nationalstaaten, der Grenzzäune und kulturchauvinistischen Parolen will man »Ein Europa als ein gemeinsames Zuhause« entgegensetzen, das auf Solidarität, Wohlstand und Demokratie fußt - ein gemeinsames und humanes Europa. Zu diesem humane Europa zählt ein gesamteuropäisches System, "das legale und sichere Wege" für Flüchtlinge und Migrant*innen garantiert, "die Grundrechte respektiert, den Übergang in die europäische Gesellschaft unterstützt und die Ursachen der unfreiwilligen Migration an ihren Ursprüngen bekämpft".
Im gemeinsamen europaweiten Wahlprogramm, dem »New Deal for Europe«, werden in 12 Säulen die Prinzipien und Grundsätze des New Deal entwickelt. Jede Säule des Programms soll sofort umsetzbare Lösungen für die politischen, sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Krisen Europas anbieten.
"Gemeinsam tragen diese Säulen die langfristige Vision einer nachhaltigen Lebensweise. Der New Deal entwickelt ein Modell, das die großen Herausforderungen annimmt, die vor uns liegen: von der Endlichkeit natürlicher Ressourcen über die Automatisierung und Umstrukturierung der Arbeit bis zur Erhaltung unserer Umwelt. Der EuropeanSpring setzt sich für die Schaffung eines regionalen Produktions- und Vertriebssystemsein, für den Erhalt von kulturellem Erbe, für sozialen Fortschritt und für frei zugängliche öffentliche Dienstleistungen ein." (Aus »New Deal for Europe«)
"Yanis Varoufakis hat das klar auf den Punkt gebracht: Europa wird demokratisiert – oder es zerfällt. Deshalb versuchen wir etwas scheinbar Unmögliches: eine radikale Lösung zur Rettung der Demokratie zu finden, die an die Wurzel des Problems geht. Strukturell hat das zwei Ebenen: Einerseits braucht unsere Demokratie ein radikales Update: Wer trifft Entscheidungen in Europa? Wie geht das vonstatten? Wie kann man sich einbringen? Da geht es ganz klar darum, dem politischen Establishment Macht wegzunehmen und die politischen Prozesse für alle Menschen zu öffnen. Andererseits geht es aber auch um die Frage nach der Stellung, dem Primat von Politik. Politik bringt ja nichts, wenn sich globale Konzerne oder sogenannte Wirtschaftseliten nicht daran halten müssen. Hier versagt die europäische Politik derzeit völlig. Unsere Forderungen zielen deshalb darauf ab, die europäische Politik überhaupt handlungs- und beschlussfähig gegenüber den Playern des globalen Kapitalismus zu machen und ihnen endlich auch klare Regeln geben zu können." Daniela Platsch, Listenplatz2 |
In Deutschland: »Demokratie in Europa«
In Deutschland kandidiert der European Spring unter dem Namen »Demokratie in Europa« (https://www.deineuropa.jetzt/) an. Unterstützt wird diese Liste vom deutschen Wahlflügel von DiEM25, der Partei »Demokratie in Bewegung«, und von der bayerischen Regionalpartei MUT.
Varoufakis auf Platz 1
Der Clou an der eigenwilligen Parteistruktur: Auch wenn im Mai gemäß EU-Wahlrecht weiterhin nur nationale »European Spring«-Listen wählbar sein werden, sind die einzelnen Kandidat*innen nicht immer unbedingt Staatsbürger*innen jeweiligen Landes. So ist der Spitzenkandidat in Deutschland der ehemalige griechische Finanzminister und DiEM25-Gründer Yannis Varoufakis. Auf die Frage, warum er in Deutschland kandidiert, antwortete er: "Wenn man das römische Reich umbauen will, sollte man in Rom anfangen. Deutschland ist das wirtschaftliche Herz Europas. Deutschland ist der Motor, der Europa zieht, ob man das nun gut findet oder nicht." (Euractiv, 28.1.2019: Yannis Varoufakis)
Vielleicht es aber auch einfach so, dass für Varoufakis in Deutschland die größte Chance für einen Einzug in das Europäische Parlament besteht, weil es hier bei der Europawahl keine Sperrklausel gibt.
Auf der deutschen Liste folgen hinter Varoufakis die Deutsch-Österreicherin Daniela Platsch und der aus Kroatien stammende Srecko Horvat. Auf dem vierten Listenplatz steht die Berlinerin Bianca Praetorius.
"Die Tragik der Europäischen Union ist, dass in Europa so wenig investiert wird wie noch nie in ihrer Geschichte. Wir müssen also die Wirtschaft ankurbeln, aber nicht irgendwie, sondern mit Investitionen in grüne Technologien, erneuerbare Energien, nachhaltigen Verkehr. Dinge, die wir brauchen, um unseren Planeten zu retten und gute Arbeit für die jungen Europäer zu schaffen. Die Privatwirtschaft wird das nicht leisten, sie hat zu viel Angst vor zu geringer Nachfrage. Und die Regierungen unterliegen bis auf wenige dem Sparzwang des Fiskalpaktes. Aber wir haben die Europäische Investitionsbank. Über die Ausgabe von Anleihen von jährlich einer halbe Milliarde Euro können grüne Technologien angekurbelt werden." Yannis Varoufakis |
Einer der Schwerpunkt im »European New Deal« ist die Verbindung von ökologischer und sozialer Frage. So sollen jedes Jahr 500 Milliarden Euro für eine grüne Energieunion ausgegeben werden. Fünf Prozent des BIP der Eurozone müssten für grüne Investitionen aufgewendet werden, um damit umweltfreundlichen Verkehr und Investitionen in Batterien und erneuerbare Energien zu ermöglichen.
Dazu brauche es weder neue Schulden noch neue Gesetze, sagt Varoufakis. "Mein Vorschlag ist, dass die Europäische Investitionsbank (EIB) über einen Zeitraum von fünf Jahren zusätzliche Anleihen im Wert von 500 Milliarden Euro pro Jahr ausgeben müsste. Diese Anleihen werden seit 25 Jahren ausgegeben; es müssten nur mehr von ihnen bereitgestellt werden. Ich habe diese Idee in der EIB vorgeschlagen, und sie fand große Unterstützung. Was fehlt, ist die politische Unterstützung. Der Rat befürchtet, dass unsere Kreditwürdigkeit beeinträchtigt werden könnte. Deshalb müsste die Europäische Zentralbank (EZB) diese Anleihen aufkaufen, um die Preise hochzuhalten. Und das tut sie ja bereits, es ist völlig legal."
Im Kampf gegen die Armut soll mit den Gewinnen aus dem Anleihen-Kaufprogramm der EZB ein Anti-Armut-Fonds für bedürftige Bürger eingerichtet werden. Varoufakis: "Im vergangenen Jahr erzielte die EZB einen Gewinn von 91 Milliarden Euro. Das sollte nicht passieren. Sie ist ja keine Privatbank. Das ist einfach ein Geldsystem, das aus sich selbst heraus Geld generiert. Warum also nicht dieses Geld auch verwenden? Wenn die EZB Schecks an Bedürftige aushändigen würde, würde dies nicht nur die Armut bekämpfen, sondern uns als Europäer auch enger miteinander verbinden." (Euractiv, 28.1.2019: Yannis Varoufakis)
"Stellt euch vor, dass Familien in Ostdeutschland oder Nordgriechenland jeden Monat einen Scheck bekommen, den Mario Draghi unterschreibt", sagte Varoufakis beim Wahlkampfauftakt am 25. März in Brüssel. So will er ein europäisches Gemeinschaftsgefühl auslösen, das noch nicht existiert.
Zum unkonventionellen Politik-Ansatz gehört auch, dass die Kampagne mit der Unterstützung durch die kanadisch-US-amerikanische Schauspielerin und Aktivistin Pamela Anderson einen ""Hollywood-Flair" erhält. Im Vorgriff auf die erwartbare Kritik wendet sich Pamela Anderson auf ihrer Internetseite an diejenigen, die ihr Bild als "dumme Blondine" nicht loswerden können, und betont, dass sie ihr ganzes Leben politisch aktiv war.
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