Linke / Wahlen in Europa

20.05.2025: Die Wahlen in Portugal am vergangenen Sonntag haben weitgehend einen Trend bestätigt, der sich bereits bei den Wahlen im vergangenen Jahr abgezeichnet hatte, und einen tiefen Rechtsruck markiert ++ ultrarechte Chega mit Sozialistischer Partei gleichauf auf Platz zwei ++ schwere Niederlage für Linksblock und PCP ++ Die Immobilienkrise als Schlüssel zum Verständnis der portugiesischen Wahlen

 

Die konservative Demokratische Allianz AD (PPD/PSD.CDS-PP | PPM) des amtierenden Premierminister Portugals, Montenegro, gewann am Sonntag (18.5.) die Parlamentswahlen mit 89 Abgeordneten (+9). Die AD ist ein Wahlbündnis aus Montenegros konservativen Sozialdemokraten PSD und kleineren rechtsgerichteten Parteien.

Der wirkliche Sieger ist einmal mehr die ultrarechte, rassistische Chega ("Genug"). Dies vor allem aufgrund des konstanten Wachstums in den letzten Jahren: von 67.000 Stimmen bei ihrem Debüt auf heute über 1,3 Millionen, was etwa 23 % der Wählerschaft und 58 Vertretern im Parlament (+8) bedeutet. Aber auch, weil sie den Sozialisten nun den zweiten Platz unter den meistgewählten Parteien streitig macht und vor allem, weil sie zum ersten Mal auf die Unterstützung einer stabilen und gefestigten Wählerschaft zählen zu können scheint.

Die Liberale Initiative IL bleibt mit neun Abgeordneten (+1) die viertstärkste Kraft. Die JPP aus Madeira zieht mit einem Abgeordneten ins Parlament ein.

Die Sozialistische Partei (PS) erleidet einen erheblichen Rückschlag, der zum Rücktritt ihres Sekretärs Pedro Nuno Santos geführt hat: Von 2,3 Millionen Stimmen im Jahr 2022 (41,3 %) ist sie auf 1,4 Millionen (23,38 %, 58 Abgeordnete) zurückgefallen. Bei der Parlamentswahl im März 2024 war sie noch auf 28 % und 78 Abgeordnete gekommen. Zuvor hatte die PS noch mit absoluter Mehrheit regiert. Ihr Wahlkampf mit neuen Gesundheits- und Wohnungspolitiken konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Partei vor noch nicht allzu langer Zeit die Mehrheit hatte. Sie wäre in der Lage gewesen zu handeln und die Probleme anzugehen, hat dies aber nicht getan. In den Politikbereichen, die das Leben der Menschen am meisten beeinflussen, war die PS Teil des Problems, nicht Teil der Lösung.

Die schwersten Niederlagen müssen jedoch die beiden wichtigsten Bastionen der radikalen Linken – Bloco de Esquerda (BE) und Partido Comunista Portugûes (PCP) – hinnehmen, Parteien, die eine grundlegende Rolle bei der Verteidigung der sozialen und bürgerlichen Rechte gespielt haben.

Der BE, der 2015 noch 19 Abgeordnete hatte, geht aus diesen Wahlen mit nur einer Abgeordneten hervor (-4 zur Wahl 2024): ihrer Koordinatorin Mariana Mortágua.

Noch bedeutender ist der Niedergang der PCP, die von 15 Abgeordneten im Jahr 2015 auf derzeit 3 Abgeordnete (-1 zur Wahl 2024) zurückgefallen ist: eine Partei, die von 1926 bis 1974 die Idee des Antifaschismus und des Widerstands gegen die Salazar-Diktatur verkörperte. Bei den ersten demokratischen Wahlen 1975 kam die PCP mit 12% der Stimmen noch auf 30 Abgeordnete.

Die einzige linke Formation, die Zuwächse verzeichnen kann, ist die links-grüne Livre, die mit 4 % der Stimmen und 6 Abgeordneten (+2) den fünften Paltz belegt. Sie nimmt sowohl programmatisch als auch wahlpolitisch eine Position zwischen der PS und der BE ein. Die linksorientierte Partei Mensch-Tier-Natur PAN behält einen Abgeordneten.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die linken Gruppierungen, die 2015 insgesamt rund 2,8 Millionen Stimmen erhielten, 2025 nur noch 1,7 Millionen Stimmen auf sich vereinen konnten: ein deutlicher Rückgang von rund 35 %.

POR Wahlergebnis 2025 05 18Stand: 20.5.2025 | 99,23% der Stimmen ausgezählt | Wahlbeteiligung: 64,38%
Quelle: https://www.legislativas2025.mai.gov.pt/resultados/globais
Dem fast vollständigen offiziellen Wahlergebnis zufolge steht nur die Vergabe von vier Sitzen in dem 230 Abgeordnete zählenden Parlament noch aus. Diese Ergebnisse beinhalten noch nicht die im Ausland lebenden Wähler, deren Beteiligung und Wahlentscheidung am 28. Mai bekannt gegeben werden.

 

Die Menschen in Portugal wählten am Sonntag bereits zum dritten Mal in drei Jahren eine neue Volksvertretung. Die Neuwahl war notwendig geworden, nachdem Montenegro im März eine Vertrauensabstimmung verloren hatte. Es war eine Wahl, die die Menschen nicht wollten. Sie haben erst vor einem Jahr eine Regierung gewählt und stehen vor einem anspruchsvollen Wahlkalender mit Kommunalwahlen im September/Oktober 2025 und Präsidentschaftswahlen im Januar (2026).

Die Zukunftsszenarien bleiben vorerst schwer vorhersehbar.

Angesichts der verfehlten absoluten Mehrheit von 116 Sitzen wird Montenegro nun jedoch wieder gezwungen sein, eine Minderheitsregierung zu bilden oder mit weiteren Parteien über eine Koalition zu verhandeln.

Dabei ist die erste und wichtigste Erkenntnis, da sie sich direkt auf die möglichen Regierungsoptionen auswirkt, dass die drei Mitte-Rechts-Parteien – die Partido Social Democrata PSD und die CDS-PP (vereint in der Aliança Democrática) mit 32,7 % und die Liberalen mit 5,5 % – zusammen keine absolute Mehrheit der Sitze erreichen: Die ersten haben 89 Abgeordnete, die zweiten 9 von insgesamt 230. Um eine stabile Regierung zu bilden, fehlen 18 Abgeordnete.

André Ventura – Vorsitzender und Gründer von Chega – strebt nach seinem Wahlerfolg einen festen Platz in der Regierung als Partner einer künftigen rechten Koalition an. Dazu ist eine politische und mediale Normalisierung seiner Partei erforderlich, die bereits teilweise eingeleitet wurde. Vielleicht ist die Zeit noch nicht ganz reif dafür, aber einflussreiche Bereiche der Gesellschaft – von der Wirtschaft bis zu einem Teil der Medien – scheinen zunehmend bereit zu sein, eine Einigung zu akzeptieren, um Stabilität zu gewährleisten und die Sozialistische Partei und die Linke zu marginalisieren.

Das Dilemma der PS

Luís Montenegro, scheidender Ministerpräsident und Vorsitzender der PSD, hat die Sozialisten aufgefordert, eine stabile Mehrheit in der Nationalversammlung zu gewährleisten. Eine Forderung, die die Sozialistische Partei in ein Dilemma stürzt: Lehnt sie ab, riskiert sie, beschuldigt zu werden, das Land in ein Bündnis mit der radikalen Rechten Chega zu treiben; akzeptiert sie hingegen, wird sie – wie bereits teilweise bei diesen Wahlen geschehen – dafür bestraft, keine wirksame Opposition gebildet zu haben.

In einer Konstellation, in der es mittlerweile drei Hauptakteure gibt, müssen sich zwangsläufig zwei verbünden, um eine Mehrheit zu bilden. Doch keiner will die falsche Umarmung eingehen: Den Sozialisten kommt eine Einigung mit der PSD nicht gelegen, während die PSD weiterhin Abstand zur Chega hält, um ein Bündnis zu vermeiden, das sich als tödlich erweisen könnte.

Die Immobilienkrise als Schlüssel zum Verständnis der portugiesischen Wahlen

"Die extreme Rechte wächst nicht aus dem Nichts", sagte die ehemalige Koordinatorin des Linksblocks (BE),Catarina Martins, nach der Wahl im März 2024.Sie verwies auf das Beispiel der Algarve, die "völlig verlassen" sei und in der Chega zur meistgewählten politische Kraft geworden ist. (siehe kommunisten.de, 22.3.2024: "Rechter Wind weht über das enttäuschte Portugal. Das alte Alentejo der Kommunisten existiert nicht mehr")

Der explosive Anstieg der Mieten, der in den Großstädten begann, sich aber mittlerweile auf das gesamte Land ausgeweitet hat, hat dazu beigetragen, das politische Feld in Portugal neu zu gestalten.

Am 28. Juni werden die Bewegungen für Wohnraum in ganz Portugal auf die Straße gehen und Mietpreisbremsen, ein Ende der Zwangsräumungen, die Regulierung von Vermietern, die Abschaffung von Steuervergünstigungen für Immobilienspekulanten sowie höhere Investitionen in den öffentlichen Wohnungsbau und in Wohnungsgenossenschaften fordern.

Es ist die sechste nationale Demonstration, zu der Casa para viver aufgerufen hat, eine Plattform, die Aktivistengruppen zusammenbringt, die in den letzten Jahren als Reaktion auf die Krise, die das ganze Land erfasst hat, eine echte Massenbewegung aufgebaut haben. Bei den letzten Demonstrationen gingen Hunderttausende Menschen von Nord bis Süd auf die Straße - ein Symptom für eine gesellschaftliche Unzufriedenheit: In aktuellen Eurobarometer-Umfragen steht das Thema Wohnen ganz oben auf der Liste der Sorgen der Menschen in Portugal – manchmal an erster, manchmal an zweiter oder dritter Stelle.

Und doch: volle Plätze, leere Wahlurnen. Wie sonst lässt sich die Niederlage der parlamentarischen Linken kommentieren, die nur minimale Ergebnisse für den Bloco de Esquerda und die Partido Comunista Português erzielte, die beiden Parteien, die historisch gesehen den Bewegungen für bezahlbaren Wohnraum am nächsten stehen und als einzige im Parlament die Mietkontrolle in ihrem Programm haben.

Aber die Mietpreisexplosion ist nicht nur zu einem großen Diskussionsthema geworden, sie wurde auch durch die extrem Rechte vereinnahmt: Nicht Spekulanten oder reiche weiße Migranten, die in Immobilien investieren, sondern arme Migranten, die in überfüllten Verhältnissen leben, seien für den Preisanstieg verantwortlich.

Chega nun überall südlich von Lissabon die stärkste Partei

Bereits bei den Wahlen 2024 konnte das Wachstum der extremen Rechten eindeutig mit einem ungleichen Entwicklungsmodell in Verbindung gebracht werden, von dem die südlichen Gebiete des Landes, von der urbanisierten Halbinsel Setúbal über das ländliche Alentejo bis zur touristischen Algarve, am wenigsten profitiert und am meisten gelitten haben: explodierende Immobilienpreise, zusammenbrechende öffentliche Dienstleistungen, stagnierende Löhne und zunehmende Prekarität.

Der Alentejo ist im Durchschnitt immer noch eine der Regionen mit den niedrigsten Wohnkosten, aber die Küstenregionen sind zu den teuersten des Landes geworden, angetrieben durch den zusätzlichen Druck von Saisonarbeitern in der Landwirtschaft und reichen Auswanderern und Migranten (digitale Nomaden, Fachleute und Surfer, Hippies, die Landgüter kaufen, Rentner auf der Suche nach Meer, Sonne und Ruhe).

Während anderswo der mit dem Tourismus und ausländischen Investitionen verbundene Preisboom teilweise durch die Ansiedlung einiger hochwertiger Produktionsbetriebe ausgeglichen wurde, ist von Setúbal bis Faro wenig bis gar nichts zu spüren. Und genau diese Regionen waren es, die auch an diesem Sonntag das Wachstum der extremen Rechten von Chega weiter vorangetrieben haben – die nun überall südlich von Lissabon die stärkste Partei ist.

Die Wohnsituation erklärt nicht alle Dimensionen des Wahlergebnisses vom Sonntag, aber sie bietet einen besonders deutlichen Einblick in ein unhaltbares und polarisiertes Entwicklungsmodell, in dessen vielfältigen Facetten die Rechte sich zurechtfindet und die Linke ihre Ideen nicht durchsetzen kann.

Foto oben: Paulo Raimundo, PCP


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Wir werden in unsere Heimat zurückkehren

Palestina Wir werden zurüückkehren

Viva Palästina

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Solidaritätskampagne mit der Palästinensischen Volkspartei für Gaza: 30.000 Euro überwiesen. Die Solidarität geht weiter!

Gaza Soliaktion 2024 12 09 5
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