12.02.2025: Es sind Stunden der Anspannung, der nervösen Erwartung. Gaza läuft Gefahr, erneut unter den Hagel von israelischen Raketen und Bomben zu geraten. ++ Hamas erklärte, dass sie vorerst keine weiteren israelischen Geiseln freilassen wird ++ Trump und Netanjahu fordern Freilassung aller Geiseln bis Samstagmittag, ansonsten "bricht die Hölle über Gaza los" ++ Hamas bereit, den Gefangenenaustausch wieder aufzunehmen, wenn die israelische Besatzungsmacht ihre Verpflichtungen aus der ersten Phase des Abkommens einhält
Es sind Stunden der Anspannung, der nervösen Erwartung. Gaza läuft Gefahr, erneut unter den Hagel von israelischen Raketen und Bomben zu geraten. Die Hamas erklärte am Montag, dass sie im Rahmen des Waffenstillstandsabkommens für Gaza keine weiteren israelischen Geiseln freilassen wird, weil Israel das Abkommen verletzt. Israel hat sein Militär angewiesen, sich auf eine Wiederaufnahme des Konflikts "vorzubereiten". Steht das Abkommen kurz vor dem Aus?
Die Hamas soll am Samstag drei weitere israelische Gefangene gemäß dem wöchentlichen Freilassungsplan des Waffenstillstandsabkommens freilassen. Die Hamas hat bis Freitag Zeit, die Namen der drei vorgesehenen Gefangenen bekannt zu geben, die freigelassen werden sollen. Wenn die Hamas die Namen am Freitag nicht bekannt gibt, verstößt sie technisch gesehen gegen das Abkommen.
Am Montag (10.2.) hat die Hamas erklärt, dass sie die Freilassung israelischer Gefangener in Gaza aussetzen werde, als Reaktion auf das, was sie als "Behinderung des humanitären Protokolls des Waffenstillstandsabkommens" durch Israel bezeichnete. Die Freilassung der nächsten Gruppe israelischer Gefangener werde "bis auf weiteres" verschoben, so die palästinensische Bewegung. Abu Obeida, Sprecher des bewaffneten Flügels der Hamas, der Qassam-Brigaden, setze aber hinzu, dass die Hamas offen sei für eine Wiederaufnahme, wenn Israel sich zur Einhaltung seiner Verpflichtungen bereit erkläre.
"Die Hamas hat diese Ankündigung absichtlich fünf volle Tage vor der geplanten Freilassung der Gefangenen gemacht, um den Vermittlern genügend Zeit zu geben, Druck auf die Besatzungsmacht auszuüben, damit diese ihren Verpflichtungen nachkommt, und um die Tür für einen rechtzeitigen Austausch offen zu halten, falls die Besatzungsmacht ihren Verpflichtungen nachkommt", so die Hamas.
"Wir sind bereit, den Gefangenenaustausch wieder aufzunehmen, wenn die israelische Besatzungsmacht ihre Verpflichtungen aus der ersten Phase des Abkommens einhält. Nach der Verletzung des Waffenstillstands- und Austauschabkommens muss Druck auf die Besatzungsmacht ausgeübt werden. Drohungen und Gewaltanwendung werden nicht zur Freilassung israelischer Gefangener führen."
Hamas-Sprecher Abdel Latif Al-Qanoua gegenüber Al-Araby TV
Haben Hamas und Israel gegen Vereinbarung verstoßen?
Abu Obeida betonte, dass "der Widerstand alle seine Verpflichtungen erfüllt" habe. Israel beschuldigt die Hamas jedoch, dass diese am 25. Januar nicht wie vereinbart eine weibliche israelische Zivilistin, sondern vier israelischen Soldatinnen freigelassen hat.
Am verganenen Samstag hat die Hamas drei Geiseln dem Roten Kreuz in Deir al-Balah übergeben, in einem Zustand, der weitaus schlechter ist als der der vorherigen Geiseln: Die ausgemergelten Gesichter und Körper haben bei den Israelis Empörung und Wut ausgelöst. Israels Regierung heizte die Emotionen an. Trump sagte, er habe die freigelassenen israelischen Gefangenen in einem schrecklichen Zustand gesehen und verglich sie mit "alten Bildern von Holocaust-Überlebenden“. "Es ist dasselbe“, fügte er hinzu. Er bezweifelte die Zukunft des Waffenstillstands und sagte: "Ich weiß, wir haben eine Vereinbarung … aber wenn ich diese Szene sehe, weiß ich nicht, wie lange wir das durchhalten werden."
Hat sich jemand gefragt, ob die drei Geiseln vielleicht nicht die einzigen sind, die im Gazastreifen Hunger leiden? Wie viele Männer, Frauen und Kinder sind unter den Palästinenser:innen in Gaza krank geworden, gestorben oder sterben an Hunger und Durst? Wie viele haben gelitten und leiden, weil die israelische Regierung die Lieferung humanitärer Hilfe verhindert, behindert oder auf ein Minimum reduziert hat? Der Hunger, der die Körper der israelischen Gefangenen verzehrt hat, ist derselbe, den die Bewohner von Gaza anderthalb Jahre lang erlitten haben: Es gab nichts zu essen im Gazastreifen. (Anm.: Zivilist:innen als Geiseln zu nehmen ist ein Kriegsverbrechen. Dazu gehört aber auch, dass Israel seit dem 7. Oktober über 10.000 Palästinenser ohne Anklage, Prozess, Beweise oder Verdacht entführt und sie seitdem als "Verhandlungsobjekt" in Folterlagern festhält.)
Die Hamas ihrerseits wirft Israel vor, die Einfuhr wichtiger Wiederaufbaumaterialien in den Gazastreifen verzögert, was einen Verstoß gegen das Waffenstillstandsabkommen darstelle und "einen neuen Krieg gegen das palästinensische Volk" bedeute. In einem Bericht listet sie 22 verschiedene Verstöße auf:
- Von den vereinbarten 12.000 Hilfsgütertransportern wurden nur 8.500 Hilfsgütertransporter genehmigt, es fehlen 3.500 LKW-Lieferungen;
- von den vereinbarten 50 Treibstofftransportern pro Tag hat Israel nur 15 pro Tag durchgelassen;
- von den vereinbarten 200.000 Zelten sind nur 20.000 eingetroffen, es fehlen 180.000 Zelte, die Israel nicht durchlässt,
- von den vereinbarten 60.000 mobilen Wohncontainern wurde nicht ein einziger durchgelassen.
- Während des 15 Monate andauernden Völkermords bombardierte Israel den Gazastreifen mit mehr als 85.000 Tonnen Bomben und begrub Tausende palästinensische Familien unter den Trümmern ihrer Häuser. Doch auch nach Inkrafttreten des Waffenstillstands hält sich Israel nicht an die Vereinbarung, die die Lieferung von 500 schweren Maschinen in den Gazastreifen vorsieht, um Tonnen von Schutt zu räumen und Leichen auszugraben. Nur vier Räummaschinen wurden genehmigt.
- Vereinbart ist, dass täglich 50 schwer kranke oder verletzte Menschen mit ihren Familienangehörigen aus Gaza ausreisen dürfen – das sollten bisher 1.000 Menschen sein, aber das Gesundheitsministerium gibt an, dass nur 120 Patienten ausreisen durften.
- Verzögerung der Verhandlungen der Phase 2 um mehr als eine Woche.
- Der Generaldirektor des israelischen Gesundheitsministeriums, Munir Al-Bursh, gab am Dienstag (11.2.) bekannt, dass seit Inkrafttreten des Waffenstillstandsabkommens aufgrund gezielter Angriffe Israels im gesamten Gazastreifen 92 Palästinenser:innen getötet und 822 weitere verletzt wurden.
Al Jazeera berichtete heute morgen, dass Lastwagen der UNRWA, der WHO und des WFP über die Grenzübergängen Rafah und Karem Abu Salem fahren und medizinische Hilfsgüter, Mehl und Lebensmittel nach Gaza-Stadt transportieren. Allerdings gebe es keine konkreten Daten von UN-Organisationen darüber, ob sich die Zahl der Hilfslieferungen erhöht hat, seit die Hamas die Verzögerung bei der Freilassung der israelischen Gefangenen angekündigt hat. Gleichzeitig hätten drei Busse und vier Ambulanzen schwerstkranke Patient:innen von Gaza in ägyptische Krankenhäuer evakuiert.
Westjordanland in Flammen
Seit der Unterzeichnung des Abkommens steht das Westjordanland in Flammen. Eine neue Nakba (Katastrophe) bricht über die Palästinenser im Westjordanland herein, die von der Armee aus ihren Häusern vertrieben und gezwungen werden, Städte und Dörfer zu verlassen. Nach Angaben der Vereinten Nationen wurden innerhalb von 21 Tagen seit Beginn der Militäroperation "Eiserner Wall" 40.000 Einwohner zwangsweise vertrieben. Neben Angriffen durch gewalttätige Siedler dringt die Armee in Städte und Flüchtlingslager im Westjordanland ein, zerstört Straßen, Häuser, Wasser- und Stromversorgung, schießt wahllos um sich und wirft Bomben aus der Luft ab. Das Westjordanland sieht aus wie Jabalia. Allein in Jenin wurden etwa 200 Häuser zerstört. Einige wurden bombardiert, andere in Brand gesetzt. Am Sonntag wurde eine Frau im achten Monat ihrer Schwangerschaft durch Schüsse der Armee getötet, weil sie aus dem Auto ausstieg und "verdächtig auf den Boden schaute". Kurz zuvor wurden eine 21-jährige Frau und drei Kinder erschossen.
Adra Basel, Co-Autor und Co-Regisseur des Dokumentarfilms No Other Land postete am 10.2.2025: "Jeder, dem No Other Land am Herzen liegt, sollte sich auch dafür interessieren, was vor Ort tatsächlich passiert: Heute wurden unsere Wassertanks, 9 Häuser und 3 alte Höhlen zerstört. Masafer Yatta verschwindet vor meinen Augen. Für diese Aktionen gibt es nur einen Namen: ethnische Säuberung."
Video: https://x.com/basel_adra/status/1888973373771800916
Der rechtsextreme israelische Finanzminister Bezalel Smotrich drohte der palästinensischen Bevölkerung im besetzten Westjordanland mit dem gleichen Schicksal, das den Menschen im Gazastreifen bevorstehe. Er sagte, Tulkarm und Jenin würden wie Jabalia und Shujaiya aussehen, während Nablus Rafah und Khan Younis ähneln würden. "Sie werden außerdem in unbewohnbare Ruinen verwandelt und ihre Bewohner werden gezwungen sein, auszuwandern und in anderen Ländern ein neues Leben zu suchen", fügte er hinzu.
"Wir nennen es Apartheid, weil es Apartheid ist. Und weil es umso mehr darauf abzielt, die palästinensische Präsenz, Identität und das Leben auszulöschen – und nicht nur abzusondern."
Francesca Albanese, 10.2.2025 | https://x.com/FranceskAlbs/status/1889070263725150449
Trump und Netanjahu: Alle Geiseln am Samstag freilassen
Die Ankündigung der Hamas, die Freilassung der israelischen Geiseln auszusetzen, kam, als Benjamin Netanjahu gerade seine Rede vor dem Plenum der Knesset beendet hatte. Mit einem zufriedenen Ton hatte sich der Premierminister an die Parlamentarier gewandt und als Lösung für den sogenannten "Tag danach" ohne Hamas an der Macht in Gaza den von Donald Trump angekündigten Plan angeboten, die Palästinenser aus dem von den Vereinigten Staaten übernommenen Gazastreifen zu vertreiben.
Trump hatte am Montag in einem Interview mit Fox News auf die Frage, ob die Palästinenser in Gaza das Recht haben werden, in ihr Land zurückzukehren, geantwortet: "Nein, das werden sie nicht, weil sie viel bessere Unterkünfte erhalten werden... Mit anderen Worten, ich spreche davon, ihnen einen dauerhaften Wohnsitz zu verschaffen."
Der israelische Premierminister sagte, Präsident Trump habe "eine neue und revolutionäre Vision für den Tag nach dem Hamas-Regime vorgestellt". Dann wandte er sich an die Mitglieder der Opposition, die ihn auspfiffen, und sagte: "Redet weiter vom 'Tag danach' und jetzt habt ihr ihn. Euer Problem ist, dass er nicht der Erzählung von Oslo entspricht (zwei Staaten, Israel und Palästina, Anm. d. Red.)."
"Samstag um 12 Uhr, und danach ist die Hölle los"
Donald Trump
Donald Trump, der sich das Verdienst für das Zustandekommen des Abkommens auf seine Fahnen geschrieben hat, warnte wenige Stunden später, dass er vorschlagen würde, den Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas aufzukündigen und "die Hölle losbrechen zu lassen", wenn nicht bis Samstagmittag alle in Gaza festgehaltenen israelischen Gefangenen freigelassen würden.
US-Außenminister Marco Rubio bekräftigte am Dienstag, das Kriegsziel Netanjahus und der extreme Rechten Israel, die Hamas zu zerschlagen. "Es wird keinen Frieden im Nahen Osten geben, solange eine Gruppe wie die Hamas ein Gebiet physisch kontrolliert und die dominierende Macht im Gazastreifen oder irgendwo im Nahen Osten ist" postete er auf X. (https://x.com/StateDept/status/1889369936902107301)
Die Vereinbarung über die Herstellung eines Waffenstillstandes sieht die Vernichtung der Hamas jedoch nicht vor. Laut den über die Vereinbarung veröffentlichten Details wurde der Waffenstillstand in drei Phasen von jeweils sechs Wochen Dauer konzipiert, die durch eine Einstellung der Militäroperationen und eine Entwicklung hin zu völliger Ruhe, dem vollständigen Rückzug der israelischen Armee und zum Wiederaufbau des Gazastreifens gekennzeichnet sind.
Wir befinden uns derzeit in der Mitte der ersten Phase, und in diesen drei Wochen wurden 21 von Israel gefangen genommene Personen von der Hamas freigelassen, von insgesamt 33 freizulassenden Personen. Auf jede Freilassung reagierte Israel mit der Entlassung hunderter Palästinenser aus seinen Gefängnissen, von denen bisher mehr als 730 im Rahmen des Abkommens freigelassen wurden.
In dieser Phase sollen sich israelische Soldatinnen und Soldaten aus Teilen des Gazastreifens zurückziehen, die sie besetzt haben, und es soll eine bestimmte Menge an Hilfsgütern in den Gazastreifen gelassen werden, um die Bevölkerung von dem von Israel verhängten Hunger zu befreien.
Nach der bestehenden Vereinbarung hätten die Verhandlungen für die zweite Phase des Geiselabkommens am Montag beginnen sollen. Es wurden jedoch keine Fortschritte erzielt und das israelische Sicherheitskabinett ist nicht zusammengekommen, um die Angelegenheit zu erörtern. Unterdessen wurde die israelische Delegation, die nach Doha gereist war und ursprünglich Gespräche über die nächste Phase aufnehmen sollte, stattdessen angewiesen, lediglich "technische Fragen im Zusammenhang mit der ersten Phase" zu diskutieren, was im Widerspruch zu den vereinbarten Bedingungen steht.
Israel wolle die erste Phase des Abkommens verlängern und gleichzeitig die Freilassung weiterer israelischer Gefangener erreichen, ohne sich jedoch zu weiteren Verhandlungen zu verpflichten, schreibt die israelische Tageszeitung Yedioth Ahronoth.
"Trump muss bedenken, dass es eine Vereinbarung gibt, die von beiden Parteien respektiert werden muss, und dies ist der einzige Weg, die Gefangenen freizulassen. Drohungen haben keinen Wert und machen die Sache nur komplizierter."
Sami Abu Zuhri, Sprecher der Hamas, 11.2.2025 | https://x.com/QudsNen/status/1889225301663850839
Extreme Rechte: Krieg wieder aufnehmen
Die extreme Rechte drängt auf die Beendigung der Verhandlungen und auf die Wiederaufnahme des Krieges. Sie greift den Vorschlag von Trump begeistert auf. Der wegen des Waffenstillstands von seinem Amt zurückgetretene ehemalige nationale Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir fordert einen "massiven Feuerangriff auf Gaza aus der Luft und vom Land aus".
Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu berief nach der Erklärung der Hamas eine Dringlichkeitssitzung seines Kriegskabinetts ein. Der israelische Kriegsminister Israel Katz bezeichnete die Erklärung der Hamas als "Verstoß gegen die Vereinbarung" und gab der israelischen Armee Anweisungen, sich "auf alle Szenarien" vorzubereiten. In Gaza flogen israelische Drohnen zum ersten Mal seit Wochen wieder in geringer Höhe über den Streifen.
Netanjahu kündigte die Wiederaufnahme des Krieges an: "Ich habe gerade eine vierstündige Diskussion mit dem Sicherheitskabinett beendet. Wir alle haben unsere Empörung über den schockierenden Zustand unserer drei Gefangenen zum Ausdruck gebracht, die letzten Samstag freigelassen wurden. Ich habe die israelischen Streitkräfte gestern angewiesen, ihre Truppen im Gazastreifen und an seinen Grenzen zusammenzuziehen. Diese Operation ist derzeit im Gange und wird so bald wie möglich abgeschlossen. Der einstimmige Beschluss, den ich im Kabinett gefasst habe, lautet wie folgt: 'Wenn die Hamas unsere Gefangenen nicht bis Samstagmittag freigibt, endet der Waffenstillstand und die IDF werden die intensiven Kämpfe wieder aufnehmen, bis die Hamas entscheidend besiegt ist.'"
Damit haben Trump und anschließend sofort Benjamin Netanjahu ihre Forderungen geändert. Sie erklären nun, wenn die Hamas nicht alle Geiseln bis Samstag 12:00 Uhr freilasse, werde der Waffenstillstand beendet, was im völligen Widerspruch zu dem steht, was unter Trumps Druck vereinbart wurde.
Die New York Times berichtete am Dienstag, dass ihr unter der Bedingung der Anonymität drei israelische Beamte und zwei Vermittler gesagt hätten, "dass die Behauptungen der Hamas zutreffend seien". (The New York Times, 11.2.2025: Trump to Meet Jordan’s King as Gaza Truce Hangs in the Balance | https://www.nytimes.com/2025/02/11/world/middleeast/trump-israel-gaza-cease-fire-deal.html)
Trotzdem gibt es eine konzertierte Kampagne der westlichen Regierungen und der Mainstream-Medien, die einseitig die Hamas für das Scheitern des Waffenstillstandes verantwortlich macht und um Zustimmung zu ethnischen Säuberungen oder, schlimmer noch, zur Endlösung des Palästinaproblems zu erzeugen.
Dabei konsultieren sie nervös das Wörterbuch, um den Begriff ethnische Säuberung nicht zu verwenden, der mit äußerster Klarheit beschreibt, was das Weiße Haus und der israelische Premierminister Netanjahu im Sinn haben. Verharmlosend reden und schreiben sie von "Umsiedlung, Transfer, Auswanderung, Vertreibung".
11.2.2025: https://x.com/ABaerbock/status/1889315966946775427
Israel gespalten
Die Öffentlichkeit in Israel ist gespalten. Die Mehrheit unterstützt den von Trump vorgeschlagenen Plan, Gaza ethnisch von seiner palästinensischen Bevölkerung zu säubern.
Es gibt aber auch breite Unterstützung für das Waffenstillstandsabkommen, solange es zur Freilassung der israelischen Gefangenen führt. Unmittelbar nach der Äußerung von Netanjahu kam es zu Demonstrationen in Tel Aviv. In einer Erklärung vom Montag forderten die Familien der israelischen Gefangenen die Regierung auf, "keine Maßnahmen zu ergreifen, die den Waffenstillstand und das Abkommen über die Freilassung von Geiseln gefährden würden".
Die israelische Opposition nutzt dies aus, indem sie politische Angriffe gegen Netanjahu und seine Regierung startet und sagt, dass er sich nicht vor dem Waffenstillstandsabkommen fürchten sollte und Angst vor Smotrich, dem Finanzminister, haben sollte, der damit drohte, die Regierung zu stürzen, wenn sie zur zweiten Phase des Abkommens übergeht.
In der Zwischenzeit spiegeln auch die israelischen Medien diese Spaltung wider. Die Zeitung Haaretz titelt, dass Netanjahu den Waffenstillstand gefährdet, während eher etablierte und rechtsgerichtete Zeitungen berichten, dass Netanjahu der Hamas ein Ultimatum gestellt hat: Wenn sie die Gefangenen nicht bis Samstag freilässt, wird der Krieg wieder aufgenommen.
Angst in Gaza
Seit der Erklärung von Abu Obeida und Trumps Kommentaren leben die Menschen in Gaza in Angst, die durch das Geräusch israelischer Kampfflugzeuge, die über ihnen kreisen, noch verstärkt wird, berichtete Maram Humaid von Al Jazeera aus Gaza.
Die Preise für lebensnotwendige Güter sind wieder gestiegen, und alle warten gespannt auf die Entwicklungen bis Samstag.
Seit dem Waffenstillstand haben die Menschen mit bloßen Händen oder primitiven Werkzeugen die Trümmer zerstörter Häuser beseitigt, da der Einsatz schwerer Maschinen nicht erlaubt war. Die Leichen unzähliger Toter liegen noch immer unter Trümmern, die von Menschenhand nicht beseitigt werden können.
Hunderttausende Familien sind weiterhin obdachlos, da die Zufahrt für Wohnwagen und Zelte gesperrt ist. Sie sind den harten Winterbedingungen schutzlos ausgeliefert, da aufgrund des akuten Trinkwassermangels die Menschen gezwungen sind, verunreinigte Quellen zu nutzen oder weite Strecken zurückzulegen, um an sauberes Wasser zu gelangen.
Die Familienangehörigen in Israel und die Palästinenser:innen in Gaza hoffen, dass Vermittler, darunter Ägypten und Katar, die derzeitige Pattsituation noch lösen und einen Wiederaufnahme des Vernichtungskrieges verhindern können.
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