14.05.2024 | update 15.05.2024: Jedes Jahr am 15. Mai gedenken die Palästinenser der Nakba, der ethnischen Säuberung Palästinas und der fast völligen Zerstörung der palästinensischen Gesellschaft im Jahr 1948. ++ Video: Israelische Veteranen berichten über die von ihnen begangenen Kriegsverbrechen ++ Auch diese Jahr wird in Israel, den besetzten palästinensischen Gebieten und überall auf der Welt mit Demonstrationen und Kundgebungen an die andauernde Nakba erinnert. ++ Beteiligt Euch an einer Demonstration oder Veranstaltung in Eurer Nähe:
Jedes Jahr am 15. Mai gedenken die Palästinenser der Nakba, der ethnischen Säuberung Palästinas und der fast völligen Zerstörung der palästinensischen Gesellschaft im Jahr 1948. Auch diese Jahr wird in Israel, den besetzten palästinensischen Gebieten und überall auf der Welt mit Demonstrationen und Kundgebungen daran erinnert.
In diesem Jahr jährt sich zum 76. Mal die Massenvertreibung der Palästinenser während der Gründung des Staates Israel im Jahr 1948, die als "Nakba" oder "Katastrophe" in die Geschichte eingegangen ist. Für die Palästinenser ist die Geschichte eine Geschichte der Vertreibung mit vorgehaltener Waffe durch zionistische Milizen, die vom Westen unterstützt wurden, sowie von Massakern wie in Deir Yassin und Tantura.
Der Jahrestag rückt die am längsten andauernde Flüchtlingskrise der Welt ins Rampenlicht und erinnert daran, dass die über 5,3 Millionen Palästina-Flüchtlinge, die beim UNRWA registriert sind, weiterhin inmitten von Konflikten, Gewalt und Besatzung leben und eine gerechte und dauerhafte Lösung für ihre Notlage anstreben.
Israelische Veteranen, die an der ethnischen Säuberung ganzer Dörfer während der Nakba beteiligt waren, berichten über die von ihnen begangenen Kriegsverbrechen: Hinrichtungen, Vergewaltigung minderjähriger Mädchen, Tötung von Kindern... Zivilisten, die bei lebendigem Leib mit Flammenwerfern verbrannt wurden. "Wir haben sie ohne Reue getötet."
Die Enkel unterscheiden sich nicht und setzen in Gaza den Völkermord fort.
Die Vertriebenen und ihre Nachkommen dürfen auch heute noch nicht in ihre Heimat zurückkehren. Für viele bedeutet das Exil in Palästina ein Leben in Flüchtlingslagern, die über den gesamten Nahen Osten verstreut sind, oft ohne Staatsbürgerschaft oder volle Rechte in diesen neuen Ländern.
Die "Palästinafrage" beschäftigt die Vereinten Nationen nahezu seit ihrer Gründung. In zahlreichen Resolutionen werden das Ende der Besatzung palästinensischer Gebiete durch Israel, die Anerkennung der Rechte des palästinensischen Volkes, das Recht auf nationale Selbstbestimmung und Souveränität ohne Einmischung von außen, das Recht der Palästinenser auf Rückkehr in ihre Heimat und ihr Eigentum gefordert. Doch Israel genießt Straffreiheit, weil es mit den USA einen Verbündeten hat, der mit seinem Veto jede Umsetzung von UN-Beschlüssen torpediert.
Nakba 2.0
Die Palästinenser im Gazastreifen, die mehrheitlich Flüchtlinge der früheren ethnischen Säuberungen Israels sind, erleben heute eine weitere Nakba. Sie erleben einen Völkermord und die reale Gefahr der Vertreibung. Im gesamten besetzten Westjordanland sehen sich die Palästinenser einer Welle von Militärinvasionen, Attentaten und Angriffen von Siedlern gegenüber, die sie von ihrem Land und ihren Häusern vertreiben wollen.
Seit 76 Jahren hat Israels Siedlerkolonialprojekt das palästinensische Volk nach geografischen Gesichtspunkten und Rechtsstatus zersplittert, palästinensischen Flüchtlingen das Recht auf Rückkehr in ihr Land verweigert und ein Kontroll- und Apartheidregime errichtet, das die Palästinenser in allen Lebensbereichen systematisch diskriminiert. Israels gegenwärtiger Völkermord baut auf den Grundlagen dieses Projekts auf.
Rafah: Höhepunkt der gewaltsamen Umsiedlung und Vernichtung der Bevölkerung des Gazastreifens
"Die Bodenoperation des israelischen Militärs im Osten Rafahs ist der Höhepunkt einer siebenmonatigen Kampagne zur gewaltsamen Umsiedlung und Vernichtung der Bevölkerung des Gazastreifens", heißt es in einer Erklärung von UN-Experten:innen.
Die UN-Expert:innen erklärten, die Invasion in Rafah sei ein weiterer eklatanter Verstoß gegen die Verpflichtungen Israels als Besatzungsmacht. "Angesichts der katastrophalen humanitären Lage vor Ort kann kein von Israel erlassener Evakuierungsbefehl als mit dem humanitären Völkerrecht vereinbar angesehen werden." Nach internationalem Recht muss Israel sicherstellen, dass vertriebene Zivilisten geschützt werden und ständigen Zugang zu Nahrungsmitteln, sauberem Wasser und medizinischer Hilfe haben.
"Dies ist umso wichtiger, als Israel gewarnt wurde, dass seine Handlungen einem Völkermord gleichkommen könnten“, so die Experten. "Eine weitere Vertreibung der Bevölkerung des Gazastreifens durch Evakuierungsbefehle oder Militäroperationen verstößt gegen verbindliche vorläufige Maßnahmen, die der Internationale Gerichtshof Israel auferlegt hat."
"Staaten, die Einfluss auf Israel haben, haben jedes Eindringen in Rafah als 'rote Linie‘ bezeichnet“, so die UN-Expert:innen. "Sie müssen diese Worte sofort in die Tat umsetzen und diese katastrophale Kampagne stoppen, indem sie die Waffenlieferungen nach Israel einstellen und Investitionen und politische Unterstützung zurückhalten."[1]
Itamar Ben Gvir: "Rückkehr nach Gaza jetzt“
Der faschistische Minister für nationale Sicherheit, Itamar Ben Gvir, hat auf einer Kundgebung anlässlich der Staatsgründung Israels im Süden des Landes eine "Rückkehr nach Gaza jetzt“ gefordert und sich für die Wiederbesiedlung des Gazastreifens und die Ausweisung der palästinensischen Bewohner ausgesprochen.
Auf der Kundgebung in der südlichen Stadt Sderot am israelischen Unabhängigkeitstag, an der Tausende Israelis teilnahmen, sagte der Minister, der Wiederaufbau von Siedlungen im Gazastreifen sei die einzige Lösung für den derzeitigen Konflikt.
"Was Sie hier tun, ist die wahre Lösung. Wir können im Kabinett sitzen und auf Maßnahmen in Rafah drängen, keine Kompromisse bei der Beendigung des Krieges eingehen, verlangen, dass gezielte Gegenmaßnahmen ergriffen werden, aber um das Problem zu beenden, damit das Problem nicht wiederkehrt, muss eines getan werden: Rückkehr nach Gaza, jetzt!", sagte er der Menge.
"Rückkehr in unser heiliges Land. Die Palästinenser ermutigen, zu gehen! Das ist die Wahrheit! Dies ist der einzige Weg."
Amnesty International: Behörden müssen das Recht auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung anlässlich des Nakba-Gedenktags gewährleisten
Weltweit solidarisieren sich ein breites Bündnis aus linksliberalen über konservative bis hin zu ultrarechten und faschistischen Kräften mit der völkermörderischen Politik der militant-zionistischen Netanjahu-Regierung, in der Faschisten und fanatische Gotteskrieger wichtige Ministerien innehaben. Proteste gegen den israelischen Vernichtungskrieg wird als antisemitisch diffamiert und mit brutaler Polizeigewalt unterdrückt. Je stärker die weltweite Solidaritätsbewegung mit Palästina wird, desto aggressiver gehen Regierungen, Justiz und Polizei gegen die Protestierenden vor. Die deutsche Regierung hat sogar ein schengen-weites Einreiseverbot gegen den britisch-palästinensischen Arzt und Rektor der Universität Glasgow, Ghassan Abu Sitta, verhängt, damit dieser nicht von seiner Arbeit in Krnakenhäusern in Gaza berichten kann. (siehe kommunisten.de, 8.5.2024: Interview mit Ghassan Abu Sitta: "In Rafah ist das militärische Ziel ein Massaker an den Palästinensern.")
Demgegenüber sind alle fortschrittlichen Kräfte aufgerufen, sich mit dem Kampf gegen Israels Unterdrückungssystem und den laufenden Völkermord an den Palästinensern zu solidarisieren, ein Ende der Komplizenschaft mit Israels Gräueltaten und eine Ende der Waffenlieferungen für Israels Vernichtungskrieg zu fordern – auch bei den Demonstration rund um den Nakba-Tag am 15. Mai.
"Friedlicher Protest ist ein unverzichtbares Mittel, um einen sofortigen Waffenstillstand zu fordern, Gerechtigkeit für die Palästinenser einzufordern und den Staat Israel für seine anhaltenden Verstöße gegen das Völkerrecht zur Verantwortung zu ziehen."
Erika Guevara-Rosas, Leitende Direktorin für Politik und Kampagnen bei Amnesty International
Amnesty International fordert im Vorfeld der europaweit geplanten Veranstaltungen und Demonstrationen anlässlich des Nakba-Gedenktags am 15. Mai die Behörden auf, das Recht auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung zu gewährleisten.
"Angesichts der aktuellen Gefahr eines Völkermords und der Hungersnot, der die Palästinenser im Gazastreifen ausgesetzt sind, ist es umso wichtiger, dass die Behörden es den Menschen ermöglichen, ihre Solidarität mit den Palästinensern am diesjährigen Nakba-Gedenktag und darüber hinaus zu bekunden, indem sie ihre Rechte auf freie Meinungsäußerung, friedliche Versammlung und Nichtdiskriminierung gewährleisten“, heißt es in der Erklärung von Amnesty International. [2]
Friedliche Demonstrationen, Sit-ins, Universitätslager und akademische Foren in Solidarität mit den Palästinensern sind Methoden des Protests in Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung, die durch internationale Menschenrechtsgesetze geschützt sind, so Amnesty.
"In den vergangenen sechs Monaten haben die Behörden in ganz Europa in alarmierender Weise versucht, diejenigen zum Schweigen zu bringen, die sich gegen die Tötung Zehntausender Palästinenser im Gazastreifen durch Israel aussprechen, es wagen, Verbrechen und Übergriffe der israelischen Streitkräfte zu kritisieren oder auf die Gefahr eines Völkermords hinzuweisen. Strafverfolgungsbeamte in ganz Europa haben auch Menschen ins Visier genommen, die sich gegen die Politik der Staaten ausgesprochen haben, einschließlich der fortlaufenden Lieferung von Waffen an Israel, die es für seine rechtswidrigen Angriffe im besetzten Gaza-Streifen verwendet", prangert Amnesty an und betont, dass friedliche Demonstrationen, Sit-ins, Universitätslager und akademische Foren in Solidarität mit den Palästinensern Methoden des Protests in Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung seien, die durch internationale Menschenrechtsgesetze geschützt sind.
Beteiligt Euch an einer Demonstration oder Veranstaltung in Eurer Nähe:
http://palaestina-solidaritaet.de/ oder hier https://www.instagram.com/pali_demo_deutschland/
Anmerkungen
[1] UN Press releases Special Procedures, 10 May 2024: Israel’s Rafah invasion must stop now, say UN experts
https://www.ohchr.org/en/press-releases/2024/05/israels-rafah-invasion-must-stop-now-say-un-experts
[2] Amnesty International, 10.5.2024: Europe: Authorities must protect the rights to freedom of expression and peaceful assembly ahead of Nakba Remembrance Day
https://www.amnesty.org/en/latest/news/2024/05/europe-authorities-must-protect-expression-nakba/
- Der Horror in Rafah. Erinnerungen an die Nakba
- Interview mit Ghassan Abu Sitta: "In Rafah ist das militärische Ziel ein Massaker an den Palästinensern."
- Ghassan Abu Sitta: "Ich habe 43 Tage in den jetzt zerstörten Krankenhäusern von Gaza gearbeitet. Meine Gedanken sind immer noch dort."
- Bombardiertes Hauptquartier, getötete Journalist:innen und Verbot: Wie Israel Al Jazeera ins Visier nimmt
- Wieder eine Nakba? Durchgesickerte Dokumente bestätigen israelischen Plan, Palästinenser:innen nach Ägypten zu vertreiben
- UN-Bericht: Anatomie eines Völkermordes
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