Europa

Ungarn Orban-Wahlkampf 03.2014 Pesterlloyd05.04.2014: Was nicht passt, wird passend gemacht. Von der Verfassung bis hinunter zum Krämerladen wird das Land nach den Bedürfnissen der Regierungspartei hergerichtet. Damit das so bleibt, müssen auch die in einer Demokratie vorgeschriebenen "allgemeinen, freien, gleichen und geheimen" Wahlen so gestaltet werden, dass der 'Volkswille' die entsprechende Richtung behält. Die Dominanz in den Umfragen und eine desolate Opposition genügen Fidesz noch nicht, man will auch im Wahlkampf auf Nummer sicher gehen und gängelt die Gegner, wo man nur kann.

Wie bei vielen anderen Projekten auch, kann sich die Orbán-Regierung beim Themenfeld Wahlgesetz/Wahlkampfordnung auf teils gravierende Mängel aus der Vergangenheit beziehen, weil auch die Vorgängerregierungen ihren eigenen Interessen mehr Aufmerksamkeit widmeten als dem strukturellen Zustand der Demokratie. So klingt die aktuellste Gesetzesinitiative auf den ersten Blick einleuchtend, die u.a. dafür sorgen soll, dass das bisher völlig intransparente Ausgabengebahren in Wahlkämpfen, wie bei der Parteienfinanzierung insgesamt, in "transparentere, preiswertere und gerechtere" Bahnen gelenkt wird, wie es Bence Rétvári, Staatssekretär im Justizministerium, [im Mai 2013] ausdrückte.

Den Direktkandidaten in den Wahlkreisen sollen jeweils nur noch 1 Million Forint für den Wahlkampf zugesprochen werden, also rund 3.400 EUR, die man per Kreditkarte sachbezogen verwenden, aber nicht als Bargeld abheben kann. Rétvári ergänzte, dass die Abrechnungen "streng kontrolliert" werden und nicht sachgerechte oder nicht nachvollziehbare Ausgaben zurückzufordern sind. Außerdem sollen alle Kandidaten, die am Wahltag unter 2% der Stimmen landen, die Million zurückzahlen müssen, warum, sagte er nicht. Parteien, die "in allen Wahlkreisen antreten", sollen zusätzlich bis zu 600 Mio. Forint Wahlkampfkostenzuschuss aus der Staatskasse erhalten (ca. 2 Mio. EUR).

Allein gegen das Rathaus

Was bedeuten diese Maßnahmen in der Praxis? Zunächst ist schwer vorstellbar, dass ein Nichtregierungs-Kandidat sich mit 3.400 EUR in einer Fidesz-dominierten Kommune (und das sind fast alle) gegen die geballte Power der Regierungspartei Gehör verschaffen kann. Denn die Bürgermeister, die Fraktion im Gemeinderat und deren Angestellte scheuen sich schon heute nicht, öffentliche, kommunale Strukturen schamlos für Parteipolitik einzusetzen. Sei es, um Busfahrten für Friedensmärsche zu organisieren, sei es, um kleine, lokale Medienmonopole vom Dorf-TV, über das Wochenblatt bis hin zu den örtlichen Plakatwänden zu errichten, über die man etwaige Gegenkandidaten anschwärzen und sich selbst ins 'rechte' Licht rücken kann - oder, noch besser: die Gegner einfach stumm halten kann.

D.h. ein oppositioneller Kandidat kämpft 2014 gegen das ganze Rathaus, wenn er Pech hat auch noch gegen den örtlichen Lebensmittelhändler (CBA) und den Zigarettenverkäufer, denn die sind - Dank Regierungsprotektion - hinfort auch kleine Parteibüros für den Alltag. Oppositionelle Kandidaten sind also auf alle Fälle auf die finanzielle Unterstützung ihrer Parteien angewiesen, während sich die Regierungsleute auf öffentliche Strukturen beschränken können. Da die Parteienfinanzierung jedoch nicht mit geregelt wurde, ist die ganze 1-Million-Forint-Idee eigentlich für die Katz.

Keine Wahlkampfmittel für Wahlallianzen

Die Beschränkung des Wahlkampfzuschusses auf Parteien, die in "allen Wahlbezirken" Kandidaten aufstellen, ist eine offene und klare Breitseite gegen die sich mühsam und zaghaft anbahnende Allianz der demokratischen Opposition, die sich (bisher MSZP und Gemeinsam 2014) darauf verständigt hat, dem jeweils aussichtsreichsten Kandidaten den Vortritt zu lassen, in dem die anderen Bündnispartnern auf eine Kandidatur verzichten. Dies ist wesentlich, um überhaupt eine Chance gegen den jeweiligen Platzhalter zu bekommen, zumal in der kommenden Wahl, anders als zuvor, schon die relative Mehrheit für die Eroberung des Mandats genügt. Die Folge wird sein, dass nur Fidesz und Jobbik in den Genuss der je 600 Mio. Forint kommen, es sein denn, der sehr unwahrscheinliche Fall tritt ein, G2014 und MSZP gründen kurz vor der Wahl noch eine temporäre Wahlpartei ...

Fidesz hatte immer wieder angekündigt, dass man Wahl- und Parteienfinanzierung in einem Aufwasch reformieren wolle, denn nur dann, so die an sich richtige Feststellung, könne man wirklich die Transparenz von Geldflüssen sicherstellen. Doch zum Thema Parteienfinanzierung kam bisher kein Wort, einzig der Vorschlag, sie ganz abzuschaffen, von dem man aber wieder abrückte, weil man offenbar noch nicht genug Sekundärquellen freigelegt hat, die eine Unabhängigkeit der Regierungspartei von Steuerzahlungen möglich macht.

Wahlhilfe im Ausland ist o.k., aus dem Ausland verboten ...

Ein weiterer Passus in der neuen Wahlordnung verbietet: "Zuwendungen aus anderen Staaten, von juristischen Personen in Ungarn und außerhalb, natürlichen Personen aus dem Ausland oder anonymen Spendern" - wohlgemerkt für den Wahlkampf direkt, nicht für die Parteien allgemein. Die Regierungspartei vermutet ja hinter jeder Oppositionsregung eine "Kampagne" der "internationalen Linken" und / oder "der Multis", wenn nicht gleich des israelischen Geheimdienstes. Die MSZP beschäftigt tatsächlich den US-israelischen Wahlkampfpromoter Ron Werber, allerdings bezahlt sie ihn, nicht umgekehrt, ganz abgesehen davon, dass seine Einfälle bisher eher Nullnummern waren.

'Geheime Wahlen' so geheim, dass man nicht mal die Wähler kennt ...

Nähme Fidesz aber das angestrebte Verbot von materieller Wahlkampfhilfe aus dem Ausland ernst, dann ist auch die Frage zu stellen, inwieweit die Einbeziehung von dann fast 500.000 Auslandsungarn, die zwar einen ungarischen Schnellpass, aber keinen ungarischen Wohnsitz haben, nicht auch eine "materielle Unterstützung", nämlich in Form von Stimmen ist. Immerhin strebt die Regierungspartei an, die Abwicklung der Auslandssstimmen durch eine "Vertretung" der Auslandsungarn, "geheim" umsetzen zu lassen, damit diejenigen, die an der Wahl teilnehmen, in ihrem Wohnland keine "Nachteile oder Diskriminierung" erfahren müssen.

Deshalb soll es aus Siebenbürgen, der Vojvodina, der Karpatho-Ukraine oder der Südslowakei auch keine Wählerlisten geben, die Büros der Fidesz-nahen separatistischen Ungarnparteien sollen als Wahlbüros bzw. Übermittlungsstellen für eine Briefwahl fungieren, 'Betreutes Wählen' sozusagen. Lediglich die Zahl der Wähler pro Land werde - täglich aktualisiert - einsehbar sein. Wahlbeobachter, auch solche der Opposition, dürften diese Zahlen mit "anderen Dokumenten" abgleichen und im Wahlbüro alles kontrollieren, was sie wollen, freilich im ungarischen, wegen der "Sicherheit", versteht sich.

Einfluss aus dem Ausland verhindern?!

Hier sei auch daran erinnert, dass sich Premier Orbán mit ungarischen Steuermillionen und seiner persönlichen Intervention in den rumänischen Wahlkampf ganz offen einmischte. Er nahm sich ein Recht, das er nun anderen verwehren will, wobei die Motivation der europäischen Linken und auch der "Multis", Millionen in die Kampagnen einer eher marginalen Opposition zu investieren, ohnehin enden wollend sein dürfte. Jeder Oppositionsführer ist sich außerdem im Klaren darüber, dass der Nachweis von Wahlhilfe durch ausländische Banken oder "die Ostküste" in Ungarn einem Pakt mit dem Teufel gleichkäme.

Gergely Gulyás, einflussreicher Fidesz-Funktionär begründet die zusätzlichen Wahlregeln mit der Maßgabe so "mögliche Einflussnahmen auf das Wahlergebnis" verhindern zu wollen und man habe diese Maßnahmen angeblich sogar mit den sonst eher regierungskritischen NGO´s von Transparency International und dem Eötvös Károly Institut erarbeitet. Die Opposition verzweifelt: die Regierung plant für die Auslandsungarn "Wahlen unter totaler Geheimhaltung", die Wahlgestzgebung werde auf Zuruf einzelner Fidesz-Politiker ständig geändert, die Möglichkeiten des Missbrauchs werden dabei eher vergrößert als verringert, so die MSZP.

Wähler zweiter Klasse?!

Grundsätzlichere Fragen stellt selbst die Opposition schon nicht mehr: immerhin wirft das Wahlrecht für die massiv forcierten Neubürger die Frage auf, wie es mit der Loyalität gegenüber dem Land, in dem sie geboren wurden und leben aussieht oder danach, wieso eine halbe Million Menschen eine Politik mitbestimmen dürfen, deren Konsequenzen sie gar nicht tragen müssen und auch, warum, wenn sie schon wählen dürfen, sie nur eine Zweitstimme haben - was ja eine "ungleiche" Wahl darstellt - und sie auch kein passives Wahlrecht bekommen. Die Linke will es nicht zu kompliziert machen und wäre schon froh, wenn nicht jeder Auslandsungar reflexartig für die Nationalen stimmt. Daher bekennt man sich lieber mit gequältem Lächeln zum All-Nations-Voting und hofft, dass Orbán mit seiner Spalterei unter den Ungarnparteien im Ausland vielleicht so viel Porzellan zerschlagen hat, dass manch einer im kommenden Jahr vielleicht doch für "die Anderen" stimmt.

Wie man aus einem Drittel zwei Drittel macht

Das ungarische Wahlgesetz selbst wurde bereits vor über einem Jahr [2012] massiv geändert, zum Teil zu Recht, die Reduzierung der Zahl der Abgeordneten um rund 40% war sinnvoll, die damit einhergehende Neuziehung der Wahlkreisgrenzen wurde natürlich dafür genutzt, durch "Gerrymandering" einige noch verbliebene Hochburgen der Linken anzuknabbern. Direktmandate haben hinfort mehr Gewicht, die Stimmen für die Landeslisten werden - noch mehr als zuvor schon - nach Prinzipien des Mehrheitswahlrechts vergeben, die Antrittsquoren benachteiligen kleinere Parteien.

In Summe führen die strukturellen Wahlgesetzänderungen dazu, dass für die Erlangung der 2/3-Mehrheit der Mandate, bei entsprechender Verteilung, noch weniger Wahlstimmen notwendig sind als 2010. Damals errang Fidesz 70% der Mandate mit 54% der abgegebenen Stimmen, was 38% aller Wahlberechtigten entsprach. 2014 [morgen] könnte uns Fidesz vorführen, wie man aus einem Drittel zwei Drittel macht.

Gängeleien und Kontrollversuche im Wahlkampf

Der Wahlkampf selbst, vor einigen Monaten auch neu geordnet, offenbart weitere Vorteile für die Propagandamaschine der Regierung und man versteht allmählich, was Gulyás mit dem Satz "die Einflussnahme auf das Wahlergebnis verhindern" gemeint haben könnte. Offenbar gibt es ein Wunschergebnis, eine Orbánsche Zielvorgabe, die es zu erreichen gilt.

Eine Auswahl:

  • Aufhebung der Quotierung und zeitlichen Limitierung von Wahlwerbung im von der Regierung beherrschten öffentlich-rechtlichen Rundfunk ab 48 Stunden vor dem Wahltermin. Dafür erhalten nun alle wahlwerbenden Parteien ebenda 10 Stunden kostenlose Werbezeit. Nach welchen Maßgaben die Werbeplätze durch den Staatsfunk dann vergeben werden, liegt in deren Ermessen...
  • die Wahlkampfzeit wird auf 50 Tage gekürzt
  • das Verbot der Wahlwerbung politischer Parteien im Privatfernsehen und -radio ist zwar nicht mehr verboten, wird von den großen Sendern aber abgelehnt. Nach den aktuellen Einschaltquoten werden damit wohl über 80% der Fernsehzuschauer von Wahlwerbung unbelästigt bleiben
  • Wahlwerbe-Anzeigen in Zeitungen und Zeitschriften werden nur gegen vorherige Information an den Rechnungshof und zu staatlich festgelegten Tarifen erlaubt. Annoncen in Internetmedien und in Einmalpublikationen bleiben hingegen erlaubt (weil man deren - übrigens ernsthaft angedachtes - Verbot auch schlicht nicht umsetzen könnte.)
  • Parteien sollen Zugang zu den Namens- und Adressenlisten der bis 15 Tage vor der Wahl abgeschlossenen Wählerregistrierung erhalten
  • Wahlkampf wird zukünftig bis zur Schließung der Wahllokale möglich sein, der 24stündige Wahlfrieden, der bisher in Ungarn galt und jede Veranstaltung, Wahlwerbung und sogar Berichterstattung untersagte, wird abgeschafft
  • Wahlwerbung im Umkreis von 150 Meter um Wahlbüros wird verboten, Bürger zum Wahlgang zu "ermutigen" gilt nicht als Wahlwerbung ...

Fidesz würde auch nach altem Modus gewinnen

Dabei sind die jetzigen Maßnahmen sowie die Pakete rund um Wahlgesetz und Wahlkampfordnung nur noch der Feinschliff für ein System, das letztlich nur ein Ziel kennt: die Machtsicherung der Regierungspartei. Dass dieses System weit über die Wahlen an sich hinausgeht und dafür sorgt, dass es zwar (theoretisch) noch einen Regierungs- aber längst nicht so leicht einen Macht- bzw. Politikwechsel geben wird, haben wir hier bereits ausführlich erläutert.

Summiert man alle diese Aspekte, bekommt die Frage, ob in Ungarn ein Machtwechsel tatsächlich noch mit demokratischen Mitteln möglich ist, einige Brisanz. Denn ein Nein hieße: Diktatur. Da allerdings Fidesz die Wahlen 2014 auch nach dem alten Wahlmodus gewinnen würde, werden wir das in den kommenden Jahren kaum erfahren, sondern erst dann, wenn eine andere Partei die Mehrheit der Mandate erobern sollte, damit aber nicht einmal die Höhe des Flaschenpfandes ändern kann.

Quelle und CR: Pesterlloyd (Mai 2013)

Farkha Festival Komitee ruft zu Spenden für die Solidaritätsarbeit in Gaza auf

CfD communist solidarity dt
zum Text hier
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Farkha2023 21 Buehnentranspi

Farkha-Festival 2024 abgesagt.
Wegen Völkermord in Gaza und Staatsterror und Siedlergewalt im Westjordanland.
hier geht es weiter zum Text


 

 

UNRWA Gazakrieg Essenausgabe

UNRWA Nothilfeaufruf für Gaza
Vereint in Menschlichkeit, vereint in Aktion

Mehr als 2 Millionen Menschen, darunter 1,7 Millionen Palästina-Flüchtlinge, zahlen den verheerenden Preis für die Eskalation im Gazastreifen.
Zivilisten sterben, während die Welt zusieht. Die Luftangriffe gehen weiter. Familien werden massenweise vertrieben. Lebensrettende Hilfsgüter gehen zur Neige. Der Zugang für humanitäre Hilfe wird nach wie vor verweigert.
Unter diesen Umständen sind Hunderttausende von Vertriebenen in UNRWA-Schulen untergebracht. Tausende unserer humanitären Helfer sind vor Ort, um Hilfe zu leisten, aber Nahrungsmittel, Wasser und andere lebenswichtige Güter werden bald aufgebraucht sein.
Das UNRWA fordert den sofortigen Zugang zu humanitärer Hilfe und die Bereitstellung von Nahrungsmitteln und anderen Hilfsgütern für bedürftige Palästina-Flüchtlinge.
Dies ist ein Moment, der zum Handeln auffordert. Lassen Sie uns gemeinsam für die Menschlichkeit eintreten und denjenigen, die es am meisten brauchen, die dringend benötigte Hilfe bringen.

Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge

Spenden: https://donate.unrwa.org/gaza/~my-donation


 

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