Europa

france tgv Chris Sampson19.06.2014: Am siebten Tag in Folge streikten am Dienstag (17. Juni) beträchtliche Teile der französischen Eisenbahner gegen eine von der Regierung geplante „Bahnreform“, die am gleichen Tag im Parlament beraten wurde. Der von den deutschen Medien fast völlig verschwiegene Streik hatte in weiten Teilen des Landes ausfallende Züge im Fern- und Nahverkehr, geschlossene Schalter und nicht arbeitende Reparaturwerkstätten zur Folge. Von den innerfranzösischen Hochgeschwindigkeitszügen (TGV), und den Schnellzügen zwischen den Städten sowie im regionalen Nahverkehr, besonders im Großraum Paris, fuhren eine Woche lang im Schnitt praktisch nur noch die Hälfte der fahrplanmäßigen Züge, manchmal auch nur jeder dritte oder vierte. Die Folge waren superlange Staus auf den Straßen und total verstopfte Innenstädte. Auch der Auslandsverkehr nach Spanien war betroffen, nicht allerdings der Verkehr nach Deutschland.

Vier vorwiegend „linke“ Gewerkschaften hatten zu dem Streik ab dem 10. Juni abends aufgerufen: die CGT, die „autonome“ SUD-Rail, Force Ouvrière (FO) und „FIRST“ (Unabhängige Eisenbahner-Vereinigung und Transportgewerkschaft). Die Fortsetzung für die nächsten 24 Stunden war jeweils täglich neu in Vollversammlungen der beteiligten Betriebsteile beschlossen worden.

Dass dies eine Woche lang durchgehalten werden konnte, obwohl die französischen Gewerkschaften keine Streikgelder zahlen, zeigt die Kampfentschlossenheit der Beteiligten. Allerdings hatten zwei andere Gewerkschaftsbünde, die sozialpartnerschaftlich orientierte CFDT und die „autonome“ UNSA, sich gegen den Streik ausgesprochen und schließlich sogar zu seiner Beendigung aufgerufen. Die sozialdemokratische Regierung Valls hatten infolge dieser Spaltung der Gewerkschaften zunächst auf ein rasches „Versickern“ des Streiks gesetzt, musste aber bald feststellen, dass dies eine Fehlspekulation war. Obwohl sich nur etwa 20 Prozent der gesamten Beschäftigten der SNCF beteiligten, kam es zu spürbaren Störungen des Betriebsablaufs und erheblichen Einnahmeausfällen für die Firma, weil der Streik vor allem von für den Fahrbetrieb besonders wichtigen Beschäftigtengruppen wie Lokführern und Zugbegleitern sowie Wartungs- und Reparaturpersonal getragen wurde.

Der Streik war deutlich politischer Natur. Es ging vordergründig nicht um Arbeitsplätze, Löhne und Arbeitsbedingungen - obwohl die geplante Bahnreform nach Ansicht der Gewerkschaften sicherlich auch deren künftige Verschlechterung zur Folge hätte. Aber konkret ging es jetzt um die künftige Gesamtstruktur des französischen Eisenbahnsystems.

1997 war das bis dahin in Frankreich allein zuständige Staatsunternehmen SNCF in Befolgung einer entsprechenden EU Direktive zur „Liberalisierung“ des Bahnwesens im Namen der Beseitigung von „Staatsmonopolen“ und „Öffnung“ für die „freie Konkurrenz“  in zwei Teile zerlegt worden. Das Schienennetz mit entsprechender Infrastruktur wurde in einem eigenständigen Unternehmen RFF zusammengefasst, während die SNCF nur noch für den Fahrbetrieb zuständig blieb.

Da die hohe Verschuldung der Unternehmen damit jedoch nicht abgebaut werden konnte, will die Regierung jetzt eine neu „Bahnreform“ durchführen, ohne jedoch die neoliberale Grundausrichtung in Frage zu stellen. Es soll zwar eine „Holding“ namens SNCF als „Muttergesellschaft“ gebildet werden, in der aber weiterhin zwei ziemlich eigenständige Unternehmen SNCF-Rail (Schienennetz und Infrastruktur) und SNCF-Mobilités (Fahrbetrieb) bestehen bleiben.

Nach Ansicht der am Streik beteiligten Gewerkschaften wird damit nur eine Spaltung der Eisenbahn in künftig drei statt bisher zwei Unternehmen praktiziert, die weiterhin den EU-Vorgaben für die „Liberalisierung“ und künftige Privatisierung des Eisenbahnverkehrs unterworfen bleibt. Deren nächste Stufe, nämlich die Zulassung privater Züge auf einzelnen Strecken, ist für 2017 vorgesehen.

Die Gewerkschaften fordern stattdessen eine „echte Wiedervereinigung“ des gesamten Eisenbahnwesens in einem einzigen öffentlichen Unternehmen als „wirtschaftliche, soziale und technische Einheit“, auch mit einheitlichen, von den Gewerkschaften maßgeblich bestimmten tarifvertraglichen Regelungen. Es gehe um die Erhaltung des Schienenverkehrs als echter „öffentlicher Dienst“ im Interesse der Allgemeinheit, der nicht ausschließlich kommerziellen Rentabilitätskriterien und Gewinninteressen unterworfen sein könne, hieß es in entsprechenden Verlautbarungen. Außerdem verlangen die Gewerkschaften die „Auslagerung“ des derzeitigen Schuldenbergs der Bahn (44 Milliarden €) in eine vom Staat zu übernehmende Sonderstruktur („bad bank“), damit die notwendige Erneuerung und Modernisierung der Bahn künftig nicht mehr von den angehäuften „Altlasten“ behindert wird. Schließlich gehört zu den Forderungen eine „Rehumanisierung“ der Bahnhöfe und Züge, was bedeute, dass künftig wieder mehr Bahnbeschäftigte auf den Bahnhöfen und in den Zügen präsent sein sollen.

Text: Pierre Poulain (dieser Text erscheint auch in der UZ vom 20.06.14)   Foto: Chris Sampson

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