Internationales

02.06.2024: Nichtregierungsorganisationen berichten, dass 200.000 Menschen in der irakischen Region Kurdistan auf der Flucht sind, während Tausende in Europa in der rechtlichen Schwebe gefangen sind.

 

 

Zehn Jahre nach dem Massaker des IS an den Jesiden sind Hunderttausende Überlebende nicht in der Lage, sicher in ihre frühere Heimat im Irak zurückzukehren, so zwei NGOs in einem neuen Bericht.

Der Bericht, der am Freitag (31.5.) von Refugees International und Voice of Ezidis veröffentlicht wurde, warnt, dass diejenigen, die die gefährliche Flucht nach Europa gemacht haben, in einem rechtlichen Schwebezustand leben.

Obwohl in Deutschland der Bundestag die Verfolgung der jezidischen Gemeinschaft als Völkermord anerkannt hat, und die Lage im Irak nach wie vor sehr unsicher ist, gibt es vermehrt Abschiebungen von Jesiden, darunter auch Familien. Pro Asyl schätzt, dass 5.000 bis 10.000 jesidische Menschen aus dem Irak ausreisepflichtig und von Abschiebungen bedroht sind. Gegen die Abschiebungen von Jesiden in den Irak findet seit Sonntag, 26. Mai, vor dem Abschiebegefängnis Langenhagen am Flughafen Hannover ein Protestcamp statt.

Die NGO's fordern in ihrem Bericht die europäischen Länder auf, ein humanitäres Visum für Überlebende des Völkermords einzuführen, das es Jesiden ermöglichen würde, sicher nach Europa zu gelangen, und EU-weite Maßnahmen anzuwenden, die es ihnen ermöglichen würden, sich in Ländern niederzulassen, in denen sie Verwandte haben.

Die Jesiden, eine seit langem verfolgte Gruppe, deren Glaube im Zoroastrismus verwurzelt ist, erholen sich noch immer von den Schrecken des Angriffs des IS auf ihre Gemeinschaft im irakischen Sinjar-Distrikt im Jahr 2014.

Innerhalb weniger Tage wurden fast 10.000 Menschen getötet - entweder erschossen, enthauptet oder bei lebendigem Leib verbrannt - oder entführt.

Geholfen hat nur die PKK

Gerettet hätten sie damals, als sie wehrlos auf dem Berg festsaßen, nur die Guerillas von der PKK, sagt Kamal Haidar Suleiman. "Die PKK hat uns vor dem Untergang bewahrt", sagt er. "Die haben uns aus den Händen des IS errettet, haben die Leute auf ihren Schultern über den Berg getragen. Sonst hat uns niemand geholfen, keiner war da. Nur die PKK." Später erst kamen die Peschmerga, die Armee der kurdischen Regionalregierung, den Jesiden zu Hilfe. Die hatten sich 2014, als der IS anrückte, erst mal zurückgezogen. (siehe komunisten.de, 24.9.2014: "PKK ruft Kurden zum Kampf in Syrien auf")

2015 wurde die Jesiden-Metropole Sinjar befreit, die Terrorgruppe des sogenannten "Islamischen Staates" aus der Stadt vertrieben.

Einige Dörfer in Sinjar sind Massenfriedhöfe, die noch nicht exhumiert wurden. Mehr als 2.800 Frauen und Kinder gelten außerdem noch als vermisst.

Ein Jahrzehnt später haben die Überlebenden immer noch mit dem Trauma zu kämpfen.

Sinjar liegt weitgehend in Trümmern, und die irakische Bundesregierung und die autonome Region Kurdistan kämpfen um die Kontrolle über das Gebiet. Die Türkei greift immer wieder die Überlebenden dieses Völkermords an. Unter dem Vorwand der "Bekämpfung der PKK" kommt es seit 2017 zu Luftschlägen durch türkische Kampfflugzeuge und Drohnen. Konkrete Ziele sind hierbei zumeist Einrichtungen der demokratischen Autonomieverwaltung der Jesiden und die jesidischen Widerstandseinheiten "Je-Be-Sche", die nach der Vertreibung des IS gebildet wurden. "Wir wollen uns hier jetzt selbst verwalten, und wir wollen auch unsere eigenen jesidischen Sicherheitskräfte", heißt es von den Jesiden, die jegliches Vertrauen in die Peshmerga der kurdischen Regionalregierung verloren haben.

Doch die Jesiden sind ihrer politischen Handlungsfähigkeit weitgehend beraubt und können ihre Religion nicht ausüben. Nur wenige haben Wiedergutmachung oder Entschädigung erhalten.

Dem Bericht zufolge sind mehr als 200.000 Jesiden nach wie vor auf der Flucht und leben verstreut in Lagern in der Region Kurdistan und in umstrittenen Gebieten im Nordirak.

Irakische Regierung will Flüchtlingslager schließen

Die irakische Regierung, die dieses Jahr eine Frist bis zum 30. Juli für die Schließung der Lager ankündigte, hat denjenigen, die die Lager verlassen, Zahlungen und Arbeitsplätze angeboten. Die Forscher sagen jedoch, dass sich die Jesiden, mit denen sie gesprochen haben, nicht in der Lage fühlen, in die gefährlichen Bedingungen in Sinjar zurückzukehren.

Die Forscher der beiden NGO sprachen mit 44 Flüchtlingen in Griechenland in drei Lagern, einem in Serres und zwei weiteren in der Nähe der Städte Thessaloniki und Athen. Viele von ihnen gehörten zu den 4.000, die 2023 geflohen sind. Neben dem Terror des IS berichteten Jesiden auch über Diskriminierung durch Kurden.

Da es keine "sicheren Wege" nach Europa gibt, neigen Jesiden dazu, Schmuggler anzuheuern, die sie in Länder wie Griechenland bringen, von wo aus sie in andere europäische Staaten weiterziehen, wobei die Menschen oft während der Reise sterben oder von Abschiebung bedroht sind. Die Familien werden häufig auseinandergerissen und die Mitglieder an verschiedene Orte verstreut. Viele der in Griechenland befragten Jesiden hatten jahrelang im "Elend" in den Lagern gelebt, konnten aber nicht in die Gefahrenzonen im Irak zurückkehren oder sich mit ihren Familien in Ländern wie Deutschland und den Niederlanden wiedervereinigen.

Diejenigen, die es nach Europa schaffen, sind jahrelang von ihren Angehörigen getrennt. Eine Frau, die in Serres interviewt wurde, hatte ihr zweijähriges Kind im Irak zurückgelassen. Ihr Ziel war es, die Niederlande zu erreichen, wo ihr Mann Verwandte hat, Asyl zu beantragen und ihr Kind direkt dorthin zu bringen. Wenn sie es jedoch endlich in die Niederlande schaffen, dauert es 15 Monate, bis ihr Asylantrag bearbeitet ist, und 81 Wochen, bis sie ihr Kind nachholen können.

In der Zwischenzeit haben die Familien in Griechenland mit zahlreichen Herausforderungen zu kämpfen. Sobald sie in Griechenland als Flüchtlinge anerkannt sind, müssen sie ihre Lager innerhalb eines Monats verlassen, ohne ein Dach über dem Kopf und ohne die Möglichkeit, ihre Familien zu unterstützen.

HELIOS, ein von der Internationalen Organisation für Migration unterstütztes Integrationsprogramm, kann dem Bericht zufolge nur einen Bruchteil der Nachfrage nach Hilfe befriedigen. Einige verlassen das Land, und die griechischen Behörden beschleunigen Berichten zufolge die Gewährung des Flüchtlingsstatus und die Ausstellung von Pässen, damit sie anderswo, oft in Deutschland, erneut Asyl beantragen können.

Viele befinden sich in einem rechtlichen Schwebezustand, da Deutschland zwischen 2019 und 2022 Asylanträge von Antragstellern, denen in Griechenland bereits internationaler Schutz gewährt wurde, "depriorisiert" hat.

In dem Bericht heißt es, dass viele der abgelehnten Asylbewerber den Status "Duldung" erhalten haben, was bedeutet, dass sie keine Familienangehörigen nachholen können.

Gemäß einem Abkommen mit dem Irak aus dem Jahr 2003 können sie sogar abgeschoben werden. Letztes Jahr berichteten kurdische Medien, dass ein jesidischer Mann, der nach 11 Jahren in Deutschland abgeschoben wurde, in Erbil gestorben sei. Da er nirgendwo unterkam, hatte er sich unter einer Brücke in der Nähe des Franso-Hariri-Stadions in Erbil eine provisorische Unterkunft aus Pappe gebaut, wo er tot aufgefunden wurde.

Es ist noch unklar, wie sich der im letzten Monat vom Europäischen Parlament verabschiedete EU-Pakt zu Migration und Asyl auf Jesiden auswirken wird. Der "Solidaritätsmechanismus" des neuen Gesetzes sieht vor, dass die EU-Länder die Verantwortung für Asylbewerber teilen und bei der Umsiedlung von Menschen in ein anderes Land "sinnvolle Verbindungen", einschließlich familiärer Bindungen, berücksichtigen.

Doch das Paket könnte die Lage für Jesiden noch verschlimmern, da die EU-Länder nun Grenzeinrichtungen zur Aufnahme und Überprüfung von Asylbewerbern einrichten und diejenigen zurückschicken, die als nicht asylwürdig erachtet werden. Rechtsgruppen haben die Reformen scharf kritisiert, da sie die Rechte von Asylbewerbern untergraben und sie Menschenrechtsverletzungen wie willkürlicher Inhaftierung und missbräuchlichen Polizeischikanen aussetzen.


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