10.01.2023: Zum Jahreswechsel hat die Bundesregierung alle Importe von russischem Rohöl gestoppt ++ vom Bundeswirtschaftsministerium angekündigte größere Lieferungen aus Kasachstan und Polen gab es bislang noch nicht. ++ Öl aus Kasachstan soll durch Drushba-Pipeline kommen ++ US-Öl und Öl aus Saudi-Arabien und Kasachstan "klimafreundlicher" als russisches Öl? ++ Russland verdient auch am kasachischen Öl
Erst kein Öl mehr per Tanker, jetzt auch nicht mehr per Pipeline. Zum Jahreswechsel hat die Bundesregierung alle Importe von russischem Rohöl gestoppt. "Seit dem 1.1.2023 bezieht Deutschland auch kein russisches Öl mehr per Pipeline – ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer klimafreundlichen und krisensicheren Energieversorgung!", teilte das von Robert Habeck (Grüne) geleitete Bundeswirtschaftsministerium mit.
Bundesregierung, 2.1.2023: https://www.facebook.com/Bundesregierung/photos/a.769938079764597/5809539539137734/ |
Damit ist eine weitere Stufe im EU-Wirtschaftskrieg gegen Russland in Kraft getreten. Am 5. Dezember vergangenen Jahres stoppte die EU die Importe von russischem Öl auf dem Seeweg – Stufe 1 des Öl-Embargos. Nun folgte zum Jahresbeginn 2023 als Stufe 2 auch der Verzicht auf Lieferungen über die "Freundschaftspipeline" Druschba. Stufe 3 folgt am 5. Februar: Das Embargo wird auf Diesel und andere Mineralölprodukte aus der Russischen Föderation ausgeweitet. Zudem will die EU einen Preisdeckel für Öl durchsetzen, das Russland an Drittstaaten wie Indien oder China liefert. Moskau verbietet im Gegenzug zum 1. Februar den Verkauf von Öl an Länder, die den Preisdeckel beschlossen haben.
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Die Druschba-Pipeline verbindet russische Ölfelder mit Ost- und Mitteleuropa. 2,5 Millionen Barrel Erdöl können die Leitung täglich passieren. An die Röhre angeschlossen sind unter anderem Polen, die Slowakei, Weißrussland, Ungarn, die Tschechische Republik und Deutschland.
In Deutschland wurden die PCK-Raffinerie in Schwedt und die Mitteldeutsche Raffinerie Leuna mit russischem Öl des Staatskonzerns Rosneft aus der Druschba-Röhre versorgt. Die Raffinerie in Leuna deckt nach Angaben des Betreibers TotalEnergies große Teile des Benzinbedarfs in Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen ab. An der Schwedter Raffinerie hängt zu großen Teilen die Versorgung von Tankstellen in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin sowie vom Hauptstadtflughafen BER. Dazu kommt ein Drittel des deutschlandweiten Bitumens aus der Raffinerie. Die Mehrheit an Schwedt hält die russische Rosneft, allerdings steht die Raffinerie derzeit unter deutscher Treuhandverwaltung.
US-Öl und Öl aus Saudi-Arabien und Kasachstan "klimafreundlicher" als russisches Öl?
Wieso der Importstopp für russisches Rohöl "ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer klimafreundlichen ... Energieversorgung" sein soll, bleibt das Geheimnis der Bundesregierung. Denn Öl für Schwedt wird künftig per Schiff über die Ostseehäfen in Rostock und, so der Wunsch der Bundesregierung, dem polnischen Gdańsk angeliefert. Rostock ist über eine 200 Kilometer lange Pipeline mit der Raffinerie verbunden. Die Kapazität dieser Pipeline reicht jedoch nicht aus, um Schwedt mit dem erforderlichen Rohöl zu versorgen. "Für eine langfristige verlässliche Versorgung sehen wir den Bau einer neuen Pipeline nach wie vor als die beste Investition in die Zukunft", sagt Rolf Schairer, Sprecher der PCK-Geschäftsführung.
Bereits im August hatte ein Tanker mit US-Rohöl Rostock erreicht und die Versorgung für Schwedt getestet. Unklar ist, warum das US-Öl klimafreundlicher als das russische sein soll. Fakt ist, dass nicht nur das Öl selbst, sondern auch der Transport teurer und umweltschädlicher wird.
Abgesehen davon, dass der "Weg zu einer klimafreundlichen und krisensicheren Energieversorgung" nur durch eine Ausweitung der erneuerbaren Energien und den Aufbau einer Speicherinfrastruktur gelingen kann. Dass Deutschland keine fossilen Energien mehr aus Russland bezieht, ist auf diesem Weg kein Fortschritt, sondern eine Belastung für die Mehrheit der Bevölkerung.
Öl für Schwedt
Ziel der Bundesregierung ist, Schwedt mit seinen 1.200 Beschäftigten zukünftig zu 70 Prozent auszulasten. Deshalb soll zu dem mit Tankern gelieferten Öl zusätzlich Öl aus dem autoritär regierten Kasachstan bezogen werden.
Allerdings sei Wirtschaftsstaatssekretär Michael Kellner (Grüne) am gestrigen Montag (9.1.) im Bundestagsausschuss für Klimaschutz und Energie nicht in der Lage gewesen, konkrete Fakten zur momentanen Versorgung der Raffinerien mit Rohöl zu benennen, kritisiert der brandenburgische Bundestagsabgeordnete der Linken, Christian Görke. Auch gebe es von Deutschland bisher keinerlei Vertragsangebot gegenüber Kasachstan, so Görke. Die vom Bundeswirtschaftsministerium angekündigte größere Lieferungen aus Kasachstan und Polen gebe es bislang noch nicht, so dass die PCK-Raffinerie in Schwedt nur zu 50 Prozent ausgelastet ist. Die reduzierte Produktion zeigt jetzt erste Auswirkungen. Der Preisinformationsdienst Argus Media berichtet, dass es in der Region bereits eine Produktionsknappheit beim Benzin und steigende Benzinpreise gibt.
Der kasachische Energieminister Bolat Akchulakov hatte laut der Nachrichtenwebsite Vlast.kz am 30. Dezember noch einmal bekräftigt, sein Land sei in der Lage, die Mengen zu liefern, die in Deutschland benötigt würden.
Aber um Öl aus Kasachstan nach Europa zu transportieren, muss die Ex-Sowjetrepublik auf die russische Pipeline-Infrastruktur zurückgreifen. Die Pipelinegesellschaft Kaztransoil will 1,2 Millionen Tonnen Öl – verteilt über das Kalenderjahr 2023 – über die Druschba-Pipeline nach Schwedt liefern.
Russland genehmigt Transport von Öl aus Kasachstan über die Drushba-Pipeline
Russlands Energieminister Alexander Nowak erklärte der Nachrichtenagentur Interfax zufolge, Russland werde Kasachstan die Nutzung der Druschba-Pipeline für Öl-Lieferungen nach Deutschland erlauben. "Wir stehen dem normal gegenüber. Und wenn ein Teil des kasachischen Öls aus Ust-Luga in die 'Druschba' umgeleitet wird, dann ist das normal."
Russische Lukoil mit 15 Prozent an der Karachaganak Petroleum Operating (KPO) beteiligt
Die russische Genehmigung fällt auch deshalb leicht, weil Russland auch am kasachischen Öl mitverdient. Der russische Ölkonzern Lukoil ist mit 15 Prozent an der Karachaganak Petroleum Operating (KPO) beteiligt, die das kasachische Öl fördert und nach Deutschland liefert.
Aber auch bei den Lieferungen per Schiff kann nicht mit Sicherheit erklärt werden, dass sich in den Tankern kein russisches Öl befindet. So hat Saudi-Arabien, weltgrößter Öl-Exporteur, seine Öl-Importe aus Russland verdoppelt. Angeblich zum eigenen Verbrauch und nicht für den Weiterverkauf auf dem Weltmarkt.
"Immerhin funktioniert der 'Ringtausch' nun auch im Energiebereich: Russland macht Verträge mit den Vereinigten Arabische Emiraten und Saudi-Arabien und wir kaufen dann von dort die Energie, die uns wegen der Sanktionen gegen Russland fehlt."
Bettina Jürgensen, marxistische linke
EU treibt Ölpreis
Wenn die EU ihr Öl nicht mehr in Russland, sondern woanders einkauft, ist das kein neues, zusätzliches Öl, sondern sie konkurriert mit anderen Abnehmern über die bisherigen Mengen – und treibt so die Preise in die Höhe. Für alle wohlgemerkt. Auch für arme Entwicklungsländer, die am Wirtschaftskrieg gar nicht beteiligt sind.
"Die Abnehmer, denen Deutschland das Öl aus den USA, Saudi-Arabien oder Norwegen wegkauft, müssen am Ende doch bei Putin kaufen. Kein Öl ist schließlich auch keine Lösung. Und Russland immerhin der zweitgrößte Öl-Exporteur der Welt. Nur weil die EU also auf russisches Öl verzichtet, bleibt es nicht im Boden. Verkauft wird trotzdem, dann sogar zu höheren Weltmarktpreisen – sofern die Logistik klappt", kommentiert Maurice Höfgen in der Berliner Zeitung (BZ, 3.12.2022)
"Das selbstgewählte Embargo ist einmal mehr ein Schuss ins eigene Knie. Denn während Habeck auf unser aller Kosten Öl aus Russland boykottiert, kauft Frankreich wie gehabt Uran aus Russland für den Betrieb seiner Atomkraftwerke und andere europäische Länder kaufen immer mehr russisches Flüssiggas (LNG), das per Schiff angeliefert wird. 16 Prozent des importierten Flüssiggases für Europa kommen bereits aus Russland, so viel wie nie zuvor! Dieser selbstzerstörerische wie sinnlose Wirtschaftskrieg muss endlich gestoppt und Verhandlungen über die Lieferung von Öl und Gas aus Russland per Pipeline zu bezahlbaren Preisen gestartet werden."
Sevim Dağdelen. MdB, DIE LINKE