09.06.2025: Das Schiff Madleen der Gaza-Freiheitsflottille von israelischer Armee geentert ++ ein Akt der Piraterie ++ vor ihrer Festnahme hatten die Aktivist:Innen noch ein Video aufgenommen, in denen sie die Menschen auffordern, zu handeln ++ Eine zweite Front zur Durchbrechung der Belagerung des Gazastreifens: Tunesische Zivilkoalition startet Landkonvoi nach Gaza ++ Massaker in Gaza gehen ungebrochen weiter
Das Schiff Madleen der Gaza-Freiheitsflottille, das am Montag gegen 2 Uhr Ortszeit in palästinensische Gewässer einlaufen sollte, wurde vorher in internationalen Gewässern von israelischen Kriegsschiffen und Quadrocopter-Drohnen abgefangen.
![]() |
kommunisten.de, 6.6.2025 Drohnen fliegen über die Flottille. Israel bereitet Blockade vor |
Gegen 1:30 Uhr Ortszeit, nur wenige Dutzend Meilen vor der palästinensischen Küste, meldeten Aktivisten von Bord der Madleen, dass sie von drei israelischen Militärbooten umzingelt seien. Gegen 2:00 Uhr morgens enterten israelische Truppen in einer Aktion der Piraterie das Schiff und übernahmen die Kontrolle. Die 12-köpfige Besatzung wurde festgenommen, darunter die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg und die französische EU-Parlamentsabgeordnete Rima Hassan. Der Kontakt zu den Aktivist:innen wurde unterbrochen. Vor ihrer Festnahme hatten Besatzungsmitglieder berichtet, dass Quadcopter das Schiff umkreist und mit einer "weißen Flüssigkeit” besprüht hätten.
9. Juni 2025, 2:02 Uhr: Letztes Bild von den Aktivist:innen auf der Madleen
https://x.com/RimaHas/status/1931876190463447434
Die unter britischer Flagge fahrende Madleen, benannt nach Madleen Kullab, einer palästinensischen Fischerin aus Gaza, war am 1. Juni aus dem Hafen von Catania im Osten Siziliens ausgelaufen und mit einer symbolischen Menge humanitärer Hilfsgüter, darunter Reis und Babynahrung, in Richtung Gaza gesegelt, um die israelische Blockade des Gazastreifens zu durchbrechen und die internationale Öffentlichkeit auf die humanitäre Krise dort aufmerksam zu machen. Die Mission wurde von der Freedom Flotilla Coalition (FFC) organisiert, einer internationalen Allianz von Aktivistengruppen, die seit 2008 ähnliche Missionen nach Gaza organisiert.
Neben der Klimaaktivistin Greta Thunberg nahmen an der Mission der Madleen der französische Journalist und Filmemacher Yanis Mhamdi, der brasilianische Aktivist und Mitglied der Freedom Flotilla Thiago Avila, der türkische Aktivist Suyab Ordu, der spanische Aktivist Sergio Toribio, die französische Aktivistin Reva Viard, der französische Aktivist und Freedom Flotilla-Veteran Pascal Maurieras, der französische Journalist Omar Faiad, der niederländische Aktivist und Mitglied der Freedom Flotilla Marco van Rennes, der französische Aktivist und Arzt Baptiste Andre, die deutsche Aktivistin Yasemin Acar und die französisch-palästinensische Abgeordnete des Europäischen Parlaments Rima Hassan teil.
Die EU-Parlamentsabgeordnete Rima Hassan lächelte während der Verhaftung und sah den Israelis direkt in die Augen. Zuvor postete sie: "Wenn sie kommen, um uns zu verhaften, werde ich sie so ansehen, wie Larbi Ben M'Hidi die Kolonisten seines Landes ansah: ruhig, zuversichtlich in Bezug auf die Befreiung Palästinas. Sie sind die Besatzer dieses Landes, wir sind seine Wurzeln." (Anm.: Mohammed Larbi Ben M'hidi, auch Si Larbi, legendärer algerischer Revolutionär während der Zeit des algerischen Befreiungskrieges gegen die französischen Kolonisatoren und einer der sechs Gründungsmitglieder der Algerischen Nationalen Befreiungsfront FLN)
In einer Erklärung wirft die Freedom Flotilla Coalition (FFC) Israel vor, die Madleen "gewaltsam abgefangen" und "völlig straffrei" gehandelt zu haben. In der Erklärung heißt es, das Schiff sei "unrechtmäßig geentert, seine unbewaffnete zivile Besatzung entführt und seine lebensrettende Ladung – darunter Babynahrung, Lebensmittel und medizinische Hilfsgüter – beschlagnahmt" worden.
Das israelische Außenministerium bestätigte die Festnahme der Aktivisten und erklärte, dass sie alle in Sicherheit seien. Die israelischen Streitkräfte hätten die "Madleen" in den Hafen von Ashdod umgeleitet und die Passagiere würden in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden.
Nachdem die Israelischen Streitkräfte sämtliche Kommunikationsmittel lahmgelegt und die zwölf Bürgerrechtler auf der Madleen in internationalen Gewässern entführt hatten, verbreiten sie nun Propagandavideos, in denen den Entführten Wasserflaschen und Sandwiches gegeben werden. Zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Artikels lagen keine Informationen über den Verbleib der "Madleen" und der Aktivist:innen vor.
Nachtrag,10. Juni 2025, 10:00 Uhr: Die Freedom Flotilla Coalition teilte in der Nacht von Montag auf Dienstag (10.6.) mit:
"Wir haben soeben die Bestätigung erhalten, dass sich alle elf Freiwilligen und ein Reporter von Al Jazeera von der „Madleen” derzeit im Hafen von Ashdod befinden. Sie werden registriert und in Gewahrsam genommen. Sie werden voraussichtlich in die Haftanstalt Ramleh gebracht, sofern sie nicht bereit sind, sofort auszureisen. In diesem Fall könnten sie bereits heute Abend aus Tel Aviv ausfliegen. Wir fordern weiterhin die sofortige Freilassung aller Freiwilligen und die Rückgabe der gestohlenen Hilfsgüter. Ihre Entführung ist rechtswidrig und verstößt gegen das Völkerrecht."
Israel hatte schon vorher angekündigt, das Schiff daran zu hindern, Gaza zu erreichen. Das israelische Regime reagierte mit einer Hysterie auf die Fahrt der Madleen, als würde es sich um den Angriff durch eine Atom-U-Boot handeln.
Der israelische Kriegsminister Israel Katz erklärte am Sonntag, er habe die israelische Armee angewiesen, die "Hassflottille" Madleen daran zu hindern, die Küste Gazas zu erreichen, als das Schiff in ägyptischen Gewässern segelte, und "alle dafür notwendigen Maßnahmen zu ergreifen". Katz wandte sich direkt an die 22-jährige Klimaaktivistin Greta Thunberg: "An die antisemitische Greta und ihre Mitstreiter, die Propagandasprecher der Hamas, sage ich ganz klar: Kehrt um, denn ihr werdet Gaza nicht erreichen."
Ein Akt der Piraterie
Während internationale Medien von Piraterie sprechen (hier die schwedische Zeitung Afton Bladet) übernehmen die deutschen Medien weitgehend die Sprachregelung Israels
Israel behauptet, die Aufbringung der Madleen sei rechtmäßig gewesen, um seine Blockade des Gazastreifens durchzusetzen. Das israelische Außenministerium erklärte, dass die "Seezone vor der Küste des Gazastreifens im Rahmen einer legalen Seeblockade im Einklang mit dem Völkerrecht für nicht autorisierte Schiffe gesperrt" sei. "Unautorisierte Versuche, die Blockade zu durchbrechen, sind gefährlich, rechtswidrig und untergraben die laufenden humanitären Bemühungen."
Fakt ist: Die Festsetzung eines unbewaffneten zivilen Schiffes in internationalen Gewässern ist gemäß dem internationalen Seerecht UNCLOS, das die Freiheit der Schifffahrt schützt, grundsätzlich illegal. Ausnahmen gelten für Piraterie oder Schmuggel, aber humanitäre Missionen wie die der Madleen sind Regel geschützt.
Das Entern der Madleen – noch dazu in internationalen Gewässern – verstößt gegen internationales Recht, insbesondere angesichts der Anordnungen des Internationalen Gerichtshofs (IGH) für humanitären Zugang zu Gaza. Die Blockade des Gazastreifens wird von zahlreichen völkerrechtlichen Experten und Organisationen wie dem Internationalen Gerichtshof, der UN-Vollversammlung oder Amnesty International als völkerrechtswidrig eingestuft, insbesondere da sie
- als Kollektivbestrafung der Zivilbevölkerung gilt,
- Hunger als Kriegswaffe einsetzt,
- die humanitäre Versorgung der Bevölkerung verhindert,
- unverhältnismäßigen Schaden verursacht.
Der Internationale Gerichtshof hat Israel wiederholt aufgefordert, humanitäre Hilfe zu ermöglichen und die Blockade zu lockern, was weitgehend ignoriert wurde. Diese Verstöße werden als Kriegsverbrechen und potenziell als Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Völkermord gewertet. Der Internationale Strafgerichtshof (ICC/IStGH) hat deshalb Haftbefehl gegen Israels Premier Netanjahu und den Ex-Verteidigungsminister Gallant erlassen.
Fabian Goldmann korrigiert:
+++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++
"Israelische Marine stoppt... nach Hause geschickt... wird umgeleitet..."
Israels Armee kapert ein ziviles Hilfsschiff in internationalen Gewässern, entführt dessen Besatzung und @derspiegel berichtet als hätten Lehrer vorzeitig eine Klassenfahrt beendet.
Vor ihrer Festnahme hatten die Aktivist:Innen noch ein Video aufgenommen, in denen sie die Menschen auffordern, zu handeln und Druck auf ihre Regierungen auszuüben, um ihre Freilassung zu fordern, falls sie von israelischen Streitkräften festgenommen würden. Das Filmmaterial wurde kurz nach der Aufbringung des Schiffes online gestellt.
"Wenn Sie dieses Video sehen, wurden wir abgefangen und entführt."
Zwölf internationale Aktivisten, darunter Greta Thunberg, haben Videos aufgenommen, bevor sie von israelischen Streitkräften in internationalen Gewässern entführt wurden, als sie im Rahmen einer Freiheitsflottille versuchten, Hilfsgüter nach Gaza zu bringen. Aktivisten aus Ländern wie Brasilien, Deutschland, Frankreich, der Türkei und Spanien haben sich ebenfalls zu erkennen gegeben und ihre Regierungen zum Handeln aufgefordert.
Video: https://x.com/MiddleEastEye/status/1931939380215869628
Eyad Abu Mousa, Ingenieur beim Gaza Relief Committee, der die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen internationalen Hilfsorganisationen koordiniert und bis zur Beschlagnahmung der "Madleen" in Kontakt mit den Passagieren stand, sagte: "In Gaza verfolgten wir stündlich die Nachrichten über die Madleen, in der Hoffnung, sie empfangen zu können, aber wir wissen nur zu gut, wie die israelische Besatzungsmacht mit jedem Versuch umgeht, die Blockade zu durchbrechen. ... Zu wissen, dass es Menschen gibt, die nicht nur für uns eintreten, sondern auch bereit sind, ein Risiko einzugehen, um die Blockade zu durchbrechen, ist unbeschreiblich. Besonders in einer Zeit, in der wir das Gefühl haben, dass die ganze Welt uns den Rücken gekehrt hat und den Völkermord akzeptiert."
"Wenn es mehr Missionen wie die der Madleen gäbe, könnten vielleicht einige von ihnen Gaza erreichen, und die Wirkung wäre viel größer."
Eyad Abu Mousa, Ingenieur beim Gaza Relief Committee
"Die Mission ist nicht vorbei"
Francesca Albanese, die UN-Sonderberichterstatterin für Menschenrechte in den palästinensischen Gebieten, forderte am Sonntag andere Schiffe auf, die Blockade des Gazastreifens zu durchbrechen. Madleens Reise mag zu Ende sein, aber die Mission ist noch nicht beendet. Jeder Hafen im Mittelmeer muss Schiffe mit Hilfsgütern und Solidarität nach Gaza schicken, schrieb sie auf X.
"Während #Madleen unverzüglich freigelassen werden muss, sollte jeder Hafen im Mittelmeerraum Boote mit Hilfsgütern, Solidarität und Menschlichkeit nach Gaza schicken. Sie sollen gemeinsam auslaufen – vereint sind sie unaufhaltsam. #BreakingTheSiege (Brechen der Blockade) ist eine rechtliche Verpflichtung für Staaten und eine moralische Verpflichtung für uns alle."
Francesca Albanese, UN-Sonderberichterstatterin, 9.6.2025 | https://x.com/FranceskAlbs/status/1931893833023000827
Eine zweite Front zur Durchbrechung der Belagerung des Gazastreifens: Tunesische Zivilkoalition startet Landkonvoi
Außerdem hat von Tunesien aus ein Landmarsch nach Gaza begonnen. Eine Koalition tunesischer zivilgesellschaftlicher Gruppen hat einen groß angelegten Landkonvoi organisiert, um humanitäre Hilfe nach Gaza zu bringen und die anhaltende israelische Belagerung zu bekämpfen.
Die Mission mit dem Namen "Resilience (Sumud) Convoy" ist am 9. Juni 2025 über Libyen und Ägypten zum Rafah-Grenzübergang aufgebrochen, der von Israel weiterhin geschlossen bleibt.
Video: https://x.com/tariqtramboo/status/1932092167469564043
Laut den Organisatoren haben sich seit dem 13. Mai über 7.500 Freiwillige der Aktion angeschlossen, darunter auch Mitglieder tunesischer Fußball-Ultras, die für ihr politisches Engagement bekannt sind.
Während die Freedom Flotilla weltweite Medienaufmerksamkeit erregt, betonen die tunesischen Organisatoren, dass diese Initiative sowohl humanitärer als auch politischer Natur sei und sich gegen die israelische Blockade und die von ihnen als Politik des erzwungenen Hungers bezeichnete Politik richte. Der Konvoi bringt medizinische und Lebensmittellieferungen und wird von der tunesischen Koordination für gemeinsame Aktionen für Palästina in Zusammenarbeit mit lokalen Solidaritätsgruppen koordiniert.
"Und während viele daran arbeiten, die unrechtmäßig beschlagnahmte #Madleen freizubekommen, damit sie ihre Fahrt nach Gaza fortsetzen kann, kommt nun die #SumudConvoy. Aus meinem geliebten TUNESIEN haben sich über 7000 Menschen aus dem gesamten Maghreb angemeldet. Sie treffen sich am 12. Juni in Kairo mit der #March2Gaza. Gemeinsam werden sie nach Rafah weiterreisen. Gemeinsam können wir es schaffen. Gemeinsam werden wir es schaffen (Menschenrechte gelten für alle – oder für niemanden). #BreakTheSiege
Francesca Albanese, UN-Sonderneauftragte, 9.6.2025 | https://x.com/FranceskAlbs/status/1932029689851265283
Infos: https://marchtogaza.net/
Massaker in Gaza gehen ungebrochen weiter
Währenddessen geht die Massaker in Gaza ungebrochen weiter. Medizinische Quellen berichten, dass im Laufe des heutigen Tages (9.6.) mindestens 59 Palästinenser:innen bei israelischen Angriffen im gesamten Gazastreifen getötet wurden, wobei sich die schwersten Angriffe auf den Süden konzentrierten.
Seit die Gaza Humanitarian Foundation (GHF) am 27. Mai ihre Arbeit aufgenommen hat, wurden mindestens 141 Palästinenser:innen in der Nähe der Verteilzentren von israelischen Soldaten oder US-Söldnern getötet und über 1.300 verletzt. (siehe kommunisten.de: "Gaza: Die apokalyptische Endlösung.")
Seit dem Bruch des Waffenstillstandsabkommens durch Israel am 18. März (siehe kommunisten.de: "Nein, der Waffenstillstand ist nicht gescheitert. Israel hat ihn gezielt gebrochen.") haben israelische Streitkräfte über 4.000 Menschen bei Angriffen auf Zelte, Krankenhäuser und zu Notunterkünften umfunktionierte Schulen getötet.
Nach Angaben palästinensischer Gesundheits- und Regierungsbeamter wurden seit Oktober 2023 mindestens 54.000 Palästinenser von israelischen Streitkräften getötet, darunter mehr als 28.000 Frauen und Mädchen.
Diese Zahl umfasst auch mindestens 1.400 Angehörige des Gesundheitswesens, 280 UN-Helfer – die höchste Zahl an Todesopfern unter UN-Mitarbeitern in der Geschichte – und fast 190 Journalisten, die höchste Zahl an Medienmitarbeitern, die seit Beginn der Aufzeichnungen des Committee to Protect Journalists (CPJ) im Jahr 1992 in einem Konflikt getötet wurden.
Bei der Zahl der Toten muss die Tatsache berücksichtigt werden, dass das Zählen fast unmöglich ist; es gibt keine Infrastruktur mehr, anhand derer die Toten gezählt oder angemessen betrauert werden können. Palästinenser:innen werden bei den Bombenangriffen in so kleine Stücke zerfetzt, dass es häufig keine nennenswerten Überreste zum Zählen gibt. Körperteile werden in den Leichenhalle der Krankenhäuser gewogen, um zu ermitteln, wie viele Menschen getötet wurden. "70 Kilogramm entsprechen einem Körper, weil sie nur in Körperteilen gebracht werden", sagt Dr. Nizam Mamode, ein britischer Chirurg, der mit Medical Aid for Palestinians in Gaza gearbeitet hat. Mittlerweile gehen viele Untersuchungen davon aus, dass die tatsächliche Zahl der Todesopfer wahrscheinlich bei über Hunderttausend liegt.
Infos: https://nie-wieder-krieg.org/gaza/
Foto oben: Das letzte Bild von Bord der Madleen
zum Thema
- Drohnen fliegen über die Flottille. Israel bereitet Blockade vor
- Rima Hassan: "Ich bin an Bord der Freedom Flotilla, um gegen die Belagerung Gazas zu kämpfen"
- Drohnen greifen Boot mit Hilfsmitteln für Gaza an. Hungertod in Gaza
- Gaza: Die apokalyptische Endlösung.
- Gaza ist ein Friedhof, doch der Westen debattiert immer noch, ob Israel "zu weit gegangen" ist.
- 18 Minuten, um das Krankenhaus zu evakuieren. Dann Raketen. Rettungssanitäter exekutiert und verscharrt.