10.08.2018: Nationalstaatsgesetz legt Grundlage für Annexion der Westbank ++ US-amerikanisch-israelischer Geheimplan für die Neubelebung der alten "Greater Middle East"-Pläne der USA ++ Trump-Regierung will UN-Hilfswerk UNWRA zerstören
Eine Woche bevor das israelische Parlament, die Knesset, mit knapper Mehrheit das "Nationalstaatsgesetz" beschloss, sagte Premierminister ime Minister Benjamin Netanjahu, das Gesetz sei notwendig, um "den jüdischen Charakter unseres Staates für Generationen zu sichern". Netanjahu führt den Gedanken nicht weiter aus, was den jüdischen Charakter Israels gefährde oder wie das Gesetz diese Gefahr abwehren würde.
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Aber der erste Satz des Nationalstaatsgesetzes gibt einen Hinweis. Der Text lautet: "Das Land Israel, in dem der Staat Israel entstand, ist die historische Heimat des jüdischen Volkes." (Gesetzestext) Da die Knesset dies als erstes Grundprinzip des Statuts festlegt, impliziert das Gesetz einen latenten jüdischen Territorialanspruch, der über die international anerkannten Grenzen Israels hinausgeht, auf das biblische "Land Israel". Dieser von der israelischen Rechten zunehmend verwendete Begriff umfasst das geografische Gebiet zwischen dem Mittelmeer und dem Jordan, also auch das besetzte Westjordanland. Zwar räumt das neue Gesetz ausschließlich dem jüdischen Volk ein Recht auf nationale Selbstbestimmung ein, aber nur im Rahmen des "Staates Israel"; doch für die rechten Kräfte Israels ist die Grenze zwischen "Land" und "Staat" oft verwischt und leicht zu überschreiten.
Die Zeitung Al-Monitor schlussfolgert: "Vor dem Hintergrund des jüngsten jüngsten Pro-Annexionsschubs der Likud-Partei des Premierministers ist es denkbar, dass die neue Gesetzgebung die verfassungsrechtliche Grundlage für eine fortgesetzte jüdische Vorherrschaft schafft, falls und wenn Israel das Westjordanland formal an sein Territorium anschließt - und Millionen von Palästinensern an seine Volkszählung." (Israel’s Nationality Law lays ground for West Bank annexation)
Ein US-amerikanisch-israelischer Geheimplan
Zudem gibt es inzwischen Anzeichen, dass die unnachgiebige Durchsetzung dieses umstrittenen "Nationalstaatsgesetzes" durch Netanjahus reaktionäre Rechte nicht nur innenpolitische Zwecke verfolgt, sondern Teil eines zwischen Netanjahu und USA-Präsident Trump abgesprochen Planes ist, mit dem eine angebliche "Endlösung" des Israel-Palästina-Konflikts angestrebt wird.
Innenpolitisch braucht der wegen handfester Korruptionsvorwürfe gegen ihn und seine Frau angeschlagene Regierungschef die zugespitzte Emotionalisierung um das "Nationalstaatsgesetz", um angesichts der im nächsten Jahr anstehenden Parlamentswahlen die Wähler jüdischer Abstammung mit dem Argument von der "Bedrohung" der "Juden" durch die "Araber" hinter sich zu bringen und eine Wahlniederlage gegen die von Sozialdemokraten und Liberalen gebildete "Zionistische Union" zu verhindern.
Zugleich ist Netanjahu aber bestrebt, die günstige aktuelle Situation durch die totale Unterstützung von Donald Trump sowie das "Wohlwollen" der arabischen Golf-Staaten und Ägyptens zu nutzen, um seine Expansionspläne voranzubringen und vollendete Tatsachen hinsichtlich der territorialen Grenzen des Staates Israel zu schaffen. Damit soll Israel zur Hauptdrehscheibe für das Hegemoniestreben der USA im Nahen und Mittleren Osten und für die Neubelebung der alten "Greater Middle East"-Pläne der USA gemacht werden.
Trumps "Friedensplan": Taktik der vollendeten Tatsachen
Trump hat seinen Schwiegersohn Jared Kushner als "Sonderbeauftragten für den Nahen Osten" eingesetzt und mit der Ausarbeitung eines "Friedensplanes" beauftragt. Über diesen Plan wurden bisher zwar immer wieder Gerüchte in Umlauf gebracht, sein Inhalt seit über einem Jahr aber sorgfältig geheim gehalten. Verschiedene Beobachter der Nahostszene sind mittlerweile allerdings zu der Überzeugung gelangt, dass in Wirklichkeit die stückweise Umsetzung dieses Plans mit einer "Taktik der vollendeten Tatsachen" bereits im vollen Gang ist.
US-Botschaft nach Jerusalem verlegt
Der Auftakt dafür war die Verlegung der Botschaft der USA von Israels offizieller Hauptstadt Tel Aviv nach Jerusalem. Damit wurde die bedingungslose Unterstützung der Trump-Administration für die Expansionspläne der israelischen Rechten signalisiert.
Nationalstaatsgesetz
Als zweiter Schritt folgte nun das "Nationalstaatsgesetz" mit seiner Festschreibung der Vorherrschaft des "jüdischen Volkes" im israelischen Staat. Zugleich wurde damit Jerusalem "vollständig und vereint", also sowohl West- wie das arabisch besiedelte Ost-Jerusalem offiziell zur Hauptstadt Israels erklärt und damit völkerrechtswidrig in das israelische Staatsgebiet annektiert. Bisher war Jerusalem nach den einschlägigen Bestimmungen des Völkerrechts kein Teil des Staates Israel, sondern als Sitz von drei Weltregionen eine Stadt mit besonderem internationalem Status.
Finanzsperre für das UNWRA und Vorbereitung der vollständigen Annexion der palästinensischen Gebiete
Ergänzt werden diese zwei ersten Schritte der "Salamitaktik" zur Umsetzung des Kushner-Plans nun durch die Mitteilung, da Kushner als dritten Schritt einen Angriff auf das UNO-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge UNWRA gestartet hat und fordert, ihm die Geldmittel zu streichen, die es bisher zur Betreuung der ca. fünf Millionen palästinensischer Flüchtlinge in den Flüchtlingslager im Gazastreifen und Westjordanland, in Jordanien, Syrien und dem Libanon, zum Unterhalt von Schulen und für Nahrungsmittelhilfe und Medikamente zur Verfügung hatte. Praktisch würde das die Liquidierung dieser UN-Einrichtung bedeuten.
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Das ergibt sich aus einem Bericht des renommierten USA-Magazins "Foreign Policy" vom 3. August. Demnach hatte Kushner in vom 11. Januar datierten internen E-Mails an eine Reihe anderer Mitarbeiter der US-Administration, darunter Trumps Nahostfriedensbeauftragten Jason Greenblatt geschrieben, es sei "wichtig, eine schonungslose und ernstgemeinte Anstrengung zu unternehmen, das UNWRA zu zerstören". Denn diese Einrichtung verewige den Status quo, sei korrupt und ineffizient und diene nicht dem Frieden.
Laut "Foreign Policy" sehen viele Unterstützer Israels in den USA das UNWRA als "Teil einer internationalen Infrastruktur" in, "die das Flüchtlingsproblem künstlich am Leben hält und unter den Palästinensern im Exil Hoffnungen anfacht, da sie eines Tages in ihre Heimat zuückkehren können - eine Möglichkeit, die Israel völlig ausschließt".
Offenbar meint man in der Trump-Administration, durch die Liquidierung der UNWRA-Lager das Flüchtlingsproblem beseitigen und damit die Frage ihres Rechts auf Rückkehr aus künftigen Verhandlungen über eine "Friedensregelung" ausblenden zu können.
Nächste Schritte
Es ist abzusehen, da nach Kushner-Plan diesen Schritten weitere folgen werden. Sie dürften im Namen einer "endgültigen Friedensregelung" die Eingliederung der großen Zahl der inzwischen immer weiter ausgebauten israelischen Siedlungen im Westjordanland in das israelische Staatsgebiet und damit die offene Annexion großer Teile des Westjordanlands zum Inhalt haben. Der verbleibende Rest dürfte unter der Schwindel-Bezeichnung "Autonomiegebiet" unter israelische Vormundschaft gestellt werden.
Mit dem "Nationalstaatsgesetz", das die Palästinenser und andere ethnische Minderheiten in Israel zu Einwohnern zweiter Klasse und die Menschen jüdischer Abstammung zu dominierenden Staatsbürgern macht, wird eine Art "Rechtsgleichheit" auf beiden Seiten der israelischen Grenze hergestellt. Denn auch im Westjordanland sind die Bewohner der jüdischen Siedlungen rechtlich bessergestellt als die dem Besatzungsregime unterworfenen Palästinenser. Insofern ist die Einführung der Apartheid in Israel nur eine Gleichschaltung mit der bereits seit längerem praktizierten Apartheid im Westjordanland. Mit der Apartheid in Israel wir faktisch die Annexion der Palästinensergebiete vorbereitet.
Siedlungsbau, Enteignung und Vertreibung von Palästinensern aus ihren bisherigen Wohngebieten, Apartheid, ethnische Säuberung und Annexion – das alles hat einen inneren Zusammenhang. Es entspricht der Gesamtlogik des Expansionskurses der herrschenden israelischen Rechtskreise.
txt: Georg Polikeit, redaktionell geringfügig ergänzt
Seiten in Israel und Palästina
- Palestine News Network http://german.pnn.ps/ (deutsch)
- +972 https://972mag.com (englisch)
- DFLP http://www.dflp-palestine.net/ (englisch)
- Kommunistische Partei Israels (englisch)
- http://activestills.org/ (englisch)
Artikel auf kommunisten.de
- Israels "Staat-der-Juden"-Gesetz stößt auf viel Widerstand
- Israels Rechte errichten Apartheid-Staat
- Der fotoscheue Netanjahu
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