Zehntausende Araber und Juden protestierten in Tel Aviv erneut gegen das rassistische "Nationalstaatsgesetz"
17.08.2018: Am Samstag, 11. August, demonstrierten zehntausende Israelis - Jüd*innen und Araber*innen in Tel Aviv gegen das neue "Nationalstaatsgesetz". Die Internetplattform der Kommunistischen Partei Israels (CPI) hat nachfolgende Darstellung der zweiten großen Protestdemonstration mit zehntausenden Teilnehmern gegen das "Nationalstaatsgesetz" innerhalb einer Woche veröffentlicht:
Zum zweiten Mal innerhalb von acht Tagen versammelten sich zehntausende Araber und Juden am Samstag, den 11. August, auf dem Rabin-Platz in Tel Aviv zum massenhaften Protest gegen das unlängst verabschiedete rassistische "Nationalstaatsgesetz". Die Menge demonstrierte vom Rabin-Platz zum Tel-Aviv-Museum mit Transparenten in Hebräisch und Arabisch, die zu Gleichheit, Annullierung des Gesetzes und Demokratie aufriefen. "Nein, nein, das faschistische (Gesetz) kommt nicht durch", riefen sie, ebenso "Bibi, Bibi, tritt zurück, wir wollen dich nicht mehr!" und "Wir sind alle Brüder". "Juden und Araber weigern sich, Feinde zu sein" war ebenfalls in der Menge zu hören.
Das Hohe Arabische Vertretungskomitee, eine NGO-Dachorganisation, die die arabisch-palästinensische Gemeinschaft in der politischen Sphäre repräsentiert, organisierte den Protest. Es stellte rund 300 Busse für das Ereignis aus Städten wie Haifa und Nazareth, arabisch-drusischen Dörfern nahe der Grenze zum Libanon und arabisch-beduinischen Ortschaften in der Negev. "Busse voll Araber kommen in Scharen", sagten ihre Anführer ironisch einen Ausspruch von Premier Benjamin Netanjahu verspottend, der sich am letzten Wahltag über "in Scharen zur Wahl gehende Araber" erregt hatte.
zum Thema Israels "Staat-der-Juden"-Gesetz stößt auf viel Widerstand |
Dutzende von Organisationen unterstützten die Demonstration, darunter Hadash-Communist Party of Israel, Meretz (Linkssozialisten), Ta’al (arabische Bewegung für Erneuerung), Vereinigung äthiopischer Juden, Peace Now (Frieden jetzt!), "Israel Religious Action Center (Israelisches Religiöses Aktionszentrum), Standing Together ("Zusammenstehen"), Sikkuy, die "Koalition gegen Rassismus in Israel", das Mossawa Center, die Labor-Party-Jugend, die Vereinigung für Bürgerrechte in Israel, Zazim-Gemeinschaft Aktion, das Negev Koexistenz-Forum für staatsbürgerliche Gleichheit, Kulan, Socialist Struggle ("Sozialistischer Kampf"), der New Israel Fund and Shatil, Givat Haviva, Gush Shalom, Koah La’Ovdim Worker’s Union, "Physiker für Menschenrechte", Injaz Center, Emek Shave, Yseh Din, "Kämpfer für den Frieden", israelisch-palästinensischer Elternkreis, Amnesty und Wahat al-Salam – Neve Shalom.
Unter den Rednern bei der Demonstration waren der frühere Hadash-Abgeordnete und führende Aktivist der Kommunistischen Partei Mohammed Barakeh, Vorsitzender des High Follow-up Committee for Arab Affairs (Foto oben), Mazen Ganaim, Bürgermeister von Sakhnin und Vorsitzender des Nationalrats der Führer arabischer Gemeinden, die renommierte Soziologie-Professorin Eva Illouz, der Herausgeber der Tageszeitung "Haaretz", Amos Schocken und der Historiker Prof. Kais Firro.
"Die Massen, die heute auf der Straße waren, beweisen, |
Barakeh wünschte dem Friedensaktivisten Uri Avneri, der letzte Woche einen Schlaganfall erlitten hat, rasche Wiederherstellung. "Freunde, ihr wisst, dass nicht alle Araber hier dasselbe denken. Noch tun das alle Juden. Aber alle Araber und alle Juden kamen hierher in Scharen, um zu protestieren", sagte er. "Es wird keine zweite Nakba (Tag der Katastrophe, Tag der Vertreibung vieler Palästinenser aus Israel nach der Staatsgründung) geben", betonte er, "wir bleiben hier". Er endete mit dem Satz: "We shall overcome" ("Wir werden siegen"). Barakeh sagte der Menge, sie solle "dieser Abscheulichkeit ein Ende machen und den Schandfleck beseitigen, den Netanjahu und seine Regierung 'Nationalstaatsgesetz‘ genannt hat".
Prof. Illouz brach bei Beginn ihrer Rede in Tränen aus, als sie sich an die Aufnahme erinnerte, die sie als eine jüdisch-marokkanische Emigrantin in Frankreich fand, als sie noch ein Kind war. "Gleichheit ist kein abstrakter Begriff", sagte sie. "Wenn du gleichbehandelt wirst, hast du keine Angst. Du lebst mit einem Gefühl der Selbstachtung. Gleichheit baut den Menschen von innen auf und die Gesellschaft von außen".
Der Vorsitzende der "Vereinten Liste", der Knesset-Abgeordnete Ayman Odeh (Hadash), sagte der Ynet-Homepage vor dem Protest, dass "tausende Araber und Juden auf dem Weg nach Tel Aviv sind mit einer demokratischen und ethischen Botschaft gegen das Nationalstaatsgesetz". Ein demokratischer Staat müsse "ein Staat für alle seine Bürger sein". Der Hadash-Abgeordnete Yousef Jabareen ("Vereinte Liste") nannte es "die wichtigste Protestaktion in Tel Aviv für das arabische Publikum seit vielen Jahren".
Der ehemalige Hadash-Abgeordnete Issam Makhoul, Mitglied des Politischen Büros der Kommunistischen Partei, betonte die Bedeutung der Demonstration: "Dies ist eine der wichtigsten Demonstrationen, eine, die eine Alternative zur gegenwärtigen Art des Denkens in Israel verlangt – jene Denkungsart, die gefährlich für beide Nationen ist, die den arabischen Teil zu delegitimieren versucht". "Wir sind Teil der Landschaft in diesem Land. Unsere Staatsbürgerschaft ergibt sich aus unserem Zugehörigkeitsgefühl zu unserer Heimat, und wir werden nicht zulassen, dass irgendjemand unseren Status verletzt, nicht unseren nationalen Status und nicht unseren Bürgerstatus".
Alle Mitglieder der Parlamentsfraktionen der "Vereinten Liste" und von Meretz nahmen an der Demonstration teil. Doch die Abgeordneten Micky Rosenthal und Zuhair Bahalul waren die einzigen zwei Mitglieder der Zionistischen Union (Wahlbündnis der Sozialdemokratischen Partei mit den Liberalen), die am Protest teilnahmen. Während die neue Oppositionsführerin Tzipi Livni von der Zionistischen Union im Armee-Radio sagte, dass sie nicht an der Demonstration teilnehmen werde, weil "einige Mitglieder der Vereinten Arabischen Liste nicht ihre Sicht auf Israel als Nationalstaat der Juden teilen".
Am Dienstag rief der Rat der Griechisch-Orthodoxen Kirche in Israel seine Mitglieder dazu auf, am Protest am Samstag teilzunehmen mit der Erklärung, dass das "Nationalstaatsgesetz" die historische Präsenz der arabischen Minderheit in Israel leugnet und ihre Rechte schwer verletzt und zugleich die christlichen und moslemischen heiligen Stätten gefährdet. Das Lateinische Patriarchat (der römisch-katholischen Kirche in Jerusalem) rief "alle Bürger des Staates Israel, die noch an das Grundkonzept von Gleichheit glauben", dazu auf, "ihre Opposition zu diesem Gesetz und die damit verbundenen Gefahren für die Zukunft dieses Landes zum Ausdruck zu bringen".
Fotos: Activestills, Hadash
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