03.09.2021: Mikis Theodorakis ist tot, im Alter von 96 Jahren am 2. September verstorben. ″Ich möchte als Kommunist sterben″, schrieb er im Oktober vergangenen Jahres in seinem letzten Brief an die Kommunistische Partei Griechenlands KKE.
Mikis Theodorakis bleibt ein Symbol des Kampfes für Freiheit, Demokratie und soziale Gerechtigkeit sowie eine lebendige Erinnerung an den Kampf gegen Unterdrückung und Verzweiflung sowie an den Widerstand.
Er wurde in seinem Leben mehrfach verhaftet und gefoltert. Schon als Jugendlicher kämpfte er in den Reihen der Griechischen Volksbefreiungsarmee ELAS gegen die deutsche Besetzung Griechenlands. Mit 18 Jahren wurde er erstmals inhaftiert und gefoltert.
Als kommunistischer Kämpfer wurde Theodorakis im Juli 1947 während des Bürgerkriegs erneut verhaftet und mehrfach verbannt, im Dezember 1948 auf die Lager-Insel Makronisos, wo er brutal gefoltert wurde. Nur die Musik, die er in seinem Kopf komponierte und spielte, hielt ihn am Leben.
Nach der Freilassung ging er nach Paris, wo er Musik studierte. Schon 1957 erhielt er für seine Kompositionen ersten Auszeichnungen.
1960 kehrte er nach Athen zurück, wo er als Komponist und Politiker wirkte, u.a. als Gründer und Vorsitzender der Lambrakis-Jugend. Es handelte sich um die Jugendorganisation der Vereinigten Linkspartei (EDA), die nach dem Verbot der Kommunisten gegründet worden war. Sie wurde nach dem linken Abgeordneten benannt, der 1963 von der herrschenden Rechten auf grausame Weise ermordet wurde. Es ist die Geschichte von Z, dem Roman von Vassilikos, der später von Costa Gavras verfilmt wurde, Theodorakis komponierte die Musik zu dem Film. Zur gleichen Zeit war er mit der EDA ins Parlament eingezogen.
1967 wurde er nach dem Putsch der Militärjunta erneut inhaftiert und gefoltert. Die Obristen verbieten seine Lieder, auf den Verkauf einer Platte stehen vier Jahre Gefängnis.
Im April 1970 wurde der an Tuberkolose erkrankte Theodorakis überraschend freigelassen und emigirierte nach Frankreich. Eine breite internationale Solidaritätsbewegung forderte seine Freiheit. Musikalische Größen wie Dmitri Schostakowitsch, Leonard Bernstein und Harry Belafonte setzten sich damals für seine Freilassung ein, Pablo Neruda übergab ihm eine Einladung nach Chile, Salvador Allende empfing ihn später höchstpersönlich.
Franz Josef Degenhardt: Für Mikis Theodorakis (1968) |
Nach dem Sturz der Diktatur im Jahr 1974 kehrte er als Held und politischer Gigant nach Griechenland zurück. Das erste öffentliche Konzert, das Mikis Theodorakis nach der Rückkehr aus dem französischen Exil am 10. Oktober 1974 im Karaiskakis-Stadion, am Stadtrand von Athen und in der Nähe des Hafens Piräus, vor rund 40.000 Menschen gab, wurde ein sensationeller Erfolg. Emphatisch begrüßte das Publikum den Komponisten und Dirigenten, konnte es doch – nach den Jahren der Diktatur – jetzt offen "seine" Volkslieder mitsingen, die ihm im kulturellen Widerstand gegen die Herrschaft der Junta so kraftvoll nützlich geworden waren.
Ausschnitte aus dem Konzert im Karaiskakis Stadion Athen (1974) |
1978 war er Kandidat der Kommunisten für das Amt des Bürgermeisters in Athen, 1981 und 1985 wurde er als Kandidat der KKE ins Parlament gewählt. Theodorakis half dabei, eine große Koalition zwischen Konservativen, Sozialisten und Linken zu bilden, in der erstmals die kommunistische Partei KKE wieder an der Regierung beteiligt wurde. 1990 wurde er sogar als Minister ohne Geschäftsbereich in eine von den Konservativen geführte Regierung berufen, wo er sich für Bildungs- und Kulturreformen und für die Versöhnung zwischen Griech*innen und Türk*innen einsetzte.
Theodorakis blieb sein ganzes Leben lang politisch aktiv. Er protestierte gegen die Nato-Bombardierungen in Jugoslawien, gegen die US-Regierung unter George W. Bush und den Irakkrieg. In den 2010er Jahren schloss er sich den Protesten gegen die von der Troika diktierten Sparmaßnahmen und die neofaschistische "Goldene Morgenröte" an.
Mikis Theodorakis mit Manolis Glezos, der 1941 die Nazi-Flagge von der Akropolis gerissen hat und ebenfalls bis zu seinem Tod politisch aktiv war. |
Bis ins hohe Alter hinein, in den letzten Jahren im Rollstuhl sitzend, nahm Theodorakis an Demonstrationen teil, initiierte Bürgerbewegungen und schrieb öffentliche Erklärungen zu aktuellen politischen Anlässen – immer unter der Prämisse der Völkerverständigung und der Wahrung des Friedens.
Umso mehr stieß sein Auftreten als Redner bei einer Kundgebung der griechischen Nationalisten im Jahr 2018 auf Unverständnis und Empörung bei der Linken. Vor 300.000 nationalistischen Demonstrant*innen wandte sich Theodorakis gegen die Umbenennung Mazedoniens in Republik Nord-Mazedonien. Er befürchtete einen "irreparablen Schaden" für Griechenland. Ihn mit 94 Jahren in einem Rollstuhl auf der Bühne sitzen zu sehen, umgeben von fanatischen Ultranationalisten, Nostalgikern der Obristendiktatur und Priestern, machte traurig. (zum Thema siehe kommunisten.de: "Athener Parlament billigt Mazedonien-Abkommen")
″Ich möchte als Kommunist sterben″, schrieb Mikis Theodorakis im Oktober vergangenen Jahres in seinem letzten Brief an die Kommunistische Partei Griechenlands KKE. |
Einem breiten internationalen Publikum bleibt Mikis Theodorakis durch seine phantastischen musikalischen Beiträge in Erinnerung, seine vielfältigen Kompositionen und Volkslieder. Sein musikalisches Werk ist ein Kampf gegen Ungerechtigkeit und Defätismus, ein Aufruf zum Widerstand und zum Ringen um eine bessere Welt. ″Der Künstler, der im Kampf lebt und schafft, sichert seinem Werk einen besonderen Platz″, erklärte er.
Mit der Titelmelodie zum Film "Alexis Sorbas" wurde Theodorakis 1964 auf einen Schlag weltbekannt. Bis heute gilt der Titelsong von "Alexis Sorbas" als heimliche griechische Nationalhymne. |
Zu den beeindruckendsten Werken zählen zweifellos die großartige Vertonung des ″Canto General″ nach Versen von Pablo Neruda, die nach dem Putsch gegen Allende im September 1973 zu einer Hymne des chilenischen Widerstands wurde sowie die ″Mauthausen Kantate″.
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Mikis Theodorakis ist als Kommunist, Kämpfer und Musiker gestorben. Und so wird er uns in Erinnerung bleiben.