22.03.2018: Kurd*innen protestieren vor SPD-Büro gegen Krieg in Afrin ++ SPD erstattete Strafanzeige wegen Hausfriedensbruch ++ Rüstungsexporte in die Türkei gingen auch nach Überfall auf Nordsyrien weiter ++ Ex-Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) mahnt seinen Nachfolger Heiko Maas (SPD), diese Politik fortzusetzen ++ Merkel kritisiert halbherzig den Überfall auf Afrin ++ EU: drei Milliarden für Erdogan ++ Anlage: Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages zum Angriff der Türkei auf Nordsyrien/Afrin
München: Protest vor SPD-Büro gegen Besetzung von Afrin
Etwa 20 Aktivisten des "Bündnis Hände weg von Afrin" gingen m Dienstag (20.3.) zur bayerischen SPD-Zentrale in München. Sie wollten die SPD und Abgeordnete der SPD dazu bewegen, gegen den völkerrechtswidrigen Krieg der Türkei und die Besetzung von Afrin in Nordsyrien durch türkisches Militär und islamistischen Söldner Stellung zu beziehen.
SPD erstattete Strafanzeige wegen Hausfriedensbruch
Nachdem drei Vertreter der Gruppe zu einem Gespräch bleiben durften, verließen die übrigen das Gebäude. Die SPD stellte nach Polizeiangaben jedoch Anzeige wegen Hausfriedensbruchs, vor dem Haus wurden die Demonstrant*innen deshalb von einem großen Polizeiaufgebot festgesetzt. Mehr als 50 Polizisten, darunter USK-Beamte und Staatsschützer, waren im Einsatz. Die Aktivisten skandierten "Deutsche Panzer raus aus Kurdistan" und zeigten eine Fahne der Volksverteidigungseinheiten YPG. Die Polizei setzte die AktivistInnen zur erkennungsdienstliche Behandlung stundenlang fest.
Der Bayerische Rundfunk berichtete: "Weil die SPD Anzeige wegen Hausfriedensbruchs erstattete, wurden nach Angaben eines Polizeisprechers vor dem Gebäude die Identitäten von 17 Aktivisten festgestellt. Sie wurden angezeigt, ein Teilnehmer zusätzlich wegen Zeigens einer YPG-Fahne. Gegen 18 Uhr war der Polizeieinsatz beendet."
Kumpanei mit Erdogan und seinen Dschihadisten
Am Tag darauf war Ex-Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) in Berlin beim Frühjahrsempfang der "Deutsch-Türkischen Gesellschaft" zu Gast. Dort verteidigte er seine Türkei-Politik. Der Tagesspiegel schreibt: »Und Gabriel nutzt den Termin zu einer Art Vermächtnis und Mahnung an die neue Regierung - und seinen Nachfolger Heiko Maas? Der Tenor: Vorsicht! Gerade hat Vorredner Andres die "widerlichen Bilder" aus dem syrischen Afrin beschworen, das türkische Truppen gerade erobert haben, und berichtet, dass die Verständigung mit Erdogans Türkei "in den letzten zwei, drei, vier Jahren immer schwieriger" geworden sei. Man müsse, sagt Gabriel und wendet sich an den Parteifreund, nicht still sein, sich aber auch immer wieder um den Dialog bemühen, "nicht mit dem Finger aufeinander zeigen" und auch "nicht unterschiedliche Standards anlegen". Da gebe es schließlich Partnerländer, deren Menschenrechtsbilanz noch weitaus mieser sei als die der Türkei - auch wenn er die natürlich nicht verteidigen wolle."
Rüstungsexporte in die Türkei gehen weiter
Ex-Außenminister Sigmar Gabriel hatte im Februar mehrfach versichert, dass seit Beginn des Angriffs auf Syrien ein kompletter Exportstopp für alle Rüstungsgüter in die Türkei gelte. "Wir haben keinerlei Rüstungsgüter geliefert wegen der Auseinandersetzung im Norden Syriens. Das ist in Deutschland verboten, selbst einem NATO-Partner wie der Türkei Rüstungsgüter zu liefern", sagte er in den ARD-»Tagesthemen« am 16. Februar, dem Tag der Freilassung des Journalisten Deniz Yücel aus türkischer Haft.
Leopard-Panzer vor dem Rathaus von Afrin |
Doch auf eine Anfrage des Grünen-Abgeordneten Omid Nouripour stellte sich heraus, dass Gabriel gelogen hatte. In den ersten fünfeinhalb Wochen des türkischen Angriffskrieges »Olivenzweig« gegen Nordsyrien/Afrin wurden 20 Exportgenehmigungen für deutsche Rüstungsgüter im Wert von 4,4 Millionen Euro erteilt. Das ist sogar deutlich mehr als der Durchschnittswert des Vorjahres für einen solchen Zeitraum (14 Genehmigungen im Wert von 3,6 Millionen Euro).
Dabei hätte Deutschland, bzw. Europa das Massaker verhindern können, indem sie der Türkei sofort den Waffen- und Geldhahn zudrehen. Die Begründung lieferte der wissenschaftliche Dienst des Bundestages, als er feststellte, dass für das von der Türkei postulierte Recht zur Selbstverteidigung in Syrien Beweise fehlen. In dem Gutachten (Anlage) wird die Verantwortung der NATO heraus gestellt, so heißt es, den Nato-Bündnispartnern obliege es, die Türkei aufzufordern, triftige Beweise für das Vorliegen einer Selbstverteidigungslage vorzulegen und von einer Weiterverfolgung ihrer militärstrategischen Ziele in Nordsyrien Abstand zu nehmen. "In diesem Zusammenhang könnte die Türkei an ihre Verpflichtung aus Art. 1 NATO-Vertrag erinnert werden, sich in ihren internationalen Beziehungen jeder Gewaltanwendung zu enthalten, die mit den Zielen der Vereinten Nationen nicht vereinbar sind."
Dass dies nicht geschehen ist, sondern der Türkei und deren dschihadistischen Verbündeten sogar Waffen geliefert worden sind, verweist auf die enge Kumpanei mit der Diktaur Erdogans.
Merkel kritisiert halbherzig den Überfall auf Afrin
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat in ihrer Regierungserklärung am Mittwoch (21.3.) den Krieg der Türkei in Syrien erstmals kritisiert. "Wir verurteilen das auf das Schärfste", sagte sie im Bundestag unter Bezug auf die Situation in Afrin, "wo Tausende von Zivilisten verfolgt sind, zu Tode kommen oder flüchten müssen".
"Wir haben sie ja für Tage wie heute gekauft ... Wann sollten wir sie denn sonst einsetzen?" |
Rainer Breul, Sprecher des SPD-geführten Außenministeriums, erklärte, dass die Türkei "gerechtfertigte Sicherheitsinteressen" bezüglich ihrer Grenzen habe, aber die Aktionen Ankaras sollten innerhalb dessen bleiben "was notwendig und proportional" sei. Daran gebe es Zweifel, so dass die Bundesregierung eine Untersuchung der Massaker und Plünderungen in Afrin fordere.
Jetzt, nachdem Afrin von den türkischen Truppen und ihren Söldner besetzt ist und die islamistischen Invasoren morden, foltern und plündern, wacht die Bundesregierung auf, ist "besorgt", "verurteilt auf das Schärfste" und fordert eine Untersuchung der Gräueltaten.
EU: drei Milliarden für Erdogan
Die Bundesregierung hat so lange gewartet, bis Erdogan Fakten gesetzt hat. Dabei könnte sie auch jetzt noch einen Riegel vorschieben, in dem sie am kommenden Montag (26.3.), beim Treffen von EU-Spitzenvertretern mit Erdoğan im bulgarischen Warna die Auszahlung von drei Milliarden Euro an Ankara blockiert. Die EU-Kommission will nämlich im Rahmen des Flüchtlingsdeals mit der Türkei eine neue Tranche in Höhe von drei Milliarden Euo bereitstellen. Denn Erdogan hat mit seinem Angriff auf Afrin Hunderttausende in die Flucht getrieben, jetzt soll er zumindest verhindern, dass diese Flüchtlinge nach Europa kommen.
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