24.02.2020: In Berlin ist gestern der Mietendeckel in Kraft getreten ++ in Bayern hat das Volksbegehren »Mietstopp« die erste Hürde genommen ++ jetzt prüft bayerisches Innenministerium die Zulässigkeit
Gestern (23.2.) ist in Berlin der Mietendeckel in Kraft getreten. Doch die Auseinandersetzung ist längst nicht zu Ende. So wollen Wohnungsunternehmen, AfD, CDU und FDP vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das Gesetz klagen. Die AfD beklagt, dass der Mietendeckel "das Vertrauen potentieller Wohnungsbauinvestoren … zerstört" und einen "unverhältnismäßigen Eingriff in das Eigentumsrecht" der betroffenen Vermieter darstelle. CDU und FDP behaupten, dass die Bundesländer keine Kompetenz zur Regulierung der Mieten hätten, denn das Miet- und Mietpreisrecht sei ein alleinige Angelegenheit des Bundes und "umfassend und abschließend" im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt.
Doch auch weiter südlich, in Bayern, steht das Thema »Mietenwahnsinn« auf der politischen Tagesordnung. Denn auch in den bayerischen Städten werden Mieter*innen durch Wahnsinnsmieten vertrieben, herrscht großer Wohnungsmangel.
Ein Gesetz wie in Berlin ist angesichts der hier herrschenden politischen Mehrheitsverhältnisse so nicht zu erwarten. Aber es ist ein Volksbegehren "Mietenstopp"( https://mietenstopp.de/) auf den Weg gebracht worden. Initiiert wurde ein Bündnis von Mieterverein München, DMB Bayern, der bayerischen SPD, dem Bündnis #ausspekuliert, der Partei DIE LINKE und dem DGB München; unterstützt von Grünen, mut, VdK und vielen anderen.
Das Volksbegehren »Sechs Jahre Mietenstopp« hat locker die erste Hürde genommen, rund 52.000 Menschen haben unterschrieben. Damit wurde die notwendige Zahl von 25.000 Stimmen weit überschritten.
»Jeder Bewohner Bayerns hat Anspruch auf eine angemessene Wohnung.«
Bayerische Verfassung
Im Gesetzentwurf, der durch einen Volksentscheid rechtsgültig werden soll, heißt es: "Die Mieten- und Wohnraumfrage ist die soziale Frage unserer Zeit. Das vorliegende Gesetz bezweckt, die dramatische Preisentwicklung am Mietenmarkt in Bayern einzudämmen. Anders als das Grundgesetz enthält die Verfassung des Freistaates Bayern einen Anspruch auf eine angemessene Wohnung. Wörtlich heißt es: »Jeder Bewohner Bayerns hat Anspruch auf eine angemessene Wohnung.« Dieses Verfassungsversprechen ist auf Konkretisierung durch Gesetz zwingend angewiesen." (Gesetzentwurf anschauen)
Ziel des Volksbegehrens ist, dass die Mieten in München und anderen bayerischen Städten für sechs Jahre eingefroren werden.
Zweites zentrales Anliegen des Volksbegehrens neben dem Mietenstopp ist, dass bei Wiedervermietungen und nach Modernisierungen künftig höchstens die ortsübliche Vergleichsmiete verlangt werden darf. Neubauten ab 2017 sollen ausgenommen sein um den Wohnungsbau nicht zu bremsen. Vermieter wiederum, die bislang sehr wenig Geld verlangen, sollen ihre Mieten auch während der Sechs-Jahres-Frist auf bis zu 80 Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete erhöhen dürfen.
Das bayerische Volksbegehren „Mietenstopp“ fordert im Kern, dass
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Jetzt prüft Bayerns Innenministerium, ob das Thema des Volksbegehrens zulässig ist. Der Justizminister machte allerdings schon deutlich, dass sein Herz für die Miethaie schlägt und er das Volksbegehren deshalb für verfassungswidrig hält: "Ein Landesgesetz, das die Mieten für Wohnungen auf dem freien Markt für sechs Jahre einfriert, ist verfassungswidrig. Denn die Gesetzgebungskompetenz liegt beim Bund und nicht bei den Ländern", teilte Justizminister Georg Eisenreich (CSU) mit.
Da ist der Verfassungsrechtler Franz Mayer anderer Meinung. "An der fehlenden Landeskompetenz wird der Mietenstopp nicht scheitern", sagt der Juraprofessor an der Uni Bielefeld, der mit seinem Kollegen Markus Artz den Gesetzestext ausgearbeitet hat. Das Grundgesetz stehe dem nicht entgegen. Überdies sei es Sinn und Zweck des Föderalismus, "regionale Angelegenheiten angemessen zu regeln". Die Mietpreise in Bayern rechtfertigten ein Eingreifen per Landesgesetz, meinen die beiden Juristen.
Unterstützung erhalten die bayerischen Mietstopper*innen durch ein Rechtsgutachten, das Thorsten Kingreen, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Regensburg, für die Linksfraktion im Bundestag angefertigt hat. Dabei geht es um Verfassungsmäßigkeit des Mietendeckels in Berlin.
Für Kingreen ist die Sache klar: "Mit der Föderalismusreform 2006 ist die Gesetzgebungskompetenz für das Wohnungswesen zweifelsfrei auf die Länder übergegangen". Und dies schließe auch das Recht auf Mietpreisbegrenzungen ein. Ein Nebeneinander öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Mietbegrenzungen sei keine konkurrierende Gesetzgebung, sondern "regulatorischer Normalzustand", der auch in verwandten Rechtsgebieten wie dem Baurecht zum Tragen komme. Durch den Berliner Mietendeckel würden Mietverträge, die auf Grundlage des BGB-Rechts geschlossen und angewendet wurden auch nicht "ausgehebelt", sondern lediglich "mit öffentlich-rechtlichen Leitplanken versehen". Und sogar im Mietrecht habe der Bund den Ländern weitreichende eigene Regulierungskompetenzen eingeräumt. So obliegt ihnen die Anwendung der bundesrechtlichen "Mietpreisbremse" bei Neuvermietungen und eine Absenkung der Kappungsgrenzen bei Mieterhöhungen in Regionen mit angespannten Wohnungsmärkten. Daher sei das auch in einigen Gutachten formulierte Argument, das Mietrecht sei durch das BGB abschließend geregelt, nicht nachvollziehbar, so Kingreen.
Und was für Berlin gilt, das gelte auch für Bayern, meint Franz Mayer.
Lässt das Innenministerium das Volksbegehren zu, müssen sich in einer zweiten Phase binnen zwei Wochen zehn Prozent der bayerischen Wahlbevölkerung in den Rathäusern eintragen – etwa eine Million Menschen. Sollte das Innenministerium Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit haben, muss das Verfassungsgericht binnen drei Monaten entscheiden. Wenn das Volksbegehren für zulässig erklärt wird, folgt dann die zweite Phase.
Ist auch diese Hürde genommen, entscheidet der Landtag über den Gesetzesentwurf. Er kann ihn unverändert übernehmen oder es kommt zum Volksentscheid. Dann stimmt die Bevölkerung ab, ob der Gesetzentwurf in Kraft treten soll. Der Landtag könnte aber auch einen eigenen Entwurf zum Thema auf den Weg bringen.
Auf jeden Fall wird das Thema bei der bevorstehenden Kommunalwahl am 15. März eine Rolle spielen. "Das ist ein klares Zeichen. Die Menschen in Bayern wollen den Mietenstopp. Wohnen muss wieder bezahlbar sein und zwar für alle, die in Bayern leben. Weder das Berliner Gesetz noch ein erfolgreiches Volksbegehren »Mietenstopp« in Bayern lösen das Wohnungsproblem grundsätzlich, aber sie halten das Miet- und Wohnungsproblem in der Öffentlichkeit. Die Unterschriftensammlung für das Volksbegehren kann Menschen aktivieren, gerade auch solche, die bis dato weder politisch organisiert, noch jemals öffentlich-politisch aktiv geworden sind. Initiativen wie das Volksbegehren Mietenstopp können politisches Denken und Handeln befördern", sagt Marina Dietweger, Stadtratskandidatin für DIE LINKE.München und langjähriges Aufsichtsratsmitglied einer sozial-ökologischen Wohnungsbaugenossenschaft.
Infos:
Foto oben, Quelle : https://www.facebook.com/Mietenstopp/
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