13.11.2023 | aktualisiert 15.11.2023: Demonstranten auf der ganzen Welt verurteilen den Völkermord an den Palästinensern im Gazastreifen und fordern einen sofortigen Waffenstillstand.++ Israel droht Libanon mit Zerstörung von Beirut ++ Ministerpräsident von Kerala (Indien): "Israel ist eines der größten Terroristenländer"
Während der israelische Kriegsminister Yoav Gallant einen Vernichtungskrieg gegen die "menschlichen Tiere" im Gazastreifen führt und dem Libanon droht, dass "das Schicksal Beiruts wie das Schicksal Gazas sein könnte"[1], steigt die Zahl der Opfer im Gazastreifen auf über 11.100, davon mehr als 8.000 Kinder und Frauen.
Doch die Kritik an der israelischen Regierung wächst.
Führende Politiker in Europa und den USA haben die Zahl der Toten im Gazastreifen kritisiert, insbesondere der französische Präsident Emmanuel Macron, der sagte, die Bombardierung müsse aufhören, und einen Waffenstillstand forderte.
Der irische Premierminister Leo Varadkar rief ebenfalls zu einem Waffenstillstand auf. "Israel hat das Recht, sich zu verteidigen, hat das Recht, gegen die Hamas vorzugehen, damit sie so etwas nicht noch einmal tun kann. Aber was ich im Moment sehe, ist nicht nur Selbstverteidigung. Es sieht eher aus wie eine Racheaktion", sagte er. Kollektive Bestrafung sei ein Verstoß gegen das Völkerrecht, und Israels Reaktion auf das Massaker vom 7. Oktober gehe über Selbstverteidigung hinaus, so Varadkar.
Papst Franziskus hat dazu aufgerufen, die Kämpfe zwischen Israel und der Hamas zu beenden. "Mögen die Waffen schweigen, sie werden niemals Frieden bringen, und möge sich der Konflikt nicht ausweiten. Genug, genug Brüder, genug!", sagte Papst Franziskus am Sonntag bei einem Gebet im Vatikan.
Die Biden-Regierung fängt an zu manöverieren. Das Weiße Haus drängte Netanjahu zu einer "begrenzten Feuerpause aus humanitären Gründen". Gleichzeitig erklärte der US-Außenminister Antony Blinken, dass der Gazastreifen nicht wieder von Israel besetzt werden dürfe und dass Palästinenser, die aus Gaza-Stadt geflohen sind, zurückkehren dürfen sollten. Biden steht unter einem wachsenden Druck aus den eigenen Reihen, einer wachsenden Solidaritätsbewegung mit Palästina, und die USA brauchen auch arabische Partner, selbst wenn Israel ihr engster Verbündeter im Nahen Osten ist.
In einem in der südafrikanischen Sunday Times veröffentlichten Meinungsbeitrag sagt die südafrikanische Außenministerin Naledi Pandor, sie erwarte, dass der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) einen Haftbefehl gegen den israelischen Premierminister erlässt. "Wir fordern den Ankläger [des IStGH] auf, die Ermittlungen zu beschleunigen und Verstöße gegen drei der vier Verbrechen zu untersuchen, für die der IStGH zuständig ist: Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord", schrieb Pandor.
In Tel Aviv haben am Samstag Tausende die Freilassung der von der Hamas festgehaltenen Gefangenen gefordert. In Städten auf der ganzen Welt, darunter New York, London, Paris, Bagdad, Karatschi, Berlin und Edinburgh, fanden große Demonstrationen statt, bei denen ein sofortiger Waffenstillstand im Gazastreifen gefordert wurde.
Ministerpräsident von Kerala (Indien): "Israel ist eines der größten Terroristenländer"
Der Ministerpräsident von Kerala, Pinarayi Vijayan, sprach auf einer Kundgebung in der Stadt Kozhikode, die von seiner Kommunistischen Partei Indiens (Marxisten) organisiert wurde und an der zehntausende Menschen aus allen politischen Richtungen teilnahmen.
Die Kundgebung am 11. November war dem 19. Todestag des Führers der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), Jassir Arafat, gewidmet, einer Ikone des Widerstands gegen die jahrzehntelange israelische Besetzung der Palästinensergebiete.
In seiner Rede griff Vijayan Israel und die Unterstützung des indischen Premierministers Narendra Modi für das rechtsextreme zionistische Regime des Landes scharf an.
"Indien ist der größte Abnehmer von in Israel hergestellten Waffen. Das Geld der indischen Steuerzahler sollte nicht für die Tötung unschuldiger palästinensischer Kinder verwendet werden. Deshalb sollte Indien alle militärischen Verträge mit Israel aufkündigen und die diplomatischen Beziehungen zu diesem Land abbrechen", sagte er.
"Israel ist eines der größten Terroristenländer. Die Entscheidung der indischen Regierung, sich bei einer UN-Abstimmung, die einen Waffenstillstand im Gazastreifen forderte, der Stimme zu enthalten, war beschämend. Die 'zionistische' Voreingenommenheit der derzeitigen indischen Machthaber war keine Überraschung", fügte er hinzu.
Tel.Aviv: Tausende fordern die Freilassung von Gefangenen
Tausende von Menschen haben in Tel Aviv die Freilassung von israelischen und ausländischen Gefangenen gefordert, die von der Hamas im Gazastreifen festgehalten werden, und die israelische Regierung für ihren Umgang mit der Krise kritisiert.
Viele der Demonstranten am Samstag waren Freunde und Familienangehörige der Gefangenen und forderten deren sofortige Rückkehr.
Sie fordern den Rücktritt Netanyahus, nennen ihn Verräter und Mörder, schreien, das Blut ihrer Kinder klebe an seinen Händen. Die meisten fordern das Ende der Bombardierungen und dass die Befreiung der Geiseln endlich zur obersten Priorität erklärt wird.
"Herr Premierminister, Kabinettsmitglieder, sprechen Sie mit mir nicht über die Eroberung, sprechen Sie mit mir nicht darüber, den Gazastreifen platt zu machen. Reden Sie überhaupt nicht. Handeln Sie einfach ... bringen Sie sie jetzt nach Hause", rief Noam Perry, dessen Vater aus der Stadt Nir Oz entführt wurde, der Menge bei der Demonstration zu, wie die israelische Zeitung Haaretz berichtete.
Einige hundert linke israelische Aktivisten, sowohl arabische als auch jüdische, haben in der Nähe des Verteidigungsministeriums in Tel Aviv eine separate Demonstration abgehalten, bei der sie trotz der anhaltenden Repression gegen Anti-Kriegs-Stimmen und Protesten einen Waffenstillstand forderten.
Brüssel: Gaza kann nicht länger warten!
60.000 Menschen waren am Samstag für den dringenden Appell "Gaza kann nicht länger warten! auf den Straßen der belgischen Hauptstadt. "Ein Marsch für Palästina in einem Ausmaß, wie wir es seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen haben. Dutzende von Organisationen sind dabei: FGTB und CSC, ABP, palästinensische Organisationen, CNCD-11.11.11, UPJB, Een andere joodse stem, Intal, Viva Salud, Vrede", heißt es von der Partei der Arbeit. "Wir brauchen einen sofortigen Waffenstillstand. Während Sie dies lesen, stirbt dort alle zehn Minuten ein Kind. Das Töten muss aufhören, und es ist an der Zeit, Israels Straflosigkeit zu beenden.
Wir lassen nicht locker. #FreePalestine"
Die größte in Europa: 800.000 in London für Palästina
Ob es die 300.000 Menschen der vorsichtigen Polizeischätzungen waren oder die über 800.000, wie die Organisatoren angeben, so viele Menschen waren seit der Demonstration gegen die Invasion des Irak im Februar 2003 nicht mehr in London auf die Straße gegangen.
Video: Demonstration in London
https://twitter.com/MiddleEastEye/status/1723401312954384390
Die von der Palestine Solidarity Campaign, Friends of Al-Aqsa, Stop the War Coalition, Muslim Association of Britain, Palestinian Forum in Britain und Veteranen der Campaign for Nuclear Disarmament organisierte fünfte wöchentliche Londoner Demonstration für den Waffenstillstand im Gaza-Streifen war zugleich die zweitgrößte in der britischen Geschichte.
Sie versammelten sich im Hyde Park und zogen dann bis zur US-Botschaft in Vauxhall. Die Slogans reichten von "Vom Fluss bis zum Meer, freies Palästina" bis "Feuer einstellen!"; von "Tausende, Millionen, wir sind alle Palästinenser" bis "Palästinenserleben zählt".
Unterstützt wurde die Demonstration von kleinen Gruppen von sozialistischen und antiimperialistischen Juden, allen voran die Aktivisten der Jewish Voice for Labour.
"Dieser Krieg in Gaza ist eine Schändung der Erinnerung an die Menschen ist, die im Holocaust gestorben sind."
"Besonders als britische Jüdin halte ich es für sehr wichtig, aufzutreten und zu sagen, dass Israel nicht dasselbe ist wie Jüdischsein", sagte Rebekah, die ihren Nachnamen nicht nannte, gegenüber Middle East Eye. Rebekah sprach über ihre Mutter, das Kind osteuropäischer Großeltern, die den Holocaust überlebten und nach New York flohen: "Sie ist der Meinung, dass dieser Krieg in Gaza eine Schändung der Erinnerung an die Menschen ist, die im Holocaust gestorben sind."
Auf der Abschlusskundgebung sprachen u.a. der Generalsekretär der National Union of Rail, Maritime and Transport Workers, Mick Lynch, der palästinensische Botschafter in London Husam Zomlot, die Labour-Abgeordente Zarah Sultana und Jeremy Corbyn.
Video: Rede von Jeremy Corbyn
https://twitter.com/jeremycorbyn/status/1723728464841216198
Die Demonstration fand in einem aufgeheizten politischen Klima statt. Die ultrarechte Innenministerin Suella Braverman hatte die Demonstration verbieten wollen. Sie befürchtete, um sie wörtlich zu zitieren, "Schändungen" der Denkmäler für Gefallene aller Kriege durch die pro-palästinensischen "Horden". Polizeichef Mark Rowley, der sich gegen das Verbot wandte, warf sie vor, mit zweierlei Maß zu messen: Er sei zu milde mit der radikalen Linken und zu hart mit der Rechten.
Blockade von BAE Systems
Am Freitag, im Vorfeld des nationalen Marsches für Palästina, bildeten mehr als 400 Gewerkschafter eine Blockade vor dem Waffenhersteller BAE Systems in Rochester, Kent.
Unter dem Motto "Workers for a Free Palestine" (Arbeiter für ein freies Palästina) blockierten Mitglieder von Unite, Unison, GMB, NEU, BMA, UCU, Bectu und BFAWU die Werkseingänge und forderten einen sofortigen Waffenstillstand.
BAE Systems, das größte britische Rüstungsunternehmen, liefert Waffensysteme nach Israel und stellt u.a. Komponenten für das israelische Tarnkappen-Kampfflugzeug F-35 her.
Australien: Israelische Fracht im Hafen blockiert
Am Mittwoch im Hafen von Melbourne und am Samstag im Hafen von Sydney: Aktivisten mit palästinensischen Fahnen blockierten die Lastwagen der israelischen Transportfirma Zim und legten sich vor die Fahrzeuge. Der Protest richtet sich gegen die Verladung von Waffen für Israel, wie sie auch in den letzten Tagen in den Häfen von Genua, Barcelona und Tacoma (USA) stattgefunden haben.
https://twitter.com/MiddleEastEye/status/1723763593521299640
Paris
München
Fußnoten
[1] Tagesschau Liveblog 11.11.2023,
https://www.tagesschau.de/newsticker/liveblog-israel-samstag-108.html
- Habeck-Rede und die Doppelmoral
- Rauswurf wegen israelkritischem Post: "Steh für das Richtige ein"
- Wieder eine Nakba? Durchgesickerte Dokumente bestätigen israelischen Plan, Palästinenser:innen nach Ägypten zu vertreiben
- UN für Feuerpause und humanitäre Hilfe für Gaza. Deutschland enthält sich.
- Israel: Drohungen und Verhaftungen für diejenigen, die sich für den Frieden einsetzen. Linker Diskurs wird unterbunden
- 'From the river to the sea': Was bedeutet der Pro-Palästina-Spruch eigentlich?
- USA gegen "humanitäre Pause" im Gaza-Krieg. Europäische Spitzenpolitiker besuchen Israel, um Unterstützung für den Krieg zu zeigen, nicht um einen Waffenstillstand zu fordern.
- Gaza unter israelischem Bombenhagel. Phosphorbomben auf Frauen und Kinder
- "menschliche Tiere", das ist "Rhetorik der Nazis ". Oder: Requiem für Gaza
- Spaniens stellvertretende Premierministerin fordert Europa auf, das "Massaker" in Gaza zu beenden
- Unsere Menschlichkeit wird auf die Probe gestellt
- Das Blut von Gaza klebt an den Händen des Westens ebenso wie an denen Israels
- Bundesausschuss Friedensratschlag: Bundesregierung muss sich für Stopp der Kampfhandlungen und der Aufhebung der Blockade des Gazastreifens einsetzen.
- Überraschungsangriff der Hamas. Israel bombardiert Gaza