Internationales

09.10.2023: Hunderte Tote bei Hamas-Angriff auf Israel ++ Israelische Luftwaffe bombardiert Gaza ++ Hamas: Angriff als Reaktion auf israelische Besatzung ++ Israelische KP: "rechte faschistische Regierung" von Netanjahu für Eskalation verantwortlich ++ Riyad Mansour, UN-Botschafter der PNA: Israels "Recht auf Verteidigung" ist eine "Lizenz zum Töten" ++ Meir Margalit, israelischer Menschenrechtsaktivist: "Für diesen Konflikt gibt es keine militärische Lösung" ++ Haggai Matar in Zeitschrift +972: "Das Grauen, das die Israelis nach dem heutigen Angriff empfinden, ist schon lange die tägliche Erfahrung von Millionen von Palästinensern."

Am Samstagmorgen stürmten palästinensische Kämpfer der islamistischen Hamas israelische Siedlungen und Militärstützpunkte rund um den von Israel seit 16 Jahren blockierten Gazastreifen.

Der Angriff begann kurz nach 6 Uhr, als die Hamas Hunderte von Raketen - bis zum Ende des Tages waren es mindestens 2.500 - auf den Süden Israels abfeuerte, von Tel Aviv über Sderot bis Beerscheba. Eine Menge, dem das hochgelobte Iron-Dome-Raketenabwehrsystem nicht gewachsen war. Kurz darauf stiegen in verschiedenen israelischen Wohngebieten hohe Rauchsäulen auf, Menschen rannten in Schutzräume, Autos brannten und Alarmsirenen heulten.#

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Dann kamen Berichte über Bewaffnete in Sderot, im Kibbuz Beeri und an anderen Orten in der Nähe des Gazastreifens. Es wurde deutlich, dass der Raketenangriff als Deckung für die Hamas-Kämpfer diente, die die als unüberwindbar geltende Mauer um Gaza durchbrachen und in die an den Gazastreifen angrenzenden Dörfer und Städte eindrangen und einige Zentren stundenlang kontrollierten.

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Kämpfer der Hamas durchbrechen den Grenzzaun

 

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Hamas: Angriff als Antwort auf israelische Besatzung

Der Oberbefehlshaber der Al-Qassam-Brigaden der Hamas, Mohammed Deif erklärte, der Angriff sei die Antwort auf die Entweihung der Al-Aqsa-Moschee, den zunehmenden Landraub und die wachsende Gewalt durch jüdische Siedler.

"Wir haben die israelische Besatzung vor der Fortsetzung ihrer Verbrechen gewarnt und an die führenden Politiker der Welt appelliert, sich für die Beendigung der israelischen Verbrechen gegen unser palästinensisches Volk und die Gefangenen, ihre heiligen Stätten und ihre Heimat einzusetzen und Druck auf die israelische Besatzung auszuüben, damit sie sich an das Völkerrecht und die Resolutionen hält", erklärte Mohammed Deif. Und weiter: "Weder haben die israelischen Besatzer auf unsere Forderungen gehört, noch haben die führenden Politiker der Welt in dieser Hinsicht gehandelt.
Stattdessen verschärfte die israelische Besatzung ihre Verbrechen und überschritt alle roten Linien, insbesondere im besetzten Jerusalem und in der Al-Aqsa-Moschee - der ersten Qibla und drittheiligsten Stätte der Muslime.
Die israelischen Besatzungstruppen haben ihre Razzien in der Al-Aqsa-Moschee ausgeweitet, die heiligen Stätten der Muslime geschändet und wiederholt Gläubige, insbesondere Frauen, Kinder und ältere Menschen, angegriffen."[1]

Die politische und militärische Führung der Hamas will mit der seit Monaten, wenn nicht Jahren geplante, beispiellose Offensive die Gunst nicht nur der Palästinenser im Gazastreifen, sondern aller Palästinenser gewinnen, den Mythos der Unbesiegbarkeit und militärischen Überlegenheit Israels zerstören und der ohnehin schwachen und im Westjordanland ohne nennenswerten Konsens agierenden Palästinensischen Autonomiebehörde (PNA) von Abu Mazen einen Schlag versetzen. Die islamistische Bewegung will sich als die einzige glaubwürdige Vertretung der Palästinenser präsentieren und die Fatah-Partei von Abu Mazen aus dem Spiel zu nehmen.

Israel bombardiert Gaza

Israel reagierte mit massiven Luftangriffen auf die Küstenenklave und der Blockade der Stromversorgung. "Kein Strom, kein Essen, kein Treibstoff" sagte der israelische Verteidigungsminister Joav Gallant. Explosionen waren im Zentrum des Streifens und in Gaza-Stadt zu hören. F-16-Kampfflugzeuge zerstörten den Palestine Tower und andere mehr als zehn Stockwerke hohe Gebäude, während die Zivilbevölkerung, die nur wenige Minuten vor den Angriffen alarmiert wurde, in Panik geriet. Bis Sonntag Nachmittag wurden 10 Wohnhochhäuser, Moscheen und kommerzielle Gebäude zerstört, das dicht besiedelte Flüchtlingslager Khan Younis bombardiert, medizinisches Personal, Rettungssanitäter und Krankenwagen beschossen. Das Rote Kreuz in Palästina berichten von Zunahme der israelischen Angriffe auf Rettungskräfte und fordert humanitäre Korridore. Auch eine von der UN betriebene Schule und Flüchtlingslager wurde angegriffen.

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Während am späten Sonntagabend weiterhin Bomben auf den Gazastreifen fallen, berichten Mediziner, dass mehrere Krankenhäuser nun auf alte und "baufällige" Generatoren angewiesen sind, was die Befürchtung aufkommen lässt, dass die Patienten dadurch gefährdet werden.

Aktuell wächst die Angst vor einer Bodeninvasion in den Gazastreifen.

Auch innerhalb Israels dauerten am späten Sonntagabend die Kämpfe an mehreren Orten noch an. Al Jazeera berichtete, dass die Hamas den Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv mit Raketen angegriffen hat. Der Flughafen wurde für den Flugverkehr gesperrt.

Nach Angaben der israelischen Zeitung Haaretz wurden mindestens 700 israelische Bürger, Soldaten, Polizisten und Feuerwehrleute bei dem Überraschungsangriff der Hamas auf den Süden Israels getötet. Mehr als 2.000 wurden verwundet, davon befinden sich 360 in einem kritischen Zusatnd, und Dutzende Zivilisten und Soldaten wurden von der Hamas gefangengenommen und werden im Gazastreifen festgehalten. (Stand Sonntag, 11:41 PM)

Das palästinensische Gesundheitsministerium informierte am Sonntagabend, dass bei den israelischen Bombenangriffen auf Gaza inzwischen 421 Palästinenser gestorben sind, darunter 78 Kinder und 41 Frauen. Rund 2.300 Palästinenser wurden bei den Angriffen bisher verwundet.

"Unser Feind wird einen Preis zahlen, den er noch nie gesehen hat", warnte Premierminister Benjamin Netanjahu. "Wir befinden uns im Krieg und wir werden ihn gewinnen."

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Und ein langer und blutiger Krieg wird von den meisten erwartet. Ein Krieg, den nicht wenige schon seit geraumer Zeit sahen, angesichts des Scheiterns der Lösung der palästinensischen Frage, der seit 1967 andauernden militärischen Besetzung, der totalen Blockade des Gazastreifens seit 2007. Die Vertreibung von Palästinensern und die Zahl der durch israelische Soldaten und Siedler getöteten Palästinenser brach in diesem Jahr alle Rekorde seit über 20 Jahren.

Israels "Recht auf Verteidigung" ist in Wirklichkeit eine "Lizenz zum Töten"
Riyad Mansour, Botschafter der Palästinensischen Autonomiebehörde bei den Vereinten Nationen

Der Botschafter der Palästinensischen Autonomiebehörde bei den Vereinten Nationen, Riyad Mansour, hat die internationale Gemeinschaft davor gewarnt, Israels "Recht auf Selbstverteidigung" zu bekräftigen, da solche Botschaften von Israel als "Lizenz zum Töten" interpretiert würden, "um den Weg fortzusetzen, der uns hierher geführt hat." "317 Palästinenser oder sogar noch mehr wurden an einem einzigen Tag getötet, darunter auch Kinder, von denen einige erst wenige Monate alt waren, oder ganze Familien, die gemeinsam getötet wurden", sagte Mansour vor einer geschlossenen Tagung des UN-Sicherheitsrats: "Wird dies Sicherheit bringen? Wird es den Frieden fördern?", fragte er.

Die Zeitung Middle East Minitor klagt an, dass "die ganze Welt zuschaut", wenn die israelischen Besatzer die palästinensische Bevölkerung drangsalieren. "Die israelischen Besatzungstruppen führen fast jeden Tag Razzien in palästinensischen Städten, Dörfern und Flüchtlingslagern im besetzten Westjordanland durch. Sie stürmen palästinensische Häuser, nehmen fest, wen immer sie wollen, und töten Palästinenser, darunter Frauen, Kinder und ältere Menschen."

Die Al-Qassam-Brigaden, der militärische Flügel der Hamas, habe den Angriff nach "17 Jahren ununterbrochener, lähmender Belagerung, die fast jeden Aspekt des Lebens in der Küstenenklave lahmgelegt hat", gestartet, und nachdem alle Appelle "an die internationale Gemeinschaft, die UNO und alle Großmächte, Druck auf Israel auszuüben, um die Belagerung zu beenden" nicht fruchteten. Weiter heißt es: "Das Problem ist, dass die ganze Welt, die immer geschlafen hat, wenn die israelischen Besatzungstruppen die palästinensischen Städte, Dörfer und Flüchtlingslager überfallen haben, sofort aufgestanden ist, als der palästinensische Widerstand die illegalen israelischen jüdischen Siedlungen überfallen hat, und ihre Unterstützung für die israelische Besatzung erklärt und die palästinensischen Aktionen verurteilt hat."[2]

"Netanjahu, Ben Gvir, Smotrich sind verantwortlich für die Demütigung der Palästinenser"
Meir Margalit, israelischer Menschenrechtsaktivist

In der Regierung gibt es eine ultra-rechte Mehrheit: "Sie sind Pyromanen, Netanjahu, Ben Gvir, Smotrich sind verantwortlich für die Demütigung der Palästinenser in den letzten sechs Monaten in einer noch härteren Form, in Dschenin, Nablus, Jerusalem, sie sind verantwortlich für die Gewalt der Siedler. Und sie sind für noch mehr verantwortlich, nämlich für die Spaltung der israelischen Gesellschaft, die sie in einen noch nie dagewesenen inneren Konflikt hineingezogen hat", sagt Meir Margalit, Menschenrechtsaktivist, langjähriges Mitglied des Stadtrats von Jerusalem für die linkszionistische Partei Meretz, Mitgründer des Komitees ICAHD, das sich gegen den Abriss palästinensischer Häuser einsetzt.

Netanjahu nutzt den Angriff der Hamas zu einem Befreiungsschlag. Denn ungeachtet der massiven Proteste gegen die Justizreform seiner Regierung hat Netanjahu jetzt die Unterstützung der meisten Israelis, einschließlich des Oppositionsführers Yair Lapid, der sich bereits für die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit ausgesprochen hat.

"Für diesen Konflikt gibt es keine militärische Lösung"
Meir Margalit, israelischer Menschenrechtsaktivist

Meir Margalit weiter: "Ich höre den Kommentatoren im Fernsehen zu, und alle, wirklich alle, sind sich einig: Israel muss der Hamas dieses Mal einen tödlichen Schlag versetzen. Wir haben es in den letzten Jahrzehnten von Generälen und Politikern oft gehört: Wir werden Gaza den Todesstoß versetzen. Diese Haltung sagt uns eines: Israel ist nicht in der Lage, die minimale Schlussfolgerung zu ziehen, dass dieser Konflikt mit Gewalt niemals gelöst werden kann. Für diesen Konflikt gibt es keine militärische Lösung, die einzige Lösung ist eine politische, um den Palästinensern das zu geben, was ihnen zusteht, das Land, das ihnen zusteht. Wenn man Menschen gefangen nimmt, rebellieren sie. Die letzten Jahre waren für die Palästinenser demütigender als sonst, wir haben die Menschen in Gaza in eine Situation gebracht, in der sie nichts zu verlieren haben, sie haben keinen Horizont, keine Zukunft, sie haben kein Trinkwasser oder Strom. Die Reaktion ist heftig. Jetzt wird es Tausende von Toten geben, und in sechs Monaten werden wir wieder die gleiche Geschichte erleben, eine neue Militäroperation. Ohne zu verstehen, dass man ein Volk nicht ewig unterdrücken kann. Das ist unser Drama".

Der israelische Aktivist versucht, das Szenario zu skizzieren: "Meine Befürchtung ist, dass die Fanatiker der religiösen israelischen Regierung unter dem Vorwand des totalen Krieges zur Besetzung des Gazastreifens und des nördlichen Teils des Westjordanlandes, Dschenin und Nablus, aufrufen werden, um die palästinensischen Bewohner umzusiedeln. Die Idee einer Wiederbesetzung von Teilen der besetzten Gebiete ist kein so unwahrscheinliches Szenario. Und die Palästinenser, die israelische Staatsbürger sind, werden das Ziel von Racheakten sein, insbesondere in den gemischten Städten".

Meir Margalit berichtet, dass bereits in mehreren gemischten palästinensisch-jüdischen Gemeinden in Zentral- und Nordisrael, also weit weg vom Chaos im Süden, die Menschen in ihren Häusern eingeschlossen bleiben. Jüdische Israelis fürchteten ihre palästinensischen Nachbarn, Palästinenser fürchteten ihre jüdischen Nachbarn. "In mehreren WhatsApp-Gruppen wird zum Boykott israelischer Geschäfte, die Palästinenser beschäftigen, aufgerufen. Die Möglichkeit von Racheakten, von politischer Gewalt zwischen Zivilisten, ist sehr hoch und wird schlimmer sein als im Jahr 2021. Und dann wird die israelische Regierung das Chaos nutzen, um den Ausnahmezustand auszurufen. Die Protestbewegung wird keine Zukunft haben. Was geschehen ist, dient den Interessen der Regierung, die ihre Agenda innerhalb Israels vorantreibt, d.h. die Rechtsstaatlichkeit verletzt oder die bürgerlichen Freiheiten einschränkt. Und in den besetzten Gebieten die Annexion voranzutreiben".[3]

Israelische KP: "rechte faschistische Regierung" von Netanjahu für Eskalation verantwortlich

In einer gemeinsamen Erklärung der Israelischen Kommunistischen Partei (Maki) und des Linksbündnisses Hadash wird die "rechte faschistische Regierung" von Netanjahu für Eskalation verantwortlich gemacht. "Maki und Hadash machen die rechte faschistische Regierung für die akute und gefährliche Eskalation verantwortlich, die vielen unschuldigen Bürgern das Leben gekostet hat. Am Ende einer turbulenten Woche, in der die von der Regierung geförderten Siedler in den besetzten Gebiete wüteten, in die Al-Aqsa-Moschee eindrangen und ein weiteres Pogrom in Huara durchgeführt haben, wachten wir heute Morgen in einer sehr ernsten Eskalation auf, die die gesamte Region in einem gefährlichen und regionalen Krieg stürzen kann.
Die heutigen Ereignisse zeigen, in welcher gefährlichen Richtung die Netanjahu-Regierung die gesamte Region führt.
Maki und Hadash betonen erneut, dass es keine Möglichkeit gibt, den Konflikt militärisch zu lösen - es gibt eine einzige Lösung: das Ende der Besatzung und Anerkennung der legitimen Forderungen und Rechte des palästinensischen Volkes. Das Ende der Besatzung und gerechte Friedenssicherung sind ein klares und gemeinsames Interesse der beiden Nationen in diesem Land. ...
Maki und Hadash warnen vor Racheaktionen an arabischen Bürgern in Israel, insbesondere an die Bewohner der beteiligten Städte und der Dörfer im Negev. In dieser Situation ist es die Pflicht der vernünftigen Kräfte in Israel, von Arabern und Juden gleichermaßen, eine deutliche Stimme gegen jeden Versuch zu erheben, die Bevölkerung aufzuhetzen oder das Gesetz in ihre Hände zu nehmen. Es gilt auch jetzt, gemeinsame Aktivitäten zu fördern, die das Streben nach einem normalen Leben ohne Diskriminierung und Vorherrschaft stärken - ein Leben in Frieden, Gleichheit und echter Demokratie für alle."[4]

Dies ist ein schrecklicher Tag

"Das Grauen, das die Israelis nach dem heutigen Angriff empfinden, mich eingeschlossen, ist schon viel zu lange die tägliche Erfahrung von Millionen von Palästinensern."
Haggai Matar, preisgekrönter israelischer Journalist und Geschäftsführer der Zeitschrift +972.

Haggai Matar, Geschäftsführer der Zeitschrift +972, schrieb am Samstag (7.10.):

Dies ist ein schrecklicher Tag. Nach dem Aufwachen unter dem Sirenengeheul von Hunderten von Raketen, die auf israelische Städte abgefeuert wurden, erfahren wir von dem beispiellosen Angriff militanter Palästinenser aus dem Gazastreifen auf israelische Städte, die an den Gazastreifen angrenzen.

Es wird von mindestens 40 getöteten und Hunderten verwundeten Israelis berichtet, von denen einige nach Gaza entführt worden sein sollen. In der Zwischenzeit hat die israelische Armee bereits ihre eigene Offensive auf den blockierten Streifen gestartet, mit Truppen entlang des Zauns und Luftangriffen, bei denen bisher zahlreiche Palästinenser getötet und verwundet wurden. Die absolute Angst der Menschen, die bewaffnete Kämpfer in ihren Straßen und Häusern oder den Anblick von Kampfjets und anrückenden Panzern sehen, ist unvorstellbar. Angriffe auf Zivilisten sind Kriegsverbrechen, und mein Mitgefühl gilt den Opfern und ihren Familien.

Im Gegensatz zu dem, was viele Israelis sagen, und obwohl die Armee von dieser Invasion eindeutig völlig unvorbereitet getroffen wurde, handelt es sich nicht um einen "einseitigen" oder "unprovozierten" Angriff.

Das Grauen, das die Israelis, mich eingeschlossen, jetzt empfinden, ist nur ein Bruchteil dessen, was die Palästinenser tagtäglich unter dem jahrzehntelangen Militärregime im Westjordanland und unter der Belagerung und den wiederholten Angriffen auf den Gazastreifen zu spüren bekommen.

Die Reaktionen, die wir heute von vielen Israelis hören - von Leuten, die dazu aufrufen, "Gaza platt zu machen", dass "dies Wilde sind, keine Leute, mit denen man verhandeln kann", "sie ermorden ganze Familien", "mit diesen Leuten kann man nicht reden" - sind genau so wie die, die ich schon unzählige Male von Palästinensern über Israelis gehört habe.

Der Angriff heute Morgen hat auch einen neueren Hintergrund. Einer davon ist der sich abzeichnende Horizont eines Normalisierungsabkommens zwischen Saudi-Arabien und Israel. Seit Jahren vertritt Premierminister Benjamin Netanjahu die Ansicht, dass Frieden erreicht werden kann, ohne mit den Palästinensern zu sprechen oder Zugeständnisse zu machen. Mit dem Abraham-Abkommen haben die Palästinenser eines ihrer letzten Verhandlungsmasse und Unterstützungsbasis verloren: die Solidarität der arabischen Regierungen, obwohl diese Solidarität seit langem fraglich ist. Die hohe Wahrscheinlichkeit, den vielleicht wichtigsten dieser arabischen Staaten zu verlieren, könnte durchaus dazu beigetragen haben, die Hamas in die Ecke zu drängen.[5]

Seit Wochen warnen Kommentatoren davor, dass die jüngsten Eskalationen im besetzten Westjordanland gefährliche Entwicklungen nach sich ziehen. Im vergangenen Jahr sind mehr Palästinenser und Israelis getötet worden als in jedem anderen Jahr seit der Zweiten Intifada Anfang der 2000er Jahre. Die israelische Armee führt routinemäßig Razzien in palästinensischen Städten und Flüchtlingslagern durch. Die rechtsextreme Regierung lässt Siedlern völlig freie Hand, um neue illegale Außenposten zu errichten und Pogrome gegen palästinensische Städte und Dörfer zu veranstalten, wobei Soldaten die Siedler begleiten und Palästinenser, die versuchen, ihre Häuser zu verteidigen, töten oder verstümmeln. Während der hohen Feiertage stellen jüdische Extremisten den "Status quo" rund um den Tempelberg/die Al-Aqsa-Moschee in Jerusalem in Frage und werden dabei von Politikern unterstützt, die ihre Ideologie teilen.

Im Gazastreifen zerstört die anhaltende Belagerung das Leben von mehr als zwei Millionen Palästinensern, von denen viele in extremer Armut leben und kaum Zugang zu sauberem Wasser und nur etwa vier Stunden Strom pro Tag haben. Diese Belagerung hat kein offizielles Ende. Sogar ein Bericht des israelischen Rechnungshofs stellte fest, dass die Regierung nie über langfristige Lösungen zur Beendigung der Blockade diskutiert oder ernsthaft Alternativen zu den wiederkehrenden Runden von Krieg und Tod in Betracht gezogen hat. Die Blockade ist buchstäblich die einzige Option, die diese Regierung und ihre Vorgänger auf dem Tisch haben.

Die einzigen Antworten, die die aufeinander folgenden israelischen Regierungen auf das Problem der palästinensischen Angriffe aus dem Gazastreifen gegeben haben, waren Notlösungen: Wenn sie am Boden kommen, werden wir eine Mauer bauen; wenn sie durch Tunnel kommen, werden wir eine unterirdische Barriere bauen; wenn sie Raketen abfeuern, werden wir Abfangwaffen aufstellen; wenn sie einige der Unseren töten, werden wir viele mehr von ihnen töten. Und so geht es weiter und weiter.

All dies dient nicht dazu, die Tötung von Zivilisten zu rechtfertigen - das ist absolut falsch. Es soll uns vielmehr daran erinnern, dass alles, was heute geschieht, einen Grund hat, und dass es - wie in allen früheren Runden - keine militärische Lösung für Israels Problem mit dem Gazastreifen gibt, auch nicht für den Widerstand, der natürlich als Reaktion auf die gewaltsame Apartheid entsteht.

In den letzten Monaten haben Hunderttausende von Israelis im ganzen Land für "Demokratie und Gleichheit" demonstriert, und viele von ihnen haben sogar erklärt, dass sie wegen der autoritären Tendenzen dieser Regierung den Militärdienst verweigern würden. Was diese Demonstranten und Reservesoldaten verstehen müssen - vor allem heute, da viele von ihnen ankündigten, ihre Proteste zu beenden und am Krieg gegen den Gazastreifen teilzunehmen - ist, dass die Palästinenser seit Jahrzehnten für dieselben Forderungen und mehr kämpfen und dabei mit einem Israel konfrontiert sind, das für sie bereits völlig autoritär ist und immer war.

Während ich diese Zeilen schreibe, sitze ich zu Hause in Tel Aviv und versuche herauszufinden, wie ich meine Familie in einem Haus ohne Schutzraum schützen kann. Mit wachsender Panik verfolge ich die Berichte und Gerüchte über die schrecklichen Ereignisse in den israelischen Städten in der Nähe von Gaza, die angegriffen werden. Ich sehe, wie Menschen, darunter auch einige meiner Freunde, in den sozialen Medien dazu aufrufen, den Gazastreifen härter als je zuvor anzugreifen. Einige Israelis sagen, dass es jetzt an der Zeit sei, den Gazastreifen vollständig auszuradieren - sie rufen im Grunde zum Völkermord auf. Angesichts all der Explosionen, des Schreckens und des Blutvergießens erscheint es ihnen wie Wahnsinn, über friedliche Lösungen zu sprechen.

Doch ich erinnere mich daran, dass alles, was ich jetzt fühle und was jeder Israeli teilen muss, die Lebenserfahrung von Millionen von Palästinensern seit viel zu langer Zeit ist. Die einzige Lösung besteht nach wie vor darin, der Apartheid, der Besatzung und der Belagerung ein Ende zu setzen und eine Zukunft zu fördern, die auf Gerechtigkeit und Gleichheit für uns alle beruht. Wir müssen unseren Kurs nicht trotz, sondern gerade wegen des Schreckens ändern. [6]

 

Anmerkungen:

[1] Middle East Monitor, 7.10.2023: Statement by Hamas’s Al-Qassam Brigades top military commander
https://www.middleeastmonitor.com/20231007-statement-by-hamass-al-qassam-brigades-top-military-commander/

[2] Middle East Monitor, 7.10.2023: Why do Palestinians not deserve support for their self-defence?
https://www.middleeastmonitor.com/20231007-why-do-palestinians-not-deserve-support-for-their-self-defence/

[3] siehe il manifesto, 8.10.2023: «L’ultradestra calpesterà lo stato di diritto»
https://ilmanifesto.it/lultradestra-calpestera-lo-stato-di-diritto

[4] https://www.facebook.com/hadash.org.il/

[5] Anmerkung kommunisten.de: Bei den Abraham-Abkommen handelt es sich um bilaterale Abkommen zur arabisch-israelischen Normalisierung , die am 15. September 2020 zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain unterzeichnet wurden. Im Dezember 2020 wurde das Normalisierungsabkommen zwischen Israel und Marokko unterzeichnet. Als Gegenleistung für die Anerkennung der israelischen Souveränität durch Marokko erkannten die Vereinigten Staaten die marokkanische Souveränität über die von Marokko völkerrechtswidrig besetzte Westsahara an. Am 6. Januar 2021 unterzeichnete die sudanesische Regierung das Normalisierungsabkommen zwischen Israel und Sudan.
Politischen Analysten zufolge könnte die "Al-Aqsa-Flut" der Hamas die Normalisierung zwischen den arabischen Ländern und Israel verlangsamen oder sogar zunichte machen. Wie wird das mächtige Saudi-Arabien, das als kurz davor steht, offizielle Beziehungen zu Israel aufzunehmen, reagieren? Obwohl es noch zu früh ist, um diese Frage zu beantworten, ist bereits jetzt klar, dass eine Normalisierung in weite Ferne gerückt ist. Es ist unwahrscheinlich, dass Riad jetzt ein Abkommen mit dem jüdischen Staat unterzeichnet, da klar ist, dass jede israelische Regierung keine Zugeständnisse an die Palästinenser machen wird.

[6] Haggai Matar in +972 Magazin, 7.10.2023: Gaza’s shock attack has terrified Israelis. It should also unveil the context
https://www.972mag.com/gaza-attack-context-israelis/


zum Thema

 

Farkha Festival Komitee ruft zu Spenden für die Solidaritätsarbeit in Gaza auf

CfD communist solidarity dt
zum Text hier
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Farkha2023 21 Buehnentranspi

Farkha-Festival 2024 abgesagt.
Wegen Völkermord in Gaza und Staatsterror und Siedlergewalt im Westjordanland.
hier geht es weiter zum Text


 

 

UNRWA Gazakrieg Essenausgabe

UNRWA Nothilfeaufruf für Gaza
Vereint in Menschlichkeit, vereint in Aktion

Mehr als 2 Millionen Menschen, darunter 1,7 Millionen Palästina-Flüchtlinge, zahlen den verheerenden Preis für die Eskalation im Gazastreifen.
Zivilisten sterben, während die Welt zusieht. Die Luftangriffe gehen weiter. Familien werden massenweise vertrieben. Lebensrettende Hilfsgüter gehen zur Neige. Der Zugang für humanitäre Hilfe wird nach wie vor verweigert.
Unter diesen Umständen sind Hunderttausende von Vertriebenen in UNRWA-Schulen untergebracht. Tausende unserer humanitären Helfer sind vor Ort, um Hilfe zu leisten, aber Nahrungsmittel, Wasser und andere lebenswichtige Güter werden bald aufgebraucht sein.
Das UNRWA fordert den sofortigen Zugang zu humanitärer Hilfe und die Bereitstellung von Nahrungsmitteln und anderen Hilfsgütern für bedürftige Palästina-Flüchtlinge.
Dies ist ein Moment, der zum Handeln auffordert. Lassen Sie uns gemeinsam für die Menschlichkeit eintreten und denjenigen, die es am meisten brauchen, die dringend benötigte Hilfe bringen.

Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge

Spenden: https://donate.unrwa.org/gaza/~my-donation


 

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